Lisa Maria Potthoff überzeugt im prominent besetzten Film „Das verschwundene Mädchen“ erneut als schlagkräftige Heldin. In Ulrich Matthes findet sie ihren Gegenspieler.

Stuttgart - Es hat ganz schön lange gedauert, bis sich das deutsche Fernsehen zu einer derartigen Figur durchgerungen hat: Sarah Kohr prügelt und schießt sich durch diesen Film wie ein Kerl; wobei ihr die meisten Männer nicht gewachsen sind. Auch der Typus des einsamen Wolfs hat im heutigen Reihenkrimi Seltenheitswert; die Ermittler sind in der Regel mindestens zu zweit, besser noch jedoch als Ensemble unterwegs, weil sich auf diese Weise auch zwischenmenschliche Ebenen erzählen lassen.

 

Die Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff bezeichnet Kohr als „Freigeist, der auf Konventionen pfeift“, und das gilt in gewissem Rahmen auch für das Drehbuch von Timo Berndt. Natürlich gibt es auch andere weibliche Reihenfiguren, die lieber allein agieren, aber die KDD-Kommissarin vertraut niemandem außer sich selbst; es ist nicht zuletzt Potthoffs sparsame Mimik, die Kohr so cool erscheinen lässt. Körperlich darf sie sich zwar umso mehr austoben, aber ähnlich wie der Regisseur Marcus O. Rosenmüller im ersten Film („Mord im Alten Land“) vermeidet es Christian Theede, Kohr zur Superheldin zu stilisieren; am Ende des Abenteuers ist sie ganz schön gezeichnet, und das nicht nur physisch.

Devid Striesow wertet den Film auf

Auch die Handlung hat es in sich, denn Berndt hat sich wie schon zuletzt eine große Geschichte ausgedacht. Seinen Reiz bezieht der Film nicht zuletzt aus den ständigen Überraschungen. „Das verschwundene Mädchen“ beginnt mit einem Bluff: Kohr begeht einen kaltblütigen Mord. Die Hinrichtung ist jedoch nur inszeniert: Der skrupellose Waffenhändler Lasarew (Ulrich Matthes) hat aus dem Gefängnis heraus dafür gesorgt, dass die Tochter eines Polizisten entführt wird. Kohrs vermeintliches Opfer ist ein Kronzeuge, der gegen den Gangster aussagen soll; sein vorgetäuschter Tod ist der Preis für die Freilassung der jungen Frau. Als der Schwindel auffliegt, liegen die Nerven bei allen Beteiligten blank, und die Kommissarin wird prompt als Sündenbock gebrandmarkt; sie hat keine andere Wahl, als das Problem auf eigene Faust anzugehen.

Der Film imponiert schon allein durch die namhafte Besetzung. Der große Ulrich Matthes ist sich nicht zu schade für eine klassische Schurkenrolle, verleiht dem Verbrecher viel Charisma und macht Lasarew auf diese Weise zu einem mehr als würdigen Antagonisten für Sarah Kohr. Potthoff wiederum hat genug Format, um sich mit Matthes auf Augenhöhe zu messen und dem Gangster glaubwürdig die Stirn zu bieten. Herbert Knaup ist ebenfalls wieder mit von der Partie: Staatsanwalt Mehringer versucht zwar, seine schützende Hand über seine frühere Geliebte zu halten, hat jedoch mit dem Innensenator einen mächtigen Gegenspieler. Auch diese vergleichsweise kleine Rolle wird durch die Besetzung mit Devid Striesow enorm aufgewertet. Die wichtigste Figur neben Kohr verkörpert jedoch Golo Euler, dessen Einführung Berndt besonders gelungen ist. Euler spielt einen harmlosen Barmann, den eine besondere Beziehung mit Lasarew verbindet. Das Paar verbringt zwar eine Nacht miteinander, aber Dan ist zunächst nicht mehr als eine Figur in dem raffinierten Spiel, das Kohr und Lasarew miteinander treiben.

Ein alter Drehbuchhase

Sehenswert ist „Das verschwundene Mädchen“ jedoch nicht nur wegen des cleveren Drehbuchs. Vorzüglich ist auch die Inszenierung. Christian Theede hat einige sehenswerte Arbeiten vorzuweisen, darunter nicht nur Krimis wie die kürzlich ausgestrahlte letzte Episode aus der ZDF-Krimireihe „Nord Nord Mord“ oder „Mord Ex Machina“, ein „Tatort“ aus Saarbrücken; der ARD-Zweiteiler „Till Eulenspiegel“ zum Beispiel war wunderbare Unterhaltung. Dass Theede auch anders kann, hat er vor gut zehn Jahren mit dem Horrorfilm „Gonger“ und dem Thriller „Kill your Darling“ bewiesen. Der insgesamt dritte Sarah-Kohr-Film – ihr Debüt hatte die Polizistin 2014 in „Der letzte Zeuge“, damals noch als Berliner Polizistin – ist dagegen ein Thriller mit viel Action, wobei die temporeiche, packende Musik von Boris Bojadzhiev großen Anteil an der Spannung hat.