Er galt als wortgewaltig und unerschrocken: Konrad Eißler hat in der Stuttgarter Stiftskirche 21 Jahre lang in großer Zahl Menschen angezogen.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Wenn es jemandem gelingt, am Sonntagvormittag regelmäßig bis zu 1500 Gottesdienstbesucher in der Kirche zu versammeln und mehrmals im Jahr 2000 Jugendliche für einen Jugendgottesdienst zu interessieren, kann man von einem Menschenfischer sprechen. Ein solcher Menschenfischer war der jetzt 91-jährig verstorbene Konrad Eißler, langjähriger Pfarrer an der Stuttgarter Stiftskirche und früherer Leiter des Evangelischen Gemeindeblatts.

 

Die Zeiten waren andere und die Menschen der Kirche stärker gewogen als heute, das allein erklärt jedoch nicht den großen Zuspruch, den Eißler fand. Vielmehr hatte das etwas mit seiner Person und seiner häufig auch humorvollen Art zu sprechen und zu predigen zu tun. Seine rhetorischen Qualitäten ließen ihn zum Vorbild vieler Pfarrer werden. Theo, einer seiner Söhne, nannte es so: „Papa ist Feuer und Flamme für seinen Glauben und kann Menschen mit Worten anzünden.“ Matthias Vosseler, der amtierende Stiftskirchenpfarrer nannte Eißler in seiner Würdigung jetzt „einen Meister des Wortes“.

Volontariat bei der „Stuttgarter Zeitung“

Eißler näherte sich Stuttgart langsam an. Nach dem Theologiestudium in Tübingen, Hamburg und den USA, war er zunächst Pfarrer in Königsbronn bei Heidenheim. Dann wechselte er zur „Stuttgarter Zeitung“ , wo er ein Kurzzeit-Volontariat absolvierte, um anschließend Schriftleiter beim Evangelischen Gemeindeblatt zu werden. 1974 trat Eißler als Nachfolger des späteren Landesbischofs Theo Sorg die prestigeträchtige Pfarrstelle an der Stuttgarter Stiftskirche an, der Hauptkirche der württembergischen Protestanten. Bis zu seinem Ruhestand 1995 war sie seine Wirkungsstätte. Eißlers Wirkungskreis reichte jedoch weit darüber hinaus: er war Vorstand des CVJM-Landesverbandes und stand der württembergischen Bibelgesellschaft vor. Als Vorsitzender der Evangelischen Allianz organisierte er Evangelisationsformate.

„Kirchengemeinden sind keine Inseln der Seligen“

Eißler, der aus einer pietistisch geprägten Familie aus Oberndorf am Neckar stammte, galt als konservativ und redete Klartext. Für Matthias Vosseler „verkörperte er wie kaum ein anderer den landeskirchlichen Pietismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“. Er selbst sagte: „Kirchengemeinden sind keine Inseln der Seligen, sondern Halligen, die von den Zeitströmungen überschwemmt werden können.“ Das zeigte sich besonders deutlich rund um den sogenannten Deutschen Herbst 1977, als die Stiftskirche Schauplatz von Solidaritätsbekundungen von RAF-Sympathisanten wurde, deren Eißler sich unter anderem dadurch erwehrte, dass er die Gemeinde besonders laut singen ließ.

„Auf der selben Meereshöhe wie Jerusalem“

Gleichzeitig setzte er sich Kritik aus, weil er eine Trauerfeier für die bei dem Überfall auf Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer getöteten Sicherheitsbeamten verweigerte; Eißler argumentierte, man habe beschlossen, die Kirche nicht für weltliche Feiern zur Verfügung zu stellen. Daran hielt er fest. Später glätteten sich die Wogen .

Im Ruhestand zog der siebenfache Familienvater aus Stuttgart weg nach Hülben auf die Schwäbische Alb, wo seine Familie ursprünglich herstammt, und das nach den Erinnerungen Vosselers den unschlagbaren Vorteil hat, dass es auf der „selben Meereshöhe liegt wie Jerusalem.“