Die Belastung der zyprischen Sparer ist nach Meinung des CSU-Abgeordneten ohne Rechtsgrundlage zustande gekommen.
Stuttgart – Grundsätzlich wäre ein Zugriff auf private Konten auch in Deutschland möglich, sagt der Jurist Peter Gauweiler. Die Guthaben dürften den Sparern aber nicht genommen werden.
Herr Gauweiler, in Zypern soll jeder, der Geld auf der Bank hat, eine Zwangsabgabe leisten. Ist das zulässig?
Das Ganze hat eine völlig neue Qualität. Da treffen sich in Brüssel 17 Finanzminister, und allein nach deren Willen werden über Nacht den Menschen in Zypern ihre Konten gesperrt und das Online-Banking eingefroren. Ohne Gesetz, ohne Rechtsverordnung, ohne Parlamentsbeschluss wird jedem Sonnenschirmverleiher ein fester Teil seines Ersparten genommen.
So etwas wäre in Deutschland – rein juristisch – sicherlich undenkbar?
Es gibt im Kreditwesengesetz (KWG) den nicht sehr bekannten Paragraf 47. Wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Kreditinstituten zu befürchten sind, die schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft erwarten lassen, kann die Bundesregierung anordnen, dass Banken schließen und im Kundenverkehr keine Zahlungen mehr leisten. Das kann durch Rechtsverordnungen sehr schnell geschehen, auch am Wochenende. Die Begriffe in diesem Paragrafen sind auch noch schwammig formuliert und bieten der Regierung einen großen Interpretationsspielraum.
Also könnte uns – theoretisch – irgendwann das Gleiche widerfahren wie den Zyprioten?
Alleine der Umstand, dass der Staat Geld für die Rettung des Euro braucht, würde einen Zugriff auf die Sparbücher nicht ermöglichen. Erst wenn die Rettungspolitik in eine Situation führt, dass deutsche Banken in Zahlungsschwierigkeiten zu kommen drohen. Was wäre aber, wenn verhindert werde soll, dass spanische Banken in Schieflage geraten, und die Rettungspolitik argumentiert, dass mit diesen verflochtene deutsche Banken in Schwierigkeiten geraten würden? Da gibt das Gesetz der Regierung wieder einen großen Beurteilungsspielraum.
2008 hat Angela Merkel eine Garantie für die Spareinlagen in Deutschland gegeben – und gestern erneuert. Wir müssen uns also keine Sorgen machen?
Frau Merkel tut sicher gut daran, dies noch einmal zu erklären. Mindestens ebenso wichtig wäre es allerdings auch, unsere gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Einstellung des Bankverkehrs präziser zu fassen. Der gerade erwähnte Paragraf 47 ist in rechtsstaatlich bedenklicher Weise bewusst weit und unbestimmt gefasst.
Das Kreditwesengesetz könnte uns also doch auch um unser Erspartes bringen?
Vom gesetzlich möglichen Einfrieren der Konten ist zu unterscheiden, dass den Sparern ihr Guthaben ganz oder teilweise genommen wird. Ein solches Gesetz müsste erst beschlossen werden; allein seine Vorbereitung würde bewirken, dass die Menschen ihr Geld von der Bank holen und so den Zahlungsverkehr gefährden. Dann wären die Voraussetzungen der Anordnung einer Kontosperrung erfüllt. Nach meiner Meinung ist aber ein Zugriff auf das Sparvermögen zum Zweck der Finanzierung der Eurorettung eine mit Artikel 14 Grundgesetz nicht zu vereinbarende Enteignung.
Ist das in Zypern anders?
Würden die Banken in Zypern pleitegehen, verlören die dortigen Sparer und Kapitalanleger viel mehr. So gesehen ist eine Beteiligung der Gläubiger der Bank an ihrer Rettung ein weniger schwerer Eingriff. Wenn deutsche Banken vom Konkurs bedroht wären und vom ESM gerettet werden müssten, wäre eine Gläubigerbeteiligung im Prinzip ohne Verstoß gegen das Grundgesetz möglich. Allerdings wäre bei uns durch eine derartige Maßnahme die Garantie der Einlagensicherung aufgehoben. Das dürfte mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz unvereinbar sein.