Gerold Zink Glückwunsch, Kollege! Ich bin froh, dass es so ausging. Alles andere wäre ja eine mittlere Katastrophe gewesen. Man stelle sich vor, nun würden auch noch die Württemberger den guten Geschmack entdecken und Deutschlands beste Rotweine von Huber kaufen wollen. Die sind schon jetzt weltweit so begehrt, dass für uns Badener kaum noch etwas übrig bleibt. Auch würde es das Weltbild des Schwaben erschüttern, für eine Flasche Spätburgunder bis zu 120 Euro ausgeben zu müssen. Ich habe von Patenonkel Walter – Gott habe ihn weinselig – gelernt: wofür der Schwabe einzig Geld ausgibt, das ist sein Daimler in der Garage, blitzblank mit dem Staubtuch geputzt. Da erfreut es mich, dass Sie den günstigen Lemberger bevorzugen.

 

Holger Gayer Gemach, gemach. Eigentlich bin ich ja ein Freund des Spätburgunders, und immer wieder versuche ich mich auch davon zu überzeugen, dass die Badener Vertreter dieser Spezies ganz großartig sein müssen. Vielleicht bekomme ich es nur nicht mit. Das hat dann schlicht damit zu tun, dass ich mit den Württembergern ausgelastet bin. Denn, mal ehrlich, wo in Deutschland findet man eine solche Vielfalt herausragender Weine wie zwischen Stuttgart, dem Remstal und dem Unterland? Wir haben vom Schwarzriesling (Pinot Meunier), dem Urahn der Burgunder, über den Clevner, Samtrot und Spätburgunder (Pinot Noir) alle roten Burgundersorten im Anbau. Unsere Tüftler haben in der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg einige der erfolgreichsten deutschen Rebsorten kreiert, Kerner etwa und Dornfelder. Wir haben den König der deutschen Rotweine, den Lemberger, und inzwischen sogar trinkbaren Trollinger.

Gerold Zink Trinkbaren Trollinger, nein! Lemberger, meinetwegen. Wir Badener sind tolerant. So stören wir uns nicht einmal daran, dass die Winzer von Mosel, Rheingau, Rheinhessen und Pfalz ihren Riesling zum König der deutschen Weine gekürt haben. Und dies, obwohl er es bei einem guten Essen schwer hat gegen einen filigranen Weißburgunder aus dem Weingut der Stadt Lahr oder die kräftigen Kaiserstühler Grauburgunder von Fritz Keller aus Oberbergen oder Joachim Heger aus Ihringen. Aber der Lemberger, von dem es durchaus ansehnliche Tropfen geben mag – König der deutschen Rotweine? Das haut einem badischen Weinfass den Boden aus. Kerner oder Dornfelder hätten die Schwaben erst gar nicht zu züchten brauchen. Obwohl: sie passen eigentlich nahtlos zum württembergischen Wein-Mittelmaß.

Holger Gayer In Ordnung, Herr Kollege, man muss ja nicht alles verstehen, was sich zwischen Baden und Württemberg ereignet. Da ist etwa die Wengerterfamilie Grahm aus dem badischen Kürnbach. Die Armen saßen nach einer Flurbereinigung zwischen dem letzten württembergischen Ort Oberderdingen und dem ersten badischen Dorf, eben Kürnbach, plötzlich zwischen allen Stühlen. Zwar hatten sie noch dieselben Weinberge, ein Teil lag aber nun in Württemberg, der andere in Baden. Weil Vater Helmut seine Ernte aber in Baden ablieferte, gab’s nun ein Problem: württembergische Trauben dürfen die Badener nicht vermarkten. Es war die Geburtsstunde eines bemerkenswerten Weinguts. Gravino nennen sich die Grahms nun, und sie bauen hochinteressante Weine aus. Der lustigste – und einer der besten – ist eine Cuvée aus Lemberger, Cabernet-Sauvignon, Spätburgunder und Regent. „Grenzgänger“ nennen sie ihn. Der Cabernet steht auf Württemberger Gebiet, die anderen drei Sorten auf Badener. In der Kombination ist das der Wein, den ich allen überzeugten Württembergern und Badenern zum Jubiläum unseres Landes empfehlen möchte: Auf die nächsten sechzig Jahre, und, na ja, nach dem zweiten Schluck vertragen wir uns ja doch, oder? Erheben wir also das Glas und trinken auf den Bindestrich, der uns zusammenhalten möge.

Gerold Zink Einverstanden! Ein Jubiläumswein, der zu drei Vierteln aus badischen Trauben besteht, kann nicht schlecht sein. Vielleicht hilft ja das Viertel aus Württemberg, ihn erschwinglich zu halten. Zum Schluss, lieber Kollege, ein Vorschlag: Wie wäre es mit einer gemeinsamen Weinreise? Ich nehme Sie unter anderem mit zu Huber, Salwey, Bercher, Keller, Heger, Laible, Schlumberger, Wassmer, Aufricht und Seeger, zum Schloss Neuweier, zum Prinzen von Baden und in die Winzergenossenschaften Sasbach und Durbach. Sie zeigen mir dann Ihre guten Adressen wie Aldinger, Wöhrwag, Dautel, Drautz-Able, Ellwanger, Haidle, Kistenmacher-Hengerer, Schnaitmann, Wachtstetter, die Grafen Neipperg und Adelmann, die Genossenschaften in Untertürkheim, Fellbach, Cleebronn und Lauffen. Und zum 65. Landesgeburtstag verraten wir, wer bei diesem baden-württembergischen Weingipfel besser abgeschnitten hat.

Gerold Zink Die Badener sind ja nicht nur nett, sondern auch geduldig – sonst wäre die Zwangsehe mit den Württembergern schon lange geschieden. Deshalb habe ich es auf mich genommen, zu Ihnen in die weinbauliche Diaspora zu reisen, um dort die von den Württembergern selbst prämierten besten 30 Trollinger zu verkosten. Danach lag ich zwar nicht im Koma, aber Zunge und Gaumen waren auf Tage hinaus betäubt. Auch meine Augen versagten mir fast den Dienst: Sie hatten Menschen erblickt, die diese rosa Brause aus einem Henkelglas tranken, welches einer Schnabeltasse glich.

Holger Gayer Sie verfügen über eine beachtliche Beobachtungsgabe, lieber Kollege. Was aber wäre, wenn wir die Augen schlössen? Vor Jahren habe ich im Kreise von Freunden eine Blindprobe veranstaltet; Spätburgunder aus dem Jahrhundertsommer 2003 – französischer, badischer, württembergischer. Ich hatte Große Gewächse von Bernhard Huber in Malterdingen und Dr. Heger in Ihringen gekauft und diese in einer Zwölferprobe gegen Granaten aus Burgund und Württemberg gestellt. Als Piraten schmuggelte ich einen vergleichsweise günstigen Lemberger aus der Josua-Serie der Lauffener Weingärtner ein. Er gewann so klar wie einst Jan Ullrich.

„Man stelle sich vor, die Württemberger würden den guten Geschmack entdecken!“

Gerold Zink Glückwunsch, Kollege! Ich bin froh, dass es so ausging. Alles andere wäre ja eine mittlere Katastrophe gewesen. Man stelle sich vor, nun würden auch noch die Württemberger den guten Geschmack entdecken und Deutschlands beste Rotweine von Huber kaufen wollen. Die sind schon jetzt weltweit so begehrt, dass für uns Badener kaum noch etwas übrig bleibt. Auch würde es das Weltbild des Schwaben erschüttern, für eine Flasche Spätburgunder bis zu 120 Euro ausgeben zu müssen. Ich habe von Patenonkel Walter – Gott habe ihn weinselig – gelernt: wofür der Schwabe einzig Geld ausgibt, das ist sein Daimler in der Garage, blitzblank mit dem Staubtuch geputzt. Da erfreut es mich, dass Sie den günstigen Lemberger bevorzugen.

Holger Gayer Gemach, gemach. Eigentlich bin ich ja ein Freund des Spätburgunders, und immer wieder versuche ich mich auch davon zu überzeugen, dass die Badener Vertreter dieser Spezies ganz großartig sein müssen. Vielleicht bekomme ich es nur nicht mit. Das hat dann schlicht damit zu tun, dass ich mit den Württembergern ausgelastet bin. Denn, mal ehrlich, wo in Deutschland findet man eine solche Vielfalt herausragender Weine wie zwischen Stuttgart, dem Remstal und dem Unterland? Wir haben vom Schwarzriesling (Pinot Meunier), dem Urahn der Burgunder, über den Clevner, Samtrot und Spätburgunder (Pinot Noir) alle roten Burgundersorten im Anbau. Unsere Tüftler haben in der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg einige der erfolgreichsten deutschen Rebsorten kreiert, Kerner etwa und Dornfelder. Wir haben den König der deutschen Rotweine, den Lemberger, und inzwischen sogar trinkbaren Trollinger.

Gerold Zink Trinkbaren Trollinger, nein! Lemberger, meinetwegen. Wir Badener sind tolerant. So stören wir uns nicht einmal daran, dass die Winzer von Mosel, Rheingau, Rheinhessen und Pfalz ihren Riesling zum König der deutschen Weine gekürt haben. Und dies, obwohl er es bei einem guten Essen schwer hat gegen einen filigranen Weißburgunder aus dem Weingut der Stadt Lahr oder die kräftigen Kaiserstühler Grauburgunder von Fritz Keller aus Oberbergen oder Joachim Heger aus Ihringen. Aber der Lemberger, von dem es durchaus ansehnliche Tropfen geben mag – König der deutschen Rotweine? Das haut einem badischen Weinfass den Boden aus. Kerner oder Dornfelder hätten die Schwaben erst gar nicht zu züchten brauchen. Obwohl: sie passen eigentlich nahtlos zum württembergischen Wein-Mittelmaß.

Holger Gayer In Ordnung, Herr Kollege, man muss ja nicht alles verstehen, was sich zwischen Baden und Württemberg ereignet. Da ist etwa die Wengerterfamilie Grahm aus dem badischen Kürnbach. Die Armen saßen nach einer Flurbereinigung zwischen dem letzten württembergischen Ort Oberderdingen und dem ersten badischen Dorf, eben Kürnbach, plötzlich zwischen allen Stühlen. Zwar hatten sie noch dieselben Weinberge, ein Teil lag aber nun in Württemberg, der andere in Baden. Weil Vater Helmut seine Ernte aber in Baden ablieferte, gab’s nun ein Problem: württembergische Trauben dürfen die Badener nicht vermarkten. Es war die Geburtsstunde eines bemerkenswerten Weinguts. Gravino nennen sich die Grahms nun, und sie bauen hochinteressante Weine aus. Der lustigste – und einer der besten – ist eine Cuvée aus Lemberger, Cabernet-Sauvignon, Spätburgunder und Regent. „Grenzgänger“ nennen sie ihn. Der Cabernet steht auf Württemberger Gebiet, die anderen drei Sorten auf Badener. In der Kombination ist das der Wein, den ich allen überzeugten Württembergern und Badenern zum Jubiläum unseres Landes empfehlen möchte: Auf die nächsten sechzig Jahre, und, na ja, nach dem zweiten Schluck vertragen wir uns ja doch, oder? Erheben wir also das Glas und trinken auf den Bindestrich, der uns zusammenhalten möge.

Gerold Zink Einverstanden! Ein Jubiläumswein, der zu drei Vierteln aus badischen Trauben besteht, kann nicht schlecht sein. Vielleicht hilft ja das Viertel aus Württemberg, ihn erschwinglich zu halten. Zum Schluss, lieber Kollege, ein Vorschlag: Wie wäre es mit einer gemeinsamen Weinreise? Ich nehme Sie unter anderem mit zu Huber, Salwey, Bercher, Keller, Heger, Laible, Schlumberger, Wassmer, Aufricht und Seeger, zum Schloss Neuweier, zum Prinzen von Baden und in die Winzergenossenschaften Sasbach und Durbach. Sie zeigen mir dann Ihre guten Adressen wie Aldinger, Wöhrwag, Dautel, Drautz-Able, Ellwanger, Haidle, Kistenmacher-Hengerer, Schnaitmann, Wachtstetter, die Grafen Neipperg und Adelmann, die Genossenschaften in Untertürkheim, Fellbach, Cleebronn und Lauffen. Und zum 65. Landesgeburtstag verraten wir, wer bei diesem baden-württembergischen Weingipfel besser abgeschnitten hat.

Unsere Experten stellen sich vor:

Gerold Zink, Jahrgang 1953, ist gebürtiger Kaiserstühler und leitet die Breisacher Lokalredaktion der Badischen Zeitung. Mit 15 war er bereits stolzer Besitzer eines kleinen Weinbergs, im zarten Alter von 18 Jahren begann er mit dem Ausbau des ersten eigenen Weines, den er heute allenfalls als gerade noch genießbar einstufen würde. Erweiterung des Horizonts durch Reisen in zahlreiche in- und ausländische Weinregionen, außerdem ist er Mitglied mehrerer Jurys. Zu seinen Hobbys gehören gutes Essen, Wandern und Fußball. Beim Weingenuss hält er es mit Johann Wolfgang von Goethe: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“

StZ Holger Gayer,Jahrgang 1969, hat eine 19-jährige Reifezeit bei der Stuttgarter Zeitung hinter sich. 1993 war er als Sportredakteur zunächst für den Profifußball zuständig, ehe es ihn zum Radsport zog. Fünfmal war er bei der Tour de France und im Jahr 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney. Nach seiner Sportzeit wechselte er ins Regionalressort, 2004 übernahm er die Leitung der StZ-Redaktion in Ludwigsburg, seit 2011 steht er gemeinsam mit Achim Wörner dem Lokalressort vor. Die Leidenschaft für Wein begleitet den gebürtigen Unterländer ebenfalls seit fast 20 Jahren. Seit 2008 schreibt er zusammen mit Kathrin Haasis und Harald Beck die StZ-Weinkolumne „Lesestoff“. StZ