John-Cranko-Schule feiert Wie Stuttgart zur Talentschmiede fürs Ballett wurde
Mit einer Gala im Stuttgarter Opernhaus feiert die Cranko-Schule ihren 50. Geburtstag. Die Talentschmiede für den Ballettnachwuchs ist ein Erfolgsmodell. Fünf Absolventen haben uns verraten, wie sie die Schule geprägt hat.
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Foto Roman Novitzky
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Es braucht viel Fleiß, bis Ballett zur Kunst wird: Schülerinnen trainieren im Neubau der Cranko-Schule. In der Urbanstraße an der Stange standen einst auch Marion Jäger, Julia Krämer, Mikhail Kaniskin, Daniel Camargo und Pilar Murube, die für unsere Bildergalerie einen Fragebogen beantwortet haben.
Foto Roman Novitzky
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Marion Jäger besuchte von 1976 bis 1980 die Cranko-SchuleErstes Engagement und weitere Stuttgarter Ballett, von 1989 bis 1998 als Erste Solistin. Mein Lieblingsunterricht Am liebsten hatte ich die Repertoire-Stunden, wo Variationen aus großen Balletten wie „Dornröschen“ einstudiert wurden. Ein Highlight war immer auch der Unterricht im spanischen Tanz bei José de Udaeta. Mein Lieblingsessen in der Kantine Wir haben uns immer alle auf die Sonntage gefreut: Da gab es Nutella zum Frühstück – ein Glas pro Vierertisch. Das war dann anschließend leer. Fürs Leben gelernt habe ich Ich kam mit 14 Jahren an die JCS und habe hier gelernt, wie man selbstständig im Leben klarkommt. In diesem Haus mit den vielen jungen Leuten habe ich zudem erfahren, dass man auch mit Menschen auskommen kann, mit denen man sich nicht blendend versteht. Mein schönster Moment Als ich erfahren habe, dass mich Marcia Haydée als Gruppentänzerin übernehmen wird. Und der schlimmste? Furchtbar war dabei, dass es in diesem Jahr beim Stuttgarter Ballett nur eine Stelle gab und meine Schulfreunde anderswo unterkommen mussten.
Foto Stuttgarter Ballett
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Julia Krämer besuchte von 1983-1988 die Cranko-SchuleErstes Engagement und weitere Stuttgarter Ballett bis 2004, dann habe ich meine aktive Karriere als Erste Solistin beendet. Heute arbeite ich als Ballettlehrerin. Meine Lieblingslehrerin Annette Chappell. Die britische Pädagogin war meine erste Klassenlehrerin und unterrichtete klassisches Ballett; sie war sehr nett und überhaupt nicht streng. Mein Lieblingsessen in der Kantine Ich erinnere mich gut an die besonders dicken Spätzle. Fürs Leben gelernt habe ich Ich war sehr schüchtern, Ballett hat mir Selbstbewusstsein gegeben und gezeigt, dass Leistung anerkannt wird und man Erfolg damit haben kann. Mein schönster Moment Als mir Marcia Haydée nach einer Schulvorstellung einen Vertrag angeboten hat. Und der Auftritt bei einem Wettbewerb in München, bei dem ich eine Silbermedaille gewonnen habe. Und der schlimmste? Die Angst vor dem Werkstattunterricht. Kreativ sein und selbst etwas einbringen? Das war für mich damals der Horror.
Foto Stuttgarter Ballett
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Julia Krämer mit Robert Tewsley in „Dornröschen“...
Foto Regina Brocke
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...und bei einem Comeback zwischen Egon Madsen (links) und Thomas Lempertz bei Proben für „Greyhounds“.
Foto Ulrich Beuttenmüller
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Mikhail Kaniskin besuchte von 1995 bis 1997 die Cranko-Schule Erstes Engagement und weitere Stuttgarter Ballett bis 2007, danach tanzte ich als Erster Solist bis 2020 am Berliner Staatsballett. Heute leite ich zwei Stiftungen, die Tanz und Kultur fördern, und organisiere den Ballettwettbewerb YAGP für Deutschland. Mein Lieblingslehrer Petr Pestov, er war der beste Lehrer für Jungs, den man damals finden konnte; über 150 Solotänzer kamen aus seiner Klasse. Mein Lieblingsessen in der Kantine Pasta! In der Ex-Sowjetunion gab es Nudeln nicht in dieser Qualität und Vielfalt. Und alles war mit Liebe zubereitet; die Köchinnen haben uns wie ihre Kinder behandelt.Fürs Leben gelernt habe ich Ich verdanke dieser Schule alles – offen zu sein für Neues, mitzudenken, Entscheidungen zu treffen. Wir wurden in allen Talenten gefördert. Es war eine Schule fürs Leben, nicht nur für den Tanz. Mein schönster Moment Meine Abschlussvorstellung als Schüler, als ich Marcia Haydée kennengelernt habe. Und zu spüren, dass ich Teil einer großen Ballettfamilie bin. Bis heute bekomme ich unglaubliche Unterstützung aus Stuttgart.
Foto Stuttgarter Ballett
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Mikhail Kaniskin als männlicher Hauptstar in „Romeo und Julia“
Foto Lichtgut/Leif Piechowski
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Daniel Camargo besuchte von 2005 bis 2009 die Cranko-Schule Erstes Engagement und weitere Stuttgarter Ballett, wo ich bis 2016, zuletzt als Erster Solist, tanzte. Heute bin ich als Gastsolist bei verschiedenen Kompanien weltweit tätig. Und als Schauspieler: Am 13. Dezember kommt „Coppelia“ in die Kinos, in dem ich eine Hauptrolle habe. Meine Lieblingslehrer Natalia Gasmaeva, meine Lehrerin in den ersten beiden Jahren, hat mir die Waganova-Methode beigebracht; die letzten zwei Jahre ging ich zu Petr Pestov. Was ich von beiden gelernt habe, trage ich bis heute auf die Bühne.Mein Lieblingsessen in der Kantine Ein besonderer Tag war immer der Sonntag. Da konnte man länger schlafen und dann brunchen.Fürs Leben gelernt habe ich Ein Künstler zu sein. Mein schönster Moment Das ist die Summe aus den vier Jahren; ich bin Tadeusz Matacz bis heute dankbar, dass er mir ein Stipendium angeboten hat. Die Zeit an der JCS hat mir die Gewissheit gegeben, dass ich für und mit der Kunst leben will. Und der schlimmste? Um ehrlich zu sein, ich war kein Engel in der Schule; deswegen gab es öfters mal Spüldienst oder Ausgehverbot. Heute kann ich zum Glück darüber lachen.
Foto Stuttgarter Ballett
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Daniel Camargo in „Don Quixote“ von Maximiliano Guerra...
Foto Stuttgarter Ballett
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...und in Katarzyna Kozielskas Solo „Firebreather“
Foto Dominique Mahmoud
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Pilar Murube besuchte von 1988 bis 1994 die Cranko-Schule Erstes Engagement und weitere Gleich nach der Ausbildung war ich Teil des Marco Santi Dance Ensembles in Stuttgart; aktuell bin ich freischaffende Tänzerin, Dozentin, Choreografin und Vermittlerin.Mein Lieblingslehrer Alex Ursuliak, weil er die Sicht von John Cranko hatte. Er hat uns gelehrt, dass nicht allein Technik wichtig ist, sondern das, was jeder mit seinem Körper daraus macht. Mein Lieblingsessen in der Kantine Gab es nicht. Ich kam mit 12 Jahren aus Spanien ans Internat. Nach vier Jahren hatte ich mich immer noch nicht an das deutsche Essen gewöhnt. Fürs Leben gelernt habe ich Durchhaltevermögen Mein schönster Moment Das waren die Vorstellungen und Festivals, bei denen wir damals aufgetreten sind. Wir waren in Frankreich, Italien, Japan, der Ukraine und in vielen Städten Deutschlands. Schön auch das gezeigte Repertoire: John Cranko, William Forsythe, Renato Zanella, Marco Santi und natürlich auch die ganzen Klassiker. Und der schlimmste? Festzustellen, dass ich viel besser bin, als mir während der Ausbildung zugesprochen wurde. Der Druck, technisch gut zu sein, war zu groß. Darüber wurde vergessen uns mitzugeben, dass Tanzen und das Gefühl dafür die andere Hälfte des Berufs sind. Schwierig fand ich auch die Ansicht, dass man nur Tänzerin werden kann, wenn man bestimmten körperlichen Standards entspricht.
Foto Svende Dreier
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Pilar Murube (rechts) mit Stephanie Roser in Nina Kurzejas Kinderstück „2+2=4“