Deutsche Auswanderer sind im Jahr 2015 nicht leicht zu finden in der Metropole am Hudson River. Das war einmal anders: Im 19. Jahrhundert lebten in Little Germany an der Lower East Side rund eine Viertelmillion Deutschstämmige, was einem Viertel der damaligen Bevölkerung New Yorks entsprach. Sie verkauften deutsches Brot, beteten in deutschen Kirchen und verbrachten ihre Freizeit in deutschen Vereinen. Little Germany war ein Viertel, in dem über Blocks hinweg kein Wort Englisch gesprochen wurde.

 

Anders als beispielsweise die italienische Minderheit, die nach wie vor in Little Italy anzutreffen ist, haben sich die Deutschen längst untergemischt, den Melting Pot, wie die Amerikaner ihren Schmelztiegel verschiedener Kulturen nennen, bereichert und sind Amerikaner geworden. Viele Deutsche gaben dafür sogar ihren Namen her – oder verpassten ihm einen englischen Anstrich. Herr Müller wurde Mr. Miller, Frau Schmidt nannte sich Mrs. Smith. Das Einwanderungsmuseum auf Ellis Island zeichnet die Geschichte der Deutschen New Yorks eindrücklich nach.

Nun erlebt das Deutsche in Manhattan eine kleine Renaissance. Bei „Landbrot“ kann man morgens Pumpernickel und abends Maultaschen genießen, sich in Yorkville im „Heidelberg“ in zünftiger Oktoberfest-Atmosphäre Sauerbraten und Dinkelacker-Bier einverleiben oder bei einer Motto-Stadtführung die Spuren der Deutschen New Yorks entdecken.

Die Anziehungskraft des Big Apple

Gregor Hübner Foto: Ana-Marija Bilandzija

Gregor Hübner, 48, hat einen romantischen Blick auf seine neue Heimat. Er lebt in Harlem, einem Viertel Manhattans, das ursprünglicher, bunter, aber auch ärmer ist als der schicke Süden der Insel. Als Jazzmusiker und Violinist kann er sich keinen besseren Wohnort vorstellen: Die Gegend inspiriert ihn.

Anders als Markus Kirwald spürt Gregor Hübner schon früh die Anziehungskraft des Big Apple. Mit 17 macht er in New York einen Sprachkurs, kommt bei einer Gastfamilie unter. Nach einem Monat geht ihm das Geld aus, er lernt die bittersüße Seite seiner späteren Heimat kennen und erspielt sich sein Taschengeld als Straßenmusiker. Der Anfang seiner Karriere.

Heimat ist für Markus Kirwald nun, wenn die Bedienung im Coffeeshop schon bei der Begrüßung weiß, was er kriegt. In einer riesigen Stadt wie New York brauche man solche Anker. „Alle suchen, wissen aber nicht, was“, erzählt er. „Die Oberflächlichkeit ist brutal, macht den Alltag zwar angenehmer, aber am Ende des Tages sind viele Leute hier einfach leer.“

Die Geschichte der deutschen Auswanderer

Deutsche Auswanderer sind im Jahr 2015 nicht leicht zu finden in der Metropole am Hudson River. Das war einmal anders: Im 19. Jahrhundert lebten in Little Germany an der Lower East Side rund eine Viertelmillion Deutschstämmige, was einem Viertel der damaligen Bevölkerung New Yorks entsprach. Sie verkauften deutsches Brot, beteten in deutschen Kirchen und verbrachten ihre Freizeit in deutschen Vereinen. Little Germany war ein Viertel, in dem über Blocks hinweg kein Wort Englisch gesprochen wurde.

Anders als beispielsweise die italienische Minderheit, die nach wie vor in Little Italy anzutreffen ist, haben sich die Deutschen längst untergemischt, den Melting Pot, wie die Amerikaner ihren Schmelztiegel verschiedener Kulturen nennen, bereichert und sind Amerikaner geworden. Viele Deutsche gaben dafür sogar ihren Namen her – oder verpassten ihm einen englischen Anstrich. Herr Müller wurde Mr. Miller, Frau Schmidt nannte sich Mrs. Smith. Das Einwanderungsmuseum auf Ellis Island zeichnet die Geschichte der Deutschen New Yorks eindrücklich nach.

Nun erlebt das Deutsche in Manhattan eine kleine Renaissance. Bei „Landbrot“ kann man morgens Pumpernickel und abends Maultaschen genießen, sich in Yorkville im „Heidelberg“ in zünftiger Oktoberfest-Atmosphäre Sauerbraten und Dinkelacker-Bier einverleiben oder bei einer Motto-Stadtführung die Spuren der Deutschen New Yorks entdecken.

Die Anziehungskraft des Big Apple

Gregor Hübner Foto: Ana-Marija Bilandzija

Gregor Hübner, 48, hat einen romantischen Blick auf seine neue Heimat. Er lebt in Harlem, einem Viertel Manhattans, das ursprünglicher, bunter, aber auch ärmer ist als der schicke Süden der Insel. Als Jazzmusiker und Violinist kann er sich keinen besseren Wohnort vorstellen: Die Gegend inspiriert ihn.

Anders als Markus Kirwald spürt Gregor Hübner schon früh die Anziehungskraft des Big Apple. Mit 17 macht er in New York einen Sprachkurs, kommt bei einer Gastfamilie unter. Nach einem Monat geht ihm das Geld aus, er lernt die bittersüße Seite seiner späteren Heimat kennen und erspielt sich sein Taschengeld als Straßenmusiker. Der Anfang seiner Karriere.

Aufgewachsen in Ravensburg, Musikstudium in Stuttgart und Wien, Master in den Fächern Jazz/Performance und Komposition an der Manhattan School of Music. Seit seinem Abschluss tourt Hübner von Harlem aus durch die Welt. „Das Auswandern hat mir einen Karriereschub verpasst.“ Wie schwer es ist, als Musiker in Deutschland Fuß zu fassen, erlebt er, wenn er in seiner alten Heimat arbeitet. Eine Professur einzurichten sei in Deutschland beispielsweise „ein Riesenaufwand, die Bürokratie bremst die Kreativität“.

Die Schattenseiten von New York

Stolz erzählt Hübner, dass sein Sohn Ysai in seine Fußstapfen treten will. Auch er will Musiker werden, singt bereits im Chor der renommierten Metropolitan Opera und hofft auf ein Studium in Yale. Ohne Stipendium dürfte das schwierig werden: „Das Bildungssystem gibt einem allerhand Gründe, nach Deutschland zurückzugehen. Meine Frau hat bis vor Kurzem die Kredite für ihr Studium abbezahlt.“ Mit Laajuana und den beiden Kindern Ysai und Naima lebt der Jazzmusiker in einer Ecke Harlems, in der die Nachbarn den Nachmittag auf der Treppe vor dem Haus verbringen und wo Musik in allen Farben aus den Fenstern tönt.

Die Leute grüßen Gregor Hübner auf der Straße, man kennt den braun gebrannten Musiker mit dem dezent deutschen Akzent. Diese Offenheit fehle den Deutschen einfach, sagt er. „Kunst darf in Deutschland keine Grenzen sprengen, nicht unberechenbar sein.“ Dabei sei gerade das spontane Spiel das Schönste an seinem Beruf: „Hier gibt es Clubs, in denen jeden Abend andere Musik läuft. Wenn ein Song den Leuten gefällt, ist er gut.“

Die Schattenseiten dieser amerikanischen Großstadtlässigkeit kennt der 48-Jährige genauso gut. Jetzt, da seine Kinder Teenager sind, bereiten ihm die strukturellen Probleme in New York zunehmend Sorgen: Was Sicherheit oder Bildung angeht, lägen Stuttgart oder Ravensburg weit vor New York, gibt er zu. „Wir haben mit dem Gedanken gespielt, wegen der Kinder zurückzugehen“, sagt er. „Aber alle Zelte in New York abbrechen? Niemals.“