Die Eltern von schwer geistig behinderten Kindern sind in großer Sorge über die Entwicklung an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) der Landeshauptstadt. Mit einem Brandbrief hat sich der Elternbeirat der Gustav-Werner-Schule, einem SBBZ in Zuffenhausen, deshalb an den Oberbürgermeister und an den Gemeinderat gewandt.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einer schweren geistigen Behinderung nehme „exponentiell zu“, schreiben die Mitglieder des Elternbeirats. „Während in früheren Jahren etwa zehn Erstklässlerinnen und Erstklässler pro Jahr an der Gustav-Werner-Schule eingeschult wurden, waren es in diesem Jahr zwanzig; für das nächste Schuljahr werden vierzig Erstklässlerinnen und Erstklässler erwartet“, heißt es in dem Brief. Der Platz an den drei Stuttgarter SBBZ (insgesamt gibt es 15), die den Schwerpunkt Geistige Entwicklung haben, sei inzwischen „restlos erschöpft“.
Diese Entwicklung beunruhigt die Elternvertreter, „weil schon jetzt jeder verfügbare Raum für den Unterricht genutzt wird und alle Klassen zu 33 Prozent überbelegt sind“. Deshalb habe die Stadtverwaltung ein weiteres Schulgebäude, die vor wenigen Jahren bereits stillgelegte Lehenschule in Stuttgart-Süd, wieder ertüchtigt. Doch auch diese Kapazität sei „bereits völlig ausgereizt“.
Es sei absehbar, dass im nächsten Schuljahr vielen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kein geeigneter Schulplatz angeboten werden könne. Trotz dieser Lage habe man erfahren, dass im Entwurf für den kommenden Haushalt vorgesehene Gelder für Erweiterungsbauten und Reparaturen an den SBBZ Gents von der grünen auf die rote Liste verschoben worden seien. Damit werde „die Finanzierung dieser Baumaßnahmen fraglich“.
Angesichts der Perspektive eines sich verstärkenden Schulplatzmangels betonen die Elternvertreter: „Auch für unsere Kinder gilt eine uneingeschränkte Schulpflicht.“ Diese sehen die Eltern aber nur noch bedingt gewährleistet, wenn durch „eine Limitierung der Sonderschulplätze die Inklusion vorangetrieben werden soll“. Auch von der vom Amt als nötig eingeschätzten Lehrerversorgung sei man „sehr weit entfernt“, beklagen die Elternvertreter.
Gegen Inklusion wollen sich die Eltern keinesfalls aussprechen. Nur: „Für eine Inklusion sind die Rahmenbedingungen derzeit denkbar schlecht.“ Wenn ein substanzieller Teil der Schülerschaft mit sonderpädagogischem Förderbedarf und teils auch herausforderndem Verhalten erzwungenermaßen in die Inklusion gehe, ohne dass geschultes Lehrpersonal für die Begleitung der Kinder zur Verfügung stehe, sehen die Eltern „ein erhebliches Konfliktpotenzial mit den Schulen und Mitschülern“.
Die Eltern können sich auch nicht vorstellen, dass unter diesen Bedingungen „das Recht unserer Kinder auf Bildung umgesetzt werden kann“. Sie fordern daher, dass etwa nötige Erweiterungsbauten der SBBZ im Bereich geistige Entwicklung und auch deren personelle Ausstattung finanziert wird.
Nora Celebi, die dem Elternbeirat der Gustav-Werner-Schule angehört und selbst einen Sohn mit schwerem frühkindlichem Autismus hat, spricht von einer „verzweifelten Situation“ an den betroffenen SBBZ. „Immer mehr Schüler, keine Räume, keine Lehrer“, beschreibt sie knapp die Sachlage. „Fakt“ sei, dass es im nächsten Schuljahr nicht genug Schulplätze für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf geben werde. Durch die Wiederbelebung der Lehenschule habe man „mit Müh und Not“ die Versorgung sichern könne. Aber damit seien einstweilen „alle Notmaßnahmen ergriffen“, gibt Nora Celebi zu bedenken.