Nach gefährlichen Zwischenfall bei dem Boeing-Flug nach Auckland beschreiben Passagiere das Chaos in der Kabine. Dutzende wurden verletzt. Die Ursache ist noch rätselhaft.

Es war ein schwerwiegender Zwischenfall: Mehr als zwei Dutzend Menschen wurden verletzt, nachdem am Montag eine Boeing 787-9 Dreamliner zwischen Australien und Neuseeland einen plötzlichen Höhenverlust erlebte. Am Dienstag berichteten Passagiere von dramatischen Szenen, die sich in der Kabine abspielten, wo Menschen mit großer Wucht an die Decke knallten. Experten rätseln über die Ursache. Es ist ein weiterer Schlag für Boeings angekratzten Ruf.

 

Bis rund 60 Minuten vor der Landung in Auckland war der Flug LA800 der chilenischen Fluggesellschaft Latam von Sydney nach Auckland unspektakulär. Es gab kaum Turbulenzen, viele der 263 Passagiere waren deswegen auch nicht angeschnallt, als es dann – völlig ohne Vorwarnung – zu einem Höhenverlust kam.

Der Vorfall kam einfach aus dem Nichts

„Alle fingen an zu schreien und weinen“, sagte die Australierin Ellie Addison. „Die Leute wurden aus ihren Sitzen gerissen, einigen Menschen rann Blut über das Gesicht.“ Der Passagier Brian Jokat sagte dem neuseeländischen Medium „Stuff“, das Flugzeug sei „plötzlich vom Himmel“ gefallen. Er sei aufgewacht, und sein Sitznachbar sei an der Decke des Flugzeugs gewesen. „Sein Rücken ist an der Decke, und er ist in der Luft, dann fällt er und schlägt mit dem Kopf auf die Armlehne.“ Die Leute hätten geschrien. Dann sei das Flugzeug auch noch in einen Sturzflug gegangen, und er habe gedacht, dies sei nun das Ende. Menschen hätten verletzt in den Gängen gelegen.

Der Vorfall habe sich ohne Vorwarnung ereignet und sei „einfach aus dem Nichts“ gekommen. Teile der Deckenverkleidung seien durch den Aufprall von Köpfen und Körpern zerbrochen gewesen. Ein weiterer Passagier, der seinen Namen als Jacinto angab, berichtete, wie einige der Passagiere, die nicht angeschnallt waren, „durch die Kabine geflogen“ seien. „Einer der Besatzungsmitglieder wurde wirklich schwer am Kopf getroffen. Er saß direkt hinter mir, weil ein Platz frei war, und sie baten uns, ihn nicht einschlafen zu lassen“, sagte er.

Die Passagier haben für den Piloten gebetet

Lucas Ellwood, der ebenfalls mit an Bord war, sah, wie einem Mann, der während des Vorfalls auf der Toilette war, danach Blut übers Gesicht lief. Ellwood selbst war angeschnallt und erlitt keine Verletzungen. „Es hat meinen Glauben an Sicherheitsgurte bestätigt“, sagte er dem „NZ Herald“. Ellwood beschrieb die Reaktion der Besatzung als „angemessen“, er sagte jedoch auch, dass es einen „längeren Zeitraum ohne Kommunikation oder Erste Hilfe“ gegeben habe. „Wir haben alle für die Piloten gebetet.“ Einer der Piloten ist laut dem Passagier Jokat nach der Landung „geschockt“ in den hinteren Teil des Flugzeugs gekommen. Als er ihn fragte, was passiert sei, habe der Pilot gesagt, dass seine Anzeigen einfach ausgegangen seien und er das Flugzeug kurzzeitig nicht mehr steuern konnte.

Die meisten der rund 50 Verletzten haben nur leichte Blessuren. Zehn Passagiere und drei Besatzungsmitglieder mussten jedoch in Krankenhäuser in Auckland gebracht werden. Lokale Medien sprachen von Knochenbrüchen, Nacken- und Kopfverletzungen.

Die Ermittlungen laufen von Chile aus

Neuseeländische Ermittler teilten am Dienstag mit, sie hätten damit begonnen, Beweise zu sammeln, darunter den Stimmenrekorder und den Flugdatenschreiber. Weil es sich um ein Flugzeug der chilenischen Fluggesellschaft Latam handelt, leite aber Chile die Ermittlungen.

Experten drangen am Dienstag auf eine gründliche Untersuchung. So sagte der Luftfahrtexperte Peter Clark gegenüber Radio New Zealand, es sei noch zu früh, um über die Ursache zu spekulieren, aber es sei „entweder ein menschliches Eingreifen, bei dem die Nase des Flugzeugs schnell nach vorne gedrückt wurde, oder ein Softwarefehler oder ein mechanischer Fehler“. Die Luftfahrtexpertin Irene Kind sagte gegenüber „Stuff“: „Diese Flugzeuge fallen nicht einfach aus, sie verfügen über ausfallsichere Systeme.“ Der Flugzeughersteller Boeing hat seit Monaten mit technischen Problemen zu kämpfen.

US-Justizministerium ermittelt wegen Beinahe-Unglück im Januar

Sicherheitsprobleme
 Der US-Flugzeughersteller Boeing hat seit einigen Jahren mit Sicherheitsproblemen zu kämpfen. Im Januar war bei einer Boeing 737-9 Max der Alaska Airlines kurz nach dem Start in den USA ein Teil der Kabinenwand herausgefallen. Bei dem Vorfall wurde niemand ernsthaft verletzt – zufällig waren die beiden Plätze direkt an der Öffnung leer.

Ermittlungen
In dem Zusammenhang hatte Anfang März die US-Luftfahrtaufsicht FAA bei Untersuchungen der Boeing-Fertigung Probleme bei der Qualitätsaufsicht gefunden. Seit vergangener Woche ermittelt das US-Justizministerium in dieser Sache und befragt Passagiere und Crew.

Unglücke
2018 und 2019 stürzten zwei Flugzeuge des Typs Boeing 737-8 Max ab, 346 Menschen starben. Auch in jüngerer Vergangenheit kam es zu – glimpflich ausgegangenen – Zwischenfällen: Anfang März verlor eine Boeing 777 von United Airlines nach dem Start in San Francisco ein Rad. Anfang des Jahres hatte eine Boeing 757 von Delta Air ein Rad verloren, kurz vor dem Start in Atlanta.