Protest gegen Leerstand in Stuttgart Zwei Wohnungen in Heslach besetzt

Aus Protest gegen den Wohnungs-Leerstand in der Stadt haben am Samstag Demonstranten zwei Wohnungen in einem mehrstöckigen Altbau in Stuttgart-Heslach besetzt. Die neuen Bewohner kündigten an, bleiben zu wollen.
Stuttgart - Unterstützt vom Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ haben am Samstagnachmittag mehrere Dutzend Personen zwei leer stehende Wohnungen in einem mehrstockigen Wohnhaus in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart-Heslach besetzt. Die Besetzung erfolgte im Anschluss an eine Kundgebung, bei der nach Veranstalterangaben rund 150 Personen gegen die Wohnungsnot und den Wohnungsleerstand in Stuttgart demonstrierten. „Es war eine spontane Aktion“, sagte Paul von Pokrzywnicki, ein Sprecher des Aktionsbündnisses, unserer Redaktion. Die Polizei war vor Ort und beobachtete nach eigenen Angaben das Geschehen. Seitens der Stadt gab es zunächst keine Reaktion.
Das Bündnis habe die Besetzung selbst nicht geplant, sei mit den Besetzern jedoch solidarisch, sagte der Sprecher am Sonntag weiter. In Stuttgart stünden aktuell mehr als 11 000 Wohnungen leer. Daran habe auch das Zweckentfremdungsverbot nichts geändert. „Es kann nicht sein, dass Häuser ohne Menschen sind und Menschen ohne Häuser“, sagte der Sprecher. Die beiden Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße hätten seit rund einem Jahr leer gestanden; Besitzer sei ein englischer Investor.
Unterstützer bringen Möbel und Geschirr
Zu der Vorgehensweise bei der Besetzung sagte von Pokrzywnicki: „Die Wohnungen standen offen; es wurde nichts beschädigt.“ Die Besetzung sei „in einer entspannten Atmosphäre“ und mit Zustimmung vieler Nachbarn vonstatten gegangen. Unterstützer hätten Möbel, Geschirr und Pflanzen gebracht. Sie wollten damit zeigen, dass es sich nicht um eine symbolische Aktion handle, sondern die Wohnungen dauerhaft bewohnt werden sollen. Jetzt halten sich dort eine alleinerziehende Mutter mit ihrem neunjährigen Sohn auf, der den Angaben zufolge gekündigt worden war, sowie eine dreiköpfige Familie. Sie hätte zuletzt in beengten Verhältnissen gelebt, teilte das Aktionsbündnis mit.
Bei einem Hoffest, zu dem das sogenannte BesetzerInnenkollektiv geladen hatte, herrschte am Sonntagnachmittag Hochstimmung. Zuvor war ein trennendes Gitter zwischen den Höfen der Anwesen 6 und 4 entfernt worden, um nachbarschaftliche Verbundenheit zu demonstrieren. Gleichwohl konnten die beiden schmalen Hinterhofidyllen den Ansturm der Gäste nicht fassen. Man wich auf den Gehsteig aus. Keine Angst vor Protesten wegen Ruhestörung? „Bestimmt nicht“, ist Fatima Raad sicher. Sie wohnt im Haus Nummer 4 mit Mann und Sohn Laurin und ist begeistert von der Aktion, weil auch sie fürchtet, irgendwann die Kündigung zu bekommen. Beeindruckt ist sie auch von der Solidarität der Nachbarn, egal, ob jung oder schon im Rentenalter. Sie kommen mit Kuchen, Salaten und der Zusicherung, die Besetzer zu unterstützen. Später gesellte sich Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der Linken, dazu. Die Besetzung nannte er einen „Akt der Notwehr gegen eine Politik, die Menschen bei der Wohnungssuche im Stich lässt“. Tausende leerstehende Wohnungen in Stuttgart seien ein Skandal. Stadt, Land und Bund müssten angeklagt werden, dass sie den sozialen Wohnungsbau vernachlässigen, ließ er verlauten. Tags zuvor hatten bereits die Stadträte Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) und Tom Adler (Linke) an Ort und Stelle ihre Unterstützung für die Besetzung zum Ausdruck gebracht.
Riexinger: Ein Akt der Notwehr
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