Das Ausdrucksvermögen von Rappern untersucht eine neue Studie. Kevin Schramm hat sie betreut. Im Interview erläutert er die Hintergründe.

Stuttgart - Der Rapper Kollegah verfügt über einen größeren Wortschatz als Johann Wolfgang von Goethe – kann das sein? Zumindest legt das eine Studie der Stuttgarter Firma media access nahe, die die Texte von 23 deutschen Rappern im Auftrag des Programms BR Puls untersucht hat. Die Analyse „Wer hat den größten?“ mit Hilfe der Software LinguLab ergab, dass sich zwei Musiker in ihren Texten eines vielfältigeren Vokabulars bedienten als Goethe in „Faust I“. Den letzten Platz des Rankings nimmt Helene Fischer ein. Kevin Schramm (30), Journalist beim Bayrischen Rundfunk, hat das Projekt betreut.

 
Herr Schramm, wie kamen Sie darauf, Raptexte untersuchen zu lassen?
Kevin Schramm. Foto: privat
Die amerikanische Studie „The Largest Vocabulary in Hip Hop“ hat mir eine Vorlage geliefert. Dort kam man zu spannenden Ergebnissen, beispielsweise dass der Wu-Tang-Clan ziemlich weit vorne liegt. Und da ich selbst Hip-Hop-Fan bin, dachte ich, dass so eine Studie auch in Deutschland interessant wäre.
Wieso haben Sie Helene Fischer und Goethe mit in die Analyse eingebunden?
Wichtig war hierbei die Untersuchung der Fallhöhe. Goethe gilt als das Flaggschiff unserer Kultur und Dichtung, da war es natürlich interessant, zeigen zu können, dass die Kunstform Rap mit einem Poeten durchaus mithalten kann. Bei Helene Fischer habe ich geahnt, dass sie sehr wenige unterschiedliche Begriffe in ihren Songs benutzt, und wollte eben das verifizieren.
 
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Die Studie besagt, dass sprachliche Vielfalt fast immer mit wenig „Gefällt-mir“-Klicks in sozialen Netzwerken einhergeht. Lässt sich eine Verbindung zwischen Wortschatz und Erfolg ziehen?
Tatsächlich ist die Tendenz zu verzeichnen, dass Rapper mit kleinem Wortschatz im Social Media Bereich bekannter und erfolgreicher sind. Das macht auch Sinn, denn die wenigen Wörter sprechen eine breitere Zielgruppe an. Oft stecken auch Wortwiederholungen dahinter, die dazu führen, dass Texte besser hängenbleiben und zu Ohrwürmern werden.
Prinz Pi sagt, dass hinter einem einfachen Satz ein ganzes Weltbild stehen kann. Ist es tatsächlich nicht eine größere Kunst, metaphorisch zu sprechen und dabei mit wenigen Worten auszukommen?
Sicher ist das so. Es ist wahrscheinlich sogar schwieriger, Äußerungen in wenige Worte zu packen. Die Analyse macht jedoch keine Aussage über gute oder schlechte Texte. Was als anspruchsvoll gilt, liegt ja auch im Auge des Betrachters.
Sie haben außerdem untersucht, welche Wörter die jeweiligen Rapper am häufigsten gebrauchen. Kann man die Musiker so in Gangster- und Kuschelrapper unterteilen?
Mit der Studie sollen die Rapper nicht gegeneinander ausgespielt werden, deswegen wird auch nicht zwischen Gangster- und Kuschelrapper unterschieden. Dennoch möchten wir darauf aufmerksam machen, dass Unterschiede in der Wortwahl durchaus da sind.
Wie wichtig ist der Inhalt der Texte?
Wir haben etwa untersucht, welche Markennamen am häufigsten benutzt werden, was eventuell gewisse Sehnsüchte widerspiegelt. Viele Rapper reden auch von Müttern und Vätern. In welchem Zusammenhang sie von ihren oder anderen Elternteilen sprechen, kann jedoch meist nur von Kennern eingeschätzt werden.
Was sagt die Studie über den Hörer aus?
Rap hat inzwischen eine breite Fanbase. Dabei gibt es nicht den einen Hip-Hop-Fan. Kay-One-Anhänger haben zwar eher nichts mit Morlockk Dilemma am Hut und umgekehrt – aber es kann auch sein, dass Fans von Casper den Humor oder die bildliche Sprache von Kollegah gut finden.