Er gehörte zu den großen Ikonen des Pop: Prince. Mit Hits wie „Purple Rain“, „Kiss“ oder „1999“ erlangte er Weltruhm. Nun ist er im Alter von 57 Jahren gestorben.

Stuttgart - Was für ein Schock. Und was für eine Tragik. Keine vier Monate ist es her, dass wir den letzten Großen dieser Zunft zu Grabe tragen mussten, David Bowie. Und nun das. Der amerikanische Musiker Prince, im Alter von lediglich 57 Jahren. Gestorben, laut Angaben der Polizei, jämmerlich profan: an einer Grippe. Die seinen Privatjet bereits in der vergangenen Woche zu einem Zwischenstopp genötigt und ihn ins Krankenhaus befördert hatte. An einer Grippe! Unspektakulärer geht es doch gar nicht. Und besonders doch nicht für einen, der trotz seiner bescheidenen Körpergröße von 158 Zentimetern zu den brillantesten und definitiv größten Popmusikern dieser Zeit gehörte.

 

Wo also soll man da anfangen? Bei Prince Roger Nelson, geboren am 7. Juni in Minneapolis, Sohn und eines von acht Kindern eines Hobbypianisten und einer Jazzsängerin, selbst aktiver Berufsmusiker seit seinem zwanzigsten Lebensjahr, gestorben an diesem Donnerstag in Chanhassen im selben US-Bundesstaat Minnesota, was provinziell klingen könnte, aber doch der Vita dieses Mannes so ganz und gar nicht gerecht würde.

Also wo weitermachen? Bei „Purple Rain“ natürlich, diesem 1984 erschienenen und schäbigerweise nur mit zwei Grammys ausgezeichneten Meilenstein der Popmusikgeschichte. Diesem Album, dem gleichnamigen Überhit von selbigem, sechs Monate lang (!) ununterbrochen auf Platz Eins der amerikanischen Billboard-Charts, einem Oscar obendrein für den dazugehörigen Musikfilm.

Oder doch noch einmal einen Schritt zurück? Zum 1982 erschienenen Album „1999“, zu dessen Titeltrack in den achtziger Jahren weltweit die Dancefloors bebten und die MTV-Generation abfeierte? Zur zweiten Singleauskopplung „Little red Corvette“, nur so zum Beispiel, die dann auch noch kam? Zu den Brocken, die Prince schon hingelegt hatte, bevor mit der Karriere alles eigentlich erst so richtig losgehen sollte?

Ausgeklügelte Choreografien

Den ausgeklügelten Choreografien, die sich der Musiker fortan für seine Shows sichern sollte, den exaltierten Outfits, der umgekehrt sich fast schon in einen Rausch steigernden Egozentrik, die er sich aneignete? Dieser begnadeten Rampensau, die Prince auch schon immer war, ohne jenen faden testosterongesteuerten Beigeschmack freilich, der so manch anderen Vertreter dieser Branche auszeichnet und ausgezeichnet hat?

Oder jener – damals noch mit Billigung seines Plattenunternehmens erfolgten – Gründung seines eigenen Labels, die mit dem nächsten Kracher „Kiss“ und dem Film „Under the Cherry Moon“ weiterging und im wahrlich fulminanten Werk „Sign O’ the Times“ gipfelte? Schwierig und schwer zu fassen zugleich ist das Werk dieses Ausnahmeartisten, 39 Alben,37 Singles, das nur am Rande, weltweit rund hundert Millionen verkauft, wahrscheinlich der Anzahl jener Käufer entsprechend, die jetzt – zu Recht - die Kissen vollweinen.

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs kam der Zank, der Zwist mit den Branchengrößen und ihren Musikdistributionsmechanismen. Die Namensänderung, zunächst in ein unaussprechliches „Symbol“, dann in The Artist formerly known as Prince. Ironisch gebrochen oder schlichtweg nur wütend? Auch das bleibt bei diesem durch und durch rätselhaften Künstler offen. Ein weiteres Album ließ er einer britischen Sonntagsboulevardzeitung beilegen und verschenkte es vor den Augen seines wutschnaubenden Plattenlabels somit quasi, die weiteren Werke vertrieb er mehr oder weniger aus der eigenen Garage. Der mähliche Gang in die Versenkung schien sich anzubahnen, ehe es zurück in den Schoß der Verwertungsindustrie ging mit dem vorzüglichen Album „Musicology“ und dem recht verschlüsselten, musikalisch aber hochinteressanten Werk „3121“ nebst dem dazugehörigen ihm dann doch wieder sehr willkommenen Medienrummel. Aber warm geworden ist er mit den Herrschaften von den Plattenfirmen nicht mehr. Seine letzten Alben erschienen mehr oder weniger klandestin und ohne jegliche Vorwarnung, zuletzt nur noch über eine eigens angefertigte Homepage, rätselhafte Werke, aber doch voll von künstlerischer Kraft.

„Hitnrun Phase two“ erscheint am Freitag

An diesem Freitag wird sein neues Album erscheinen, „Hitnrun Phase two“; nun tragischerweise posthum. Eine zur Abwechslung mal wieder ganz normal im Plattenladen erhältlichen CD, obwohl sie eigentlich bereits im Dezember erschienen ist, aber eben nur als Download. Denn den Mechanismen der Branche wollte sich Prince nun einmal rigoros bis zuletzt widersetzen.

Was bleibt von all dem? Fragen über Fragen angesichts dieser tragischen Laune des Schicksals wie auch des bitteren Verlusts, denn dieser Prince, der war eine echte Nummer.

Das Andenken vieler Mittvierziger und -fünfziger an ihre Jugendzeit, das wahrscheinlich erinnert viele vor alledem. An die Jugenddisco, die ersten Knutschereien, zaghafte Rendezvous, den kleinen großen Mann dabei im Ohr, der einem jene Lässigkeit vorführte, die man selbst gerne gehabt hätte. Die Erinnerung an diesen so coolen Hund, der etwa vor ein paar Jahren bei einem Gastspiel in Frankfurt (bei dem wir ihn letztmals live erleben durften) Candy Dulfer und Maceo Parker, eine Weltklassesaxofonistin und einen Weltklassesaxofonisten, souverän als Begleitbläsersatz auflaufen ließ, um fortan mit einem völlig enthusiasmierten Publikum eine dreistündige Riesenparty zu feiern. Aber auch, jenseits all dessen, an einen sagenhaft vorzüglichen Musiker, der abseits all jener Publikumshits die Popmusikwelt mit unglaublich schöpferischem Eifer, mit ausgeklügelter Finesse und prägender Gestaltungskraft bereichert hat.

Sowie das Andenken an einen der wenigen völlig einzigartigen Künstler, den die heutige Popwelt zu bieten hatte. Einen in jeder Hinsicht stilprägenden Multiinstrumentalisten und wahnsinnig souveränen Crooner. An unsterbliche Songs wie „When Doves Cry“, „Let’s go crazy“, Raspberry Berret“, „Kiss“, „The most beautiful Girl in the World“, um nur einige zu nennen. Einem Dekaden prägenden Musiker, der eine elektrisierende Stimmung zu erzeugen vermochte, von der man nur träumen kann. Die Erinnerung an einen ikonografischen Künstler im allerbesten Sinne, der der Strahlkraft seines Schaffens jeden Dollar untergeordnet hat, dem künstlerische Unabhängigkeit weitaus wichtiger war als jeder Managementkerl, der ihm in sein Schaffen herein reden wollte.

Was könnte man all diesen Fragen entgegensetzten? Was, als letzte Reverenz, diesem feinen Kerl hinterherrufen, der die Musikwelt unglaublich bereichert hat, mit seinem sehr extrovertierten Habitus wie mit seinem unvergleichlichen künstlerischen Output? „Sometimes it snows in April“, auch diese Zeile kommt einem spontan wieder in den Sinn: so hat er die Fährnisse des Lebens besungen. Manchmal schneit’s im April, manchmal hockst du draußen und ahnst nichts Böses. Manchmal passieren die verrücktesten Dinge im Leben, manchmal auch die schauderhaftesten. Man steckt nicht drin und sitzt, als überrumpelter Beobachter, auch im Todesfall Prince, einfach nur konsterniert da. Die Musikwelt muss, wieder einmal, viel zu früh um einen ihrer ganz Großen trauern. Was für eine wegreißende Nachricht. Was für ein unersetzlicher Verlust. Und was für ein Jammer.