„Der Landarzt“ ist die erste Fernsehserie in Europa, die klimaneutral hergestellt wird. Vorreiter des neuen Trend sind Hollywood-Produktionen wie „Syriana“.

Stuttgart - Was hat der an der Ostsee herumdokternde „Landarzt“ mit einer Gasaufbereitungsanlage in Südsumatra zu tun? Sehr viel. Denn die Treibhausgase, die gerade wieder bei den Dreharbeiten zur 22. Staffel des ZDF-Dauerbrenners verpulvert werden, kompensiert die Produktionsfirma Novafilm durch Investitionen in Klimaschutzprojekte wie eben dieses im indonesischen Kaji-Semoga-Ölfeld. Damit ist „Der Landarzt“ die nach ZDF-Angaben europaweit erste Fernsehserie, die klimaneutral hergestellt wird.

 

Weitere Film- und Fernsehproduktionen werden wohl folgen. Denn „grün“ zu drehen ist in Deutschland im Kommen. Das Bewusstsein wächst, dass es auch beim Filmemachen ratsam ist, der Umwelt zuliebe Ressourcen zu schonen und schädliche Emissionen zu vermeiden. Die Film Commission der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein belohnt umweltbewusstes Handeln am Set neuerdings sogar mit dem „Grünen Drehpass“. Dieses Gütesiegel wurde im April erstmals vergeben: an den „Landarzt“. Auf ihrer Homepage weist die Organisation allerdings darauf hin, dass mit dem Drehpass „eine inhaltliche Überprüfung der Produktion nicht verbunden ist“.

Kaffee in wiederverwendbaren Thermobechern

Qualifiziert hat sich die „Landarzt“-Crew unter anderem dadurch, dass sie ihren Kaffee nicht mehr aus Einwegpappe schlürft, sondern aus wiederverwendbaren Thermobechern. Gegessen wird nur regional produzierte Biokost. LED-Lampen und mit Ökostrom betriebene Aggregate bringen bessere Energieeffizienz. Die Darsteller tragen ihre Kostüme mehrmals. Requisiten werden recycelt. Und Hauptdarsteller Wayne Carpendale überlegt sogar, seinen Text künftig vom iPad zu lernen statt von Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Trotz all dieser Sparmaßnahmen lässt sich der CO2-Ausstoß auch beim „Landarzt“ nicht auf null herunterfahren. Die Produktion der 21. Staffel verursachte im Vorjahr 175 Tonnen Treibhausgas. Als wesentlicher Emissionstreiber erwies sich, mit rund 77 Tonnen CO2, die Anfahrt externer Dienstleister und die Mobilität am Set. Die Heizung im „Landarzt“-Haus verbrauchte dagegen nur knapp 13 Tonnen.

Hollywood ist Vorreiter beim Green Filmmaking

So detailliert hat das die Münchner Firma ClimatePartner im Auftrag des Odeon-Film-Konzerns aufgedröselt, zu dem die „Landarzt“-Produzenten der Novafilm gehören. Damit die Ökobilanz der Doktorspiele im deutschen Norden ausgeglichen wird, kaufte die Odeon ein indonesisches Klimaschutzzertifikat. Die Deutschen helfen also mit, dass in 10 000 Kilometer Entfernung bei der Erdölförderung austretendes Gas nicht abgefackelt, sondern in Energie umgewandelt wird. Über die Höhe der Investition schweigt die Filmfirma. Nach Angaben von ClimatePartner kostet eine klimaneutralisierte Tonne Treibhausgas zwischen 9 und 19 Euro.

Vorreiter beim Green Filmmaking ist Hollywood. George Clooney legte 2005 mit „Syriana“ einen der ersten klimaneutral gefertigten Filme vor. Auch der Serienhit „24“ mit Kiefer Sutherland hielt sich an „grüne“ Checklisten, die Organisationen wie Filmmakers for Conservation, Center for Environmental Filmmaking und Center for Social Media erstellt haben.

Klimaschutz als Firmenphilosophie

Die „Landarzt“-Produzenten haben diese Checklisten für sich abgewandelt und umgesetzt. Das gesamte Unternehmen Odeon Film mit seinen Standorten in München, Berlin, Hamburg, Köln und Wiesbaden setzt auf Grün, hat Nachhaltigkeit und Klimaschutz in seine Firmenphilosophie integriert. Seit 2009 wurden Flüge um zwei Drittel reduziert.

Trampen muss der „Landarzt“ allerdings nicht. Er fährt weiterhin einen schicken Landrover – unter Umweltgesichtspunkten eine Dreckschleuder. „Grüne“ Programmatik, gar noch in Gestalt einer Figur, sei nicht Sache dieser Serie, lässt Produzent Ronald Gräbe wissen. „Wir sind ja nicht die ,Lindenstraße‘.“ Welches Fahrzeug der „Landarzt“ fahre, hänge überdies davon ab, mit welchem Partner das ZDF eine Kooperation schließt. 2013 werde man voraussichtlich einen neuen Wagen brauchen, so Gräbe weiter. Vielleicht wird dann der „Landarzt“ nicht nur hinter der Kamera, sondern auch davor richtig grün – mit Hybrid unter der Motorhaube und Solarzelle auf dem Dach.