Auf dem ohnehin umkämpften Wohnungsmarkt haben Hartz-IV-Empfänger kaum Chancen: Zwar gibt es günstige Wohnungen, die meisten Vermieter bevorzugen aber Mieter mit festem Arbeitsverhältnis.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Eigentlich müssten Hartz-IV-Empfänger es seit Januar leichter haben, eine Wohnung zu finden. Die Stadt hat die Mietobergrenzen angehoben: Das heißt, es werden höhere Mieten als bisher vom Jobcenter übernommen – dadurch stehen den Betroffenen potenziell mehr Wohnungen zur Verfügung. Dennoch hat sich die Lage für die Wohnungssuchenden bisher nicht verbessert, zumindest legt eine aktuelle Erhebung der Diakonischen Beratungsstelle Kompass das nahe.

 

„Es gibt zwar günstige Wohnungen, doch Menschen im Sozialleistungsbezug haben nichts davon“, fasst die Leiterin der Beratungsstelle, Judith Giesel, das Hauptergebnis der Erhebung zusammen. Die überwältigende Mehrheit der Vermieter bevorzuge Mieter, die ein festes Arbeitsverhältnis vorweisen können.

Weil Sozialwohnungen in Stuttgart bekanntlich fehlen, ist dies umso problematischer. Nur bei 11,71 Prozent der Wohnungen mit angemessener Miete (das sind 4,78 Prozent der inserierten Wohnungen) kommt es der Erhebung zufolge für die Vermieter infrage, Hartz-IV-Empfänger bei sich einziehen zu lassen – was nicht bedeute, dass sie es dann auch tun, wie Judith Giesel betont. Bei Drei- und Vierzimmerwohnungen, also Wohnungen für Familien, liege die Bereitschaft sogar nur bei 2,01 Prozent. „Familien sind besonders betroffen“, sagt sie deshalb.

Fast alle günstige Wohnungen sind zu klein

Bereits zum fünften Mal hat Kompass Wohnungsanzeigen aus der Zeitung ausgewertet und diejenigen Vermieter kontaktiert, deren Angebote innerhalb der Mietobergrenzen liegen. Bei 40,81 Prozent der zwischen dem 9. Februar und 13. März inserieren Wohnungen war das der Fall. Allerdings waren fast alle dieser günstigen Wohnungen klein. So gab es keine einzige Wohnung für fünf oder mehr Personen, die innerhalb der Mietobergrenzen lag. Bei den Wohnungen für vier Personen hatten nur fünf von insgesamt 38 Wohnungen eine angemessen günstige Miete – und von diesen fünf sagte nur ein Vermieter, er könne sich vorstellen, Menschen mit Sozialleistungsbezug zu nehmen.

Es existierten unter Vermietern viele Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern, sagt Judith Giesel. Manche Vermieter hätten schlechte Erfahrungen als Begründung angeführt. Sie bittet, nicht alle Hartz-IV-Empfänger über einen Kamm zu scheren. Wie wichtig das Thema Wohnen ist, erlebt die Sozialpädagogin in ihrer Beratungsstelle. Für die Betroffenen sei es schlimm, ihr vertrautes Umfeld verlassen zu müssen. Vor wenigen Monaten kam eine 44-jährige ehemalige Speditionskauffrau in die Beratungsstelle, die vom Jobcenter angemahnt wurde, sich eine günstigere Wohnung zu suchen. Ein halbes Jahr wird Hartz-IV-Empfängern hierfür Zeit gewährt. Wenn sie bis dahin nichts gefunden haben, wird nur noch der Satz der infrage kommenden Mietobergrenze gezahlt: Es sei denn, man kann nachweisen, sich tatsächlich erfolglos bemüht zu haben, etwas Günstigeres zu finden. Im Fall der 44-Jährigen sei Letzteres gelungen, sie musste doch nicht ausziehen. Sie war es auch, die für Kompass die aktuelle Erhebung durchgeführt hat.

„Gegen Vorurteil können wir nichts machen“

Nach Auskunft des Jobcenters sind im Jahr 2012 insgesamt 110 Hartz-IV-Empfänger wegen der Mietobergrenze umgezogen. Wie viele Betroffene in ihrer Wohnung bleiben konnten, könne man aktuell nicht sagen. Die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt vor allem für sozial Schwache beschäftigt auch die Stadt Stuttgart. „Gegen Vorurteile können wir nichts machen“, sagt der Sozialamtsleiter Walter Tattermusch. Doch das Sozialamt versucht, zumindest den Härtefällen „Rückenwind“ bei der Wohnungssuche zu verschaffen. Wer in der Wohnungsnotfallhilfe registriert ist und einen Wohnberechtigungsschein A vorweisen kann, erhält eine neue Form der Unterstützung: Zum 23. Januar hat die Stadt Garantiemietverträge eingeführt, die es Vermietern schmackhaft machen sollen, betroffene Hartz-IV-Empfänger bei sich wohnen zu lassen. Für bis zu vier Jahre werden die Mietzahlungen garantiert. Das gelte auch dann noch, sollte der Mieter eine Arbeitsstelle finden, sagt Tattermusch. Außerdem garantiere man, die Auszugsrenovierungskosten zu übernehmen – bis zu 22 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Der Sozialamtsleiter ist sich sicher, dass sich die Investitionen lohnen. Wohnungslosigkeit sei teurer für die Stadt.