Das Forum der Kulturen, Dachverband von Migrantenvereinen in Stuttgart, registriert seit dem Mord an George Floyd in den USA mehr Anfragen und will sich selbst deutlicher positionieren.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Als das Forum der Kulturen, der Dachverband von rund 130 Migrantenvereine in Stuttgart, Ende April coronabedingt und damit notgedrungen das für Mitte Juli geplante diesjährige Sommerfestival der Kulturen absagen musste, äußerte sich Sami Aras, Erster Vorstandsvorsitzender des Forums der Kulturen, „traurig“ über diesen gleichwohl notwendigen Schritt. Jetzt, da nach dem von Polizisten verübten Mord an dem Afroamerikaner George Floyd in Minnesota das Rassismus-Thema größte Aufmerksamkeit findet, fällt dem Forum der Verzicht auf das Festival noch viel schwerer.

 

„Das Festival, wäre eine großartige Möglichkeit gewesen, in Stuttgart ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen“, sagt Rolf Graser, Geschäftsführer des Forums der Kulturen. Diese Möglichkeit fällt jetzt weg, doch das Forum ist fest entschlossen, sich auf anderem Wege in die Debatte einzubringen. „Wir werden politischer und uns zu solchen Fragen klar positionieren“, kündigt Graser an. Dies sei angesichts des Rassismusthemas wichtiger denn je. Die Gesellschaft müsse sich damit gründlich auseinandersetzen. „Es darf kein Strohfeuer sein.“

„Jetzt kocht das Thema hoch“

Als Dachverband für Migrantenvereine ist das Forum der Kulturen ein Seismograph für Strömungen aller Art, die sich in der Stadtgesellschaft bemerkbar machen – auch für rassistische Tendenzen. „Damit beschäftigen wir uns dauerhaft“, erklärt Graser, weil diese Tendenzen latent vorhanden seien. „Für unsere Vereine ist das immer ein Thema, auch wenn man es manchmal beiseite schiebt. Jetzt kocht es gerade hoch.“

Nach den Beobachtungen des Geschäftsführers des Forums der Kulturen sind in den vergangenen Tagen mehr Personen und Vereine in Stuttgart in Sachen Rassismus aktiv geworden. Es gebe Anfragen für Veranstaltungen und Aktionen; als Mittlerorganisation ist das Forum beratend und unterstützend tätig. „Das Thema bewegt die Menschen sehr – auch weil es durch den Mord an George Floyd deutlich geworden sei, wie lebensbedrohend Rassismus sein könne.

„Migranten sagen uns: Es ist schlimmer geworden“

Stuttgart, das den Ruf einer liberalen und weltoffenen Stadt genießt und sich manchmal darin auch sonnt, ist gegen Rassismus nicht automatisch immun, stellt Graser fest. Er beobachtet zwei Tendenzen: zum einen habe bei der Mehrheitsgesellschaft eine stärkere Sensibilisierung für das Thema Rassismus und Diskriminierung eingesetzt. Hier habe sich erfreulichweise viel getan. Graser erinnert an die von einem breiten Bündnis getragene Veranstaltungsreihe „Heimat – Internationale Wochen gegen Rassismus“, die im Frühjahr in Stuttgart geplant war und ebenfalls wegen der Pandemie abgesagt werden musste. Gleichzeitig würden Rassisten jedoch lauter auftreten. „Migranten sagen uns: Es ist schlimmer geworden“, berichtet der Geschäftsführer des Forums der Kulturen. Rassismus sei heute stärker spürbar als vor zehn Jahren. „Menschen mit rassistischen Einstellungen sagen heute: ,Man darf’s ja nicht sagen, ich sag’s aber trotzdem.‘ Früher haben sie dann auch darauf verzichtet, es zu sagen“, so Graser.

Umso wichtiger ist es aus Sicht des Forums der Kulturen, seinerseits deutlich zu machen, wenn sich die Dinge in die falsche Richtung entwickeln. Deshalb unterstützt es auch Demonstrationen, wie die von „Black lives matter“ am vergangenen Wochenende in Stuttgart, die an diesem Samstag eine Neuauflage erfahren soll. „Das ist fast schon eine Jugendbewegung“, stellt Graser erfreut fest. Auch wenn es dieses Jahr kein Sommerfestival der Kulturen gebe, setze Stuttgart damit ein Zeichen.