Die Befürworter des Zweckentfremdungsverbot fordern eine Verschärfung des Gesetzes und mehr Kontrolleure. CDU-Chef Kotz sagt, auch Monteure müssten in Stuttgart in Mietwohnungen leben dürfen.

Stuttgart - Die Befürworter einer Satzung zur Zweckentfremdung von Wohnraum im Stuttgarter Gemeinderat fordern nicht nur mehr Personal zur Durchsetzung für das Baurechtsamt, sondern auch ein restriktiveres Vorgehen gegen die verbotswidrige Umwandlung in Ferienwohnungen, aber nun auch in Unterkünfte für Monteure, Handlungsreisende oder ganze Bautrupps. Unserer Zeitung hatte über das umfangreiche Angebot auf Portalen wie monteurzimmer.de berichtet, auf denen Wohnungen und Häuser, teils für elf Personen pro Zimmer, angeboten werden.

 

In Berlin und Münchner sind die Beamten strenger

Grüne sowie SPD und SÖS/Linke-plus denken wie die Baurechtsbehörde selbst an die Aufhebung des Rückwirkungsverbot, so dass auch Umwandlungen vor Satzungsbeginn am 1. Januar 2016 betroffen wären. Die Stadt soll zweckentfremdete Wohnungen selbst anmieten können und die Onlineportale sollen die Namen und Adressen von Vermietern nennen müssen, damit überprüft werden kann, ob Wohnraum ohne Genehmigung zweckentfremdet wurde. Die Landesregierung sträubt sich dagegen mit dem Hinweis auf unzumutbaren Bürokratieaufwand. In Berlin und München wird das Gesetz deutlich strenger gehandhabt, dort scheut man auch nicht juristische Auseinandersetzungen und setzt verdächtigen Vermietern mächtig zu. In der bayerischen Hauptstadt verlangt München umfassende Auskünfte über Wohnungen von Onlineportalen wie Airbnb, die als Ganzes und mehr als acht Wochen lang im Internet angeboten werden. Kommen die Anbieter der Forderung nicht nach, droht ein Bußgeld von 300 000 Euro. Wer in Berlin eine Ferienwohnung vermieten will, muss sich vorher registrieren und braucht eine kostenpflichtige Genehmigung durch das Bezirksamt. Wer das unterlässt, riskiert eine Strafe von bis zu einer halben Million Euro.

Gefahr droht verbotswidrig handelnden Wohnungsumwandlern, ob sie nun Immobilien an Urlauber oder Monteure vermieten, unter Umständen auch seitens der Finanzbehörden. Über steuerliche oder gar steuerstrafrechtliche Konsequenzen dürften sich bisher die wenigsten Gedanken gemacht haben. Das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn hat jedenfalls im Frühjahr ein Auskunftsersuchen an Irland gestellt, wo Airbnb seinen Europasitz hat, um die Herausgabe der Kundendaten zu erreichen. Anschließen sollen sie von den deutschen Finanzbehörden daraufhin geprüft werden, ob diese in ihren Steuererklärungen tatsächlich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angegeben haben. Ertappten Vermietern drohten eine Steuernachzahlung für die letzten zehn Jahre zuzüglich sechs Prozent Verzugszins pro Jahr plus Strafbescheid und Ordnungsgeld bei illegaler Vermietung. Stadtverwaltungen haben mit Auskunftsersuchen bei Airbnb derzeit keinen Erfolg, da die deutschen Firmentöchter etwa vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich auf die Zuständigkeit der Europa-Mutter in Irland für die Datenspeicherung verweisen.

Haus & Grund hält die Kritik für überzogen

Während die deutschen Steuerbehörden intensiven Klärungsbedarf in Irland sehen, warnt der Haus- und Grundbesitzerverein davon, solche Portale „zu Helfershelfern der städtischen Zweckentfremdungsschnüffler zu machen“ und nimmt für sich in Anspruch, den Mahnern „Unsachlichkeit“ zu attestieren. Wohnungsknappheit rechtfertige nicht jedes Mittel. Die Zahl der vermieteten Wohnungen auf Ferienwohnungen- wie Arbeitnehmerunterkunft-Internetseiten sei zu vernachlässigen, es würde „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“. Der Vorsitzende Klaus Lang verweist auf die Auswertungen des Statistischen Amts, das im Juli 2017 817 Anbieter von 1080 Privatunterkünften registriert hatte; nur knapp die Hälfte des Angebots sei eine komplette Wohnung. Derzeit seien es nur noch 765 Anbieter mit 917 Unterkünften. Auch Handwerker- und Monteurwohnungen spielten in absoluten Zahlen „nur eine geringe Rolle“. In Stuttgart sollen pro Jahr rund 1800 neue Wohnungen entstehen.

Geschäftsführer Ulrich Wecker lenkt den Blick auf das Klientel des Mietervereins. Häufig würden Mietwohnungen ohne Genehmigung des Vermieters kurzzeitig zu sehr hohen Preisen angeboten. Das könnte eine fristlose Kündigung nach sich ziehen.

CDU-Chef vereinnahmt die SPD

Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hat sich „mit den Partnern unserer Wohnraumoffensive Stuttgart darauf verständigt“, keinen weiteren Maßnahmen zuzustimmen, die einem Eingriff in das Eigentum gleichkommen. SPD-Chef Martin Körner verwahrt sich allerdings gegen diese Vereinnahmung, seine Fraktion habe das Zweckentfremdungsverbot hartnäckig gefordert und den wankenden OB Fritz Kuhn (Grüne) erst in die Spur gebracht. Kotz sagt, Monteure, Handwerker, Handelsreisende und Bauarbeitertrupps aus Osteuropa seien „Stuttgarter auf Zeit“, keine „Stuttgarter zweiter Klasse“ die ausschließlich in Containern oder Baracken hausen sollten. „Um unseren Wirtschaftsstandort so am Laufen zu halten, wie er aktuell floriert, benötigt es diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und natürlich gerade auch dazu, die zahlreichen Bauprojekte in unserer Stadt umzusetzen. Die CDU habe Ende 2015 nicht zuletzt deshalb gegen die Satzung gestimmt, „weil wir die Unterbringung von Monteuren für notwendig halten und dies nicht durch eine Satzung verhindern wollen“.

Freie Wähler sind schon im Grundsatz dagegen

Die Freien Wähler lehnen das Zweckentfremdungsverbot grundsätzlich ab, und deshalb auch eine Ausweitung, sagt Stadtrat Konrad Zaiß. Irgendwo müssten Führungskräfte wie Monteure, Handelsreisende und Bauarbeitertrupps auch wohnen und übernachten können, schließlich würden die Arbeitskräfte gebraucht. Selbstverständlich sollte sich „die Vermietung von Zimmern und Wohnungen an diesen Personenkreis in einem ordnungsgemäßen und für Nachbarn verträglichen Rahmen abspielen“. Den Freien Wählern würden „keine belastbaren Zahlen“ vorliegen, die belegten, dass die Zahl der Monteurwohnungen spürbar ins Gewicht fielen.

Baurechtsamt fordert mehr Personal

Die Stadtverwaltung nimmt die Hinweise auf den ganzjährig auf Privatwohnungen angewiesene Markt für Arbeitnehmerkunterkünfte sehr ernst. Sie weist darauf hin, „dass die Nutzung als Arbeiterunterbringung ja nicht nur eine Zweckentfremdung sei, sondern oft auch eine baurechtlich genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Denn sowohl die Zweckentfremdung wie auch die baurechtliche Nutzungsänderung lägen dann vor, wenn es sich nicht mehr um Wohnen handelt, also um eine eigenständige Haushaltsführung, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist“. Wenn das Baurechtsamt von derartigen Nutzungen erfahre, seien bisher schon „im Rahmen unserer normalen Baukontrolle“ Überprüfungen vorgenommen worden. Häufig gebe es Probleme mit Rettungswegen. Die Behörde teilt auf die Frage, ob mehr als die bisher genehmigten zwei Stellen nötig wären, unmissverständlich mit: „Wir kommen hier in der Tat an die Grenzen unserer Personalkapazität, auch die Objekte ein Verwaltungsrechtsverfahren einzuleiten, bei denen keine Gefahrensituation vorliegt.“

Nachdem unsere Zeitung auf das Problem der Monteurwohnungen hingewiesen hat, wird nun auch das Statistische Amt reagieren. Es werde „die Möglichkeit einer Auswertung des Umfangs der Nutzung von Wohnraum für Handwerker, Monteure usw., vergleichbar der Auswertung des Airbnb-Portals, prüfen“. Diese Auswertungen wären aber rein statistischer Natur; die strengen Datenschutzanforderungen an die Statistik sind dabei zu beachten. Einzelfälle würden der übrigen Verwaltung nicht für Vollzugsaufgaben zur Verfügung stehen.