Die Nachfragen zur Volkszählung sind reine Nervensache. Demnächst steht den Mitarbeitern des Statistischen Landesamts eine neue Anrufflut ins Haus.

Stuttgart - Um es vorwegzuschicken: die Liebe der Volkszähler zu ihren Mitbürgern ist ungebrochen. Das kann Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamts, nicht oft genug betonen. Auf eine harte Probe ist die Zuneigung aber manchmal schon gestellt worden im bisherigen Verlauf des Zensus 2011. "Die Leute haben uns alles geheißen, und zwar alles in einem Satz", berichtet der Leiter der Projektgruppe Zensus, Michael Bubi. Nazis hat man sie geschimpft und Kommunisten, Blockwarte und Stasispione. Brenner hat sogar zu Hause "wüsteste Drohanrufe bekommen".

 

In den Hochzeiten, etwa im Juni, als die ersten Erinnerungen an die Abgabe verschickt worden waren, gab es bis zu 50.000 Anrufe am Tag. 10.000 konnten die 60 Mitarbeiter der Hotline beantworten. "Das war die gewaltigste Hotline aller Zeiten in der Landesverwaltung", bemerkt Brenner. Der nächste Boom steht Ende September bevor. Dann werden die ausstehenden zehn Prozent, die noch nicht geantwortet haben, angemahnt. Bisher erklärten überraschend viele der säumigen Befragten, den Fragebogen habe der Hund gefressen, oder der Enkel habe die Ketchup-Flasche über ihn ausgeleert. Andere bezichtigten die Statistiker, sie wollten doch bloß leere Wohnungen auskundschaften, um sie zwangsweise zu belegen.

Die meisten Sorgen konnte man den Leuten nehmen

Das befürchteten besonders ältere Eigentümer, die die Wohnungsknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg miterlebt hätten, erzählt Carmina Brenner. Die meisten Sorgen konnten die Mitarbeiter der Hotline den Leuten nehmen. "Wir wissen doch gar nicht, wo die Wohnung ist", versichert die Statistikchefin. Sobald die Fragebogen im Amt angekommen seien, werden Name und Adresse gelöscht. Die sind für die Statistiker ohnehin nur Hilfsmerkmale.

Bis die Bogen ankamen, hatten sie aber einige Hürden zu nehmen. Mit am meisten hat die Bürger geärgert, dass sie 1,45 Euro Porto bezahlen mussten. Hätte das Land das Rückporto übernommen, hätte das 5,5 Millionen Euro Steuergeld gekostet, gibt Brenner zu bedenken. Um die Briefmarke zu sparen, wurden viele Baden-Württemberger erstaunlich findig. Ganze Straßenzüge haben ihre Bögen in einen einzigen Umschlag gestopft, berichtet Brenner.

Einige schickten die Post unfrankiert zurück

Was die Volkszähler vor enorme Probleme stellte. Nur der oberste Bogen wird automatisch erfasst, wenn die Post im Amt eingeht. Die anderen müssen einzeln registriert werden. Andere Bürger schickten die Post unfrankiert zurück, die Kreativen malten mit viel Mühe eigene Briefmarken. Das kostete das Statistische Landesamt "einige Hundertausend Euro", die die Behörde der Post erstatten musste.

Hunderte von Ehefrauen haben empört bei den Volkszählern angerufen, weil die Fragebogen zur Gebäude und Wohnungszählung nur an ihre Männer adressiert waren. Ein Skandal sei das, sie seien die Miteigentümerinnen und wollten als solche gleichberechtigt gewürdigt werden.

Keine Spur von Widerstand in den Studentenwohnheimen

Die Volkszählung von 2011 ist aber ganz anders als die von 1987, betont Brenner. In den Studentenwohnheimen, in denen persönliche Interviews gemacht wurden, war von Widerstand keine Spur. "Die Studenten haben in der Wohnheimküche gemeinsam auf den Interviewer gewartet".

Auch Mängel in den Registern haben die Statistiker aufgedeckt. "Überraschend oft haben wir ein Trafohäuschen angeschrieben", erzählt Brenner. Die haben nämlich nicht etwa eine Flurstücksnummer, sondern eine regelrechte Adresse, als wären sie bewohnt. Manchmal verschaffte erst eine Ortsbegehung Klarheit.

Um seine Daten braucht sich niemand Sorgen zu machen. Die lagern in einer eigens eingerichteten "Sicherheitsinsel" im Landesamt. Zutritt durch die gewaltige Panzertür haben nur wenige. Vor den verstärkten Fenstern wurden Leitplanken installiert, damit niemand hineinfährt. Nachts wird ein Stahlschott heruntergelassen, "es stammt von 1987 und ist garantiert molotowcocktailsicher", sagt Brenner. Sie erlebte aber auch angenehme Überraschungen: Ein Hohenloher lädt sie in seinen Garten ein - zum Gänseblümchenzählen.

Trotz aller Kritik - die Befragung läuft besser als erwartet

Bilanz: Bei der europaweiten Volkszählung sind in Baden-Württemberg bereits gut drei Millionen Fragebogen beantwortet worden. Das sind rund 90 Prozent. 46 Prozent der Befragten füllten die Bogen online aus.

Fortsetzung: Die restlichen zehn Prozent der Befragten erhalten nach den Sommerferien Ende September eine Mahnung. Wer weitere Fristen verstreichen lässt, muss mit Zwangsgeld von 300 beziehungsweise 500 Euro rechnen.

Ergebnisse: Die neue amtliche Bevölkerungszahl soll Ende 2012 verkündet werden. Bundesweit wird mit 1,5 Millionen Einwohnern weniger gerechnet. Übertragen auf Baden-Württemberg wäre das ein Minus von 200.000.