Der Choreograf William Forsythe wird 70 Tänze für Beine und Kopf
Von Stuttgart aus eroberte er die Ballettwelt: Der Choreograf William Forsythe wird an diesem Montag 70 Jahre alt. In unserer Bildergalerie gratulieren ihm fünf Weggefährten – von Marcia Haydée bis Eric Gauthier.
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Foto dpa/Arno Burgi
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William Forsythe 2014 in seiner Ausstellung „Black Flaggs“
Foto dpa/Bernd Weissbrod
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Marcia Haydée, ehemalige Stuttgarter Ballettdirektorin, zu William Forsythes 70.: „Stuttgart ist zu einem Mekka für Choreografen geworden, nicht London, nicht Paris, nicht New York. Und Forsythe ist einer der großen Namen, der damit verbunden ist. Er war ein toller Tänzer. Kurz vor der Premiere des Noverre-Abends 1976 kam er zu mir: „Marcia, ich will einen Pas de deux machen, nur drei Minuten!“ „Billi“, sagte ich ihm, „das geht nicht. Es ist doch alles schon fertig geplant!“ Wir haben es doch möglich gemacht, „Urlicht“ war dann der größte Erfolg des Abends und der Anfang von Forsythes Karriere. Sofort war klar, als er zum Beispiel hier „Orpheus“ machte, dass sein Stil total anders, einmalig war. Es gibt eine Szene mit Stühlen darin, alle sitzen wie in einem Irrenhaus. Das war so stark, man konnte seine Begabung sehen. Er hat wirklich eine neue Technik zu tanzen, eine neue Art sich zu bewegen geschaffen – auch für Spitzentänzer.“
Foto Lichtgut/Max Kovalenko
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Reid Anderson, ehemaliger Stuttgarter Ballettintendant, zu Forsythes 70.: „Forysthe, oder Billy wie wir ihn nennen, war als Choreograf von Anfang an sehr anspruchsvoll, sehr bestimmt und wusste genau was er wollte. Als ob er schon immer choreografiert hätte oder in einem früheren Leben Choreograf gewesen wäre. Seine lebhaften Erklärungen waren poetisch, lehrreich und immer genau zutreffend. Wir Tänzer konnten spüren, dass er etwas Besonderes war. Seine Choreografien waren etwas noch nie Dagewesenes, denn wir haben uns auf einer völlig neue Art und Weise bewegt. Er hat auch immer experimentiert, er war auf der Suche, keines seiner frühen Stücke ähnelt dem anderen. Ich finde es unabdingbar, dass Kompanien Werke von Forsythe tanzen. Es ist eine grundlegende Erfahrung, die jeder Tänzer machen sollte. Das betrifft aber auch das Publikum... So viel vom heutigen Stand der Dinge im Tanz haben wir ihm und seiner bahnbrechenden Arbeit zu verdanken. Er hat die Denkweise darüber, wie wir tanzen und wie wir Tanz sehen, grundlegend verändert.“
Foto Maks Richter
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Eric Gauthier, Leiter von Gauthier Dance, zu Forsythes 70.: „Es gibt wenige zeitgenössische Meister im Tanz – Bill ist definitiv einer davon. An seinen Choreografien können Tänzer immens viel lernen und sich weiterentwickeln. Deshalb finde ich es auch essenziell, Stücke von Forsythe im Repertoire zu haben. Sie heben einfach das Niveau deiner Kompanie! Mich selbst verbindet eine lange Geschichte mit ihm. Sie begann mit einem kleinen Wunder – ich war damals 17 Jahre alt und noch Eleve beim National Ballet of Canada. In „The Second Detail“ war ich als vierte Besetzung eingeteilt. Doch dann fielen alle drei Kollegen vor mir aus – und ich tanzte die Premiere. Bis heute bleibt dieser Abend für mich mein unglaublichster und unwahrscheinlichster Auftritt als Tänzer! Später beim Stuttgarter Ballett habe ich sehr viel Forsythe getanzt. Nie vergessen werde ich den kleinen Schockmoment bei „Approximate Sonata“, als Bill bei der Premiere selbst die Anweisungen einsprach. Das war „His Master’s Voice“ live. Eine Stimme, die dem Tanz so viel gegeben hat. Danke, Bill, und Happy Birthday!“
Foto Jos Schmid
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Christian Spuck, Direktor des Ballett Zürich, zu Forsythes 70.: „Neben Jirí Kylián und Pina Bausch ist William Forsythe für mich der wichtigste Choreograf des 20. Jahrhunderts. Alle drei haben das Ballett hinterfragt und eine neue Kunstform daraus gemacht. Ganz klar kann ich mich an die erste Begegnung mit seinem Werk erinnern. Damals habe ich als Zivildienstleistender in Frankfurt zufällig einen Abend mit drei Forsythe-Stücken gesehen. Schon vom ersten, „New Sleep“, war ich absolut überwältigt - und total begeistert. Die Kombination von darstellender und bildender Kunst hat mich fasziniert, von da an habe ich jede Premiere des Frankfurter Balletts gesehen und privat Ballettunterricht genommen. Für mich war William Forsythe der prägendste Künstler überhaupt. Als ich dann als Cranko-Schüler einen Pas de deux in seinen „Love Songs“ übernehmen durfte, war ich entsprechend aufgeregt.“
Foto dpa/Bernd Weissbrod
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Tamas Detrich, Intendant des Stuttgarter Balletts, zu Forsythes 70: „Nach der Uraufführung von William Forsythes Ballett „Flore Subsimplici“ 1977 hat man eine drastische Veränderung in ihm gespürt; sein Drang und seine Hingabe hinsichtlich der Suche nach einer neuen Bewegungssprache wurden sehr ausgeprägt. Schon seine Choreografie für „Traum des Galilei“, die nur ein Jahr später entstand, war eine völlig neue Welt für uns – und dann kam die Arbeit an „Orpheus“. Das war eines der anspruchsvollsten Stücke, an dem ich als Tänzer beteiligt war. William Forsythe hat uns alles abverlangt, körperlich wie emotional. Spätestens da wussten wir alle, dass er anders ist, besonders, bahnbrechend. Und das ist er bis heute geblieben. Für mich ist er einer der einflussreichsten Choreografen der letzten 50 Jahre. Nächste Spielzeit feiert das Stuttgarter Ballett 60. Geburtstag. Da darf natürlich ein Stück von William Forsythe auf dem Spielplan nicht fehlen.“