Zusatzbezeichnung auf dem Ortsschild Holzmaden will den Titel „Urweltgemeinde“ amtlich machen

Auf dem Ortsschild von Holzmaden soll künftig die Zusatzbezeichnung „Urweltgemeinde“ prangen. Foto: Ines R

Mit der Eigenwerbung will die kleine Gemeinde im Landkreis Esslingen auf ihre Bedeutung als Fossilienfundstätte aufmerksam machen. Das Innenministerium entscheidet über den Antrag. Wie stehen die Chancen?

Für viele Menschen ist Holzmaden am Fuß der Schwäbischen Alb bereits untrennbar mit dem Begriff „Urweltgemeinde“ verbunden. Inoffiziell gibt’s den Titel längst, künftig will ihn die rund 2300 Einwohner zählende Kommune im Landkreis Esslingen auch amtlich führen dürfen. Der Gemeinderat hat jüngst einstimmig beschlossen, die Verwaltung möge die Zusatzbezeichnung bei der Landesregierung beantragen. Die Entscheidung trifft das Innenministerium, einem Sprecher zufolge soll sie noch in diesem Jahr fallen. Dann könnte Holzmaden den Namenszusatz offiziell auf den Ortsschildern anbringen.

 

Bedeutende Fossilienfunde

„Ich gehe von einer positiven Antwort aus“, sagt der Bürgermeister Florian Schepp im Brustton tiefster Überzeugung. „Wir haben hier keinen künstlichen Namen kreiert, um uns von anderen Gemeinden abzuheben oder zusätzlich attraktiv zu machen. Wir würden mit dieser Zusatzbezeichnung nur das umsetzen, was seit Jahrzehnten gängiger Sprachgebrauch ist“, verweist er auf die geologisch bedeutsame Vergangenheit des Ortes: Holzmaden sei weltweit als Ausgrabungsstätte von einzigartigen Fossilien bekannt; Funde von hier seien in nahezu allen bedeutenden Naturkundemuseen der Welt und in einer Vielzahl bedeutender, öffentlicher Gebäude ausgestellt.

In der Begründung des Antrages wird auch voller Stolz darauf hingewiesen, dass die Fossilienfundstätte Holzmaden im Jahr 2006 von der Akademie für Geowissenschaften und Geotechnologien in Hannover zu einem der bedeutendsten nationalen Geotope Deutschlands erklärt und zudem als möglicher Kandidat zur Aufnahme in das Unesco-Weltnaturerbe gehandelt wurde.

Im schwarzen Jura von Holzmaden sind insbesondere Fischsaurier, aber auch Flugsaurier, Seelilien, Krokodile, Plesiosaurier, Ammoniten und Belemniten in beeindruckender Qualität und Größe seit über 180 Millionen Jahren konserviert. „Diese Funde sind für die Wissenschaft von einzigartiger Bedeutung“, erläutert Schepp. Sie würden vor Ort auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht: im größten privaten Naturkundemuseum Deutschlands, dem „Urweltmuseum Hauff“, das jährlich rund 40 000 Besucher zähle. Auch der „Klopfplatz“ im Schieferbruch, wo man mit Hammer und Meißel selbst nach Fossilien suchen kann, ziehe zahlreiche Interessenten an. „Wir sind stolz, solche einmaligen Schätze bei uns zu haben“, betont der Bürgermeister.

Geringe Kosten

Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Ichtyosaurus (Wassersaurier) das Gemeindelogo ziert und an Wohngebäuden vielfach Schieferwände mit Versteinerungen zu sehen sind. Wie Schepp betont, will der Ort nun die Gelegenheit nutzen, sein „Alleinstellungsmerkmal“ zu manifestieren. „Natürlich ist das auch ein Stück Wirtschafts- und Tourismusförderung.“ Preiswert ist die plakative Außendarstellung allemal: Die Kosten für den Austausch der zei Ortsschilder belaufen sich nach Schepps Angaben auf 760 Euro.

Holzmaden liegt mit seinem Vorstoß im Trend: Das Land erlaubt immer mehr Städten und Gemeinden einen Namenszusatz auf dem gelben Ortsschild. Im Dezember 2020 hatte der Landtag eine Änderung der Gemeindeordnung beschlossen, mit der die bis dato zurückhaltende Praxis gelockert wurde: In der Vergangenheit wurden im Wesentlichen lediglich die Bezeichnungen „Bad“ und „Universitätsstadt“ an Kommunen verliehen. Nun ist es für sie sehr viel leichter möglich, neben dem Ortsnamen eine weitere Bezeichnung zu führen. Der gewünschte Beiname müsse allerdings auf der geschichtlichen Vergangenheit, der charakteristischen Eigenart oder heutigen Bedeutung einer Gemeinde oder eines Ortsteils beruhen und identitätsstiftend sein, lautet die Vorgabe des baden-württembergischen Innenministeriums.

Neue Anträge aus zwölf Kommunen

Einem Sprecher zufolge wurden seit der Änderung der Gemeindeordnung inzwischen 43 Zusatzbezeichnungen genehmigt – unter den „amtlichen Titel-Trägern“ ist bislang noch keine Kommune aus dem Landkreis Esslingen. Die Beinamen nehmen häufig Bezug auf die Geschichte der Stadtgründungen, zum Beispiel auf die Zähringer, Waldenser, Römer und Staufer, oder auf berühmte Söhne der jeweiligen Stadt wie Hesse, Hölderlin, Schiller und Kepler. Zwei Städte reklamieren die Donauquelle für sich. Und gleich acht Kommunen im Land dürfen sich ganz offiziell „Hochschulstadt“ nennen.

„Es wurde noch kein Antrag abgelehnt“, berichtet der Ministeriumssprecher. Er räumt jedoch ein: „Zwei Vorschläge wurden nach entsprechender Beratung durch uns von den jeweiligen Gemeinden zurückgenommen.“ So scheiterte die Stadt Wertheim (Main-Tauber-Kreis) als „Stadt der Weltmarktführer“ und die Gemeinde Bartholomä (Ostalbkreis) mit der Bezeichnung „Dorf am Rande des Himmels“. Derzeit liegen dem Innenministerium Anträge auf Zusatzbezeichnungen aus zwölf baden-württembergischen Städten und Gemeinden vor. „Es ist vorgesehen, die nächsten Genehmigungen in der zweiten Jahreshälfte 2023 auszusprechen“, kündigt der Ministeriumssprecher an.

Namenszusätze erfreuen sich zunehmender Beliebtheit

Voraussetzung
Örtliche Besonderheiten, geschichtliche Bezüge und Alleinstellungsmerkmale können mit einer Zusatzbezeichnung hervorgehoben werden. Will eine Kommune einen von ihr gewählten Beinamen führen, muss dieser zunächst vom Gemeinderat mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen und dann beim Innenministerium beantragt werden.

Beispiele
Knittlingen ist „Fauststadt“, Triberg nennt sich „Wasserfallstadt“; es gibt die „Zwetschgenstadt Bühl“, die „Wallfahrtsstadt Walldürn“ und die „Weibertreustadt Weinsberg“.

Hochschulstadt
dürfen sich Albstadt, Biberach, Geislingen, Mosbach, Riedlingen, Sigmaringen, Weingarten und Künzelsau nennen.

Waldenserort
Mit diesem Zusatz nehmen Rutesheim (Stadtteil Perouse), Althengstett (Ortsteil Neuhengstett) und Nordheim (Ortsteil Nordhausen) Bezug auf ihre Geschichte.

Schäferlaufstadt
Der Schäferlauf ist ein Volksfest mit langer Tradition. Darauf weisen Markgröningen und Wildberg in ihrem Beinamen hin.

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