Der Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen hat Christoph Nußbaumeders „Eisenstein“ inszeniert. Das Stück, mit dem er sich von der WLB verabschiedet, will zu viel auf einmal.

Esslingen - Im idyllischen bayerischen Luftkurort Eisenstein hat der Autor Christoph Nußbaumeder seine Familientragödie gleichen Titels angesiedelt. Es geht darin nicht nur um die klassischen Themen Lüge, Schuld, Rache, Liebe und Hass, sondern gleich auch noch um die Geschichte der Bundesrepublik. Diesen übermächtigen Stoff hat Manuel Soubeyrand jetzt in seiner letzten Produktion als Intendant der Esslinger Landesbühne inszeniert.

 

Der Abend beginnt vielversprechend. Auf dem Vorhang prangt ein gemaltes Bergidyll (Bühne: Michaela Springer), zwei Personen treffen sich auf einer Beerdigung, sie sind Halbgeschwister, doch es bleibt bis zum Ende des Stücks offen, wer sie sind. Dann ein Sprung ins Nachkriegsdeutschland, effektvoll umgesetzt: der Vorhang wird durchscheinend und Radiozitate aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges werden eingespielt. Zwei ausgehungerte Flüchtlinge treffen aufeinander: Erna Schatzschneider (Anita Iselin), die aus Böhmen kommt, und Andreas Küster (Nils Hillebrand), der als Kommunist im KZ gefangen war. Sie werden diese Nacht miteinander verbringen, aus der Georg entstehen wird.

Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf – für Erna und Georg, aber auch für die Inszenierung. Erna schiebt ihren Sohn dem Gutsbesitzer Josef unter, der zwar schon eine Ehefrau hat, aber den angeblichen Sohn bei sich aufwachsen lassen will und darum Erna mit seinem Bruder verheiratet. Josef hat zwei Töchter. Die älteste, Gerlinde, verliebt sich später in Georg, Josef warnt seine Tochter vor der vermeintlichen Blutschande, die flüchtet sich in eine andere Ehe, Georg versteht das alles nicht und heiratet aus Trotz Heidi, Gerlindes Schwester. Dann kommt heraus, dass Georg gar nicht Josefs Sohn ist, er könnte sich jetzt mit Gerlinde verbinden – wäre da nicht Gerlindes Schuld am Tod von Heidis und Georgs Sohn Felix . . .

Im Handlungsdickicht verirrt

Zu schnell, zu viel? Nein und Ja. Zu schnell ist die Inszenierung keinesfalls. Zwar besteht sie aus vielen kurzen Szenen, die Dynamik erzeugen könnten, die aber durch ständige Umbauten verloren geht. Zu viel dagegen auf jeden Fall. Der Theaterabend beginnt zwar dicht und intensiv, verliert sich dann aber schnell im Handlungsdickicht der Vorlage. Eine Familiengeschichte mit dem Ausmaß einer griechischen Tragödie kombiniert mit 63 Jahren bundesrepublikanischer Zeitgeschichte – das ist einfach zu viel des Guten, zumal die Geschichte nicht abstrakt, sondern realistisch umgesetzt wird.

So bleibt den Schauspielern wenig Raum und Zeit, ihre Figuren zu entwickeln. Ihre Schicksale berühren nicht. Jedes Mitgefühl wird erdrückt von einem Schlager oder einer textlichen Anspielung auf politische Ereignisse, es kommt zu einer Reizüberflutung durch Informationen und Atmosphären, die keine Höhepunkte mehr zulässt. In der Folge verflacht die Inszenierung, dafür bleibt das spröde Konstrukt des Stücks, bei dem alle dramaturgischen Regeln beflissen eingehalten werden, ständig spürbar.