Rückblick Höhepunkte des Literaturjahrs 2017
Was war wichtig? Welche Romane sollte man nicht versäumt haben? Wir lassen die wichtigsten Momente des literarischen Lebens des vergangenen Jahres noch einmal Revue passieren.
14 Bilder
Foto Getty Images Europe
1 / 14
Sichtlich vergnügt haben der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die diesjährige Buchmesse in Frankfurt eröffnbet.
Foto Getty Images Europe
2 / 14
Die Buchmesse in Frankfurt stand im Zeichen Frankreichs. Zur politischen Mission des Branchentreffs gehört der Einsatz für die Meinungsfreiheit. Erschütternde Auftritte des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, und der erst kürzlich aus der Haft entlassenen Schriftstellerin Asli Erdogan zeichnen ein trostloses Bild der Lage in der Türkei. Doch die Achtung der Meinungsfreiheit stellte in diesem Jahr auch die Messeveranstalter auf die Probe: Wie hält man es mit rechten Verlagen? Die Entscheidung, sie zuzulassen, solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen, wurde heftig diskutiert. Mit der Folge, dass der Stand des neurechten Verlegers Götz Kubitschek zu den frequentiertesten auf dem ganzen Messegelände gezählt hat.Die Buchmesse in Frankfurt stand im Zeichen Frankreichs. Zur politischen Mission der Messe gehört der Einsatz für die Meinungsfreiheit. Erschütternde Auftritte des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, und der erst kürzlich aus der Haft entlassenen Schriftstellerin Asli Erdogan zeichnen ein trostloses Bild der Lage in der Türkei. Doch die Achtung der Meinungsfreiheit stellt in diesem Jahr auch die Messeveranstalter auf die Probe: Wie hält man es mit rechten Verlagen? Die Entscheidung, sie zuzulassen, solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen, wurde heftig diskutiert. Mit der Folge, dass der Stand des neurechten Verlegers Götz Kubitschek zu den frequentiertesten auf dem ganzen Messegelände gezählt hat.
Foto dpa
3 / 14
Vor vierhundert Jahren begann der dreißigjährige Krieg: Als vorweggenommene Einstimmung auf dieses düstere Gedenkjahr war Daniel Kehlmanns „Tyll“ eines der literarischen Ereignisse des vergangenen Jahrs: Manche halten den österreichischen Schriftsteller Daniel Kehlmann ja nicht erst seit seinem internationalen Durchbruch „Die Vermessung der Welt“ für einen literarischen Trickbetrüger, der mit schlau gemachter Romanartistik die Leute lustig an der Nase durch ehrwürdigste Bildungsgründe führt. Doch dieser Gaukler jongliert mit Messern. Staunend verfolgt man, wie er seine Geschichten in der Luft hält. Alles nur ein Spiel, aber eines auf Leben und Tod. Und wie es bei Darbietungen Tyll Ulenspiegels eben so ist: Die einen erleben Schlimmes, andere haben großen Spaß gehabt.
Foto dpa
4 / 14
Es war das Jahr von Margaret Atwood. In der Frankfurter Paulskirche wurde der 75-jährigen kanadischen Schriftstellerin der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels überreicht, weil sie mit der Präzision einer Messerwerferin zeige, wie Literatur politisch wirksam werden kann. Das rabenschwarze Zukunftsgemälde, das ihr vielleicht bekanntestes Buch, der „Report der Magd“ entwirft, in dem sich Chauvinismus und Totalitarismus über einer ausgelaugten Welt unheilvoll zusammenballen, erlebt in Zeiten, in denen in Europa und den USA alte Ungeheuer aus den Grüften steigen, eine Renaissance. Und dies durchaus über die klassischen Grenzen des Geschriebenen hinaus: Die auf dem Roman basierende Serie „The Handmaid’s Tale“ hat fünf Emmys gewonnen.
Foto Factum Weise
5 / 14
Mit „Faust“ fing alles an. Ein Mythos feiert seinen 150. Geburtstag: Für viele sind die handlichen Ausgaben von Reclams-Universalbibliothek zur Einstiegsdroge geworden. Gebrauchsspuren markieren die eigene Lesebiografie. Und die Weise, Literatur greifbar zu machen, ist längst selbst in die Literatur eingegangen.
Foto dpa
6 / 14
Am 21. Dezember vor hundert Jahren wurde Heinrich Böll geboren. Er zählte einmal zu den berühmtesten und erfolgreichsten deutschen Schriftstellern. Berühmt ist der 1985 gestorbene Literaturnobelpreisträger immer noch. Doch so heftig seine Bücher einmal die Diskussionen der Zeit befeuert haben, so ruhig ist es um den guten Menschen aus Köln inzwischen geworden. Man könnte in dem sanften Baskenmützenträger mit dem fein melancholischen Zug um den Mund eine Art intellektueller Herkules der frühen Bundesrepublik sehen, der das Land in seinem literarischen und publizistischen Kampf von den Monstern der Vergangenheit befreit und zu einem bewohnbaren, zivilisierten Ort gemacht hat. Im Maße, wie diese wieder ihre Häupter erheben, könnte Böll eine neue Aktualität zuwachsen.
Foto dpa
7 / 14
Am 24. März hat Martin Walser seinen 90. Geburtstag gefeiert. Die intellektuelle Biografie des Magus vom Bodensee überlagert sich mit der Geschichte der Bundesrepublik. Doch wirklich zu Hause ist Walser allein in der Sprache. Seine Glaubwürdigkeit ist ästhetisch vermittelt. In seinen immer noch regelmäßig Jahr für Jahr eintrudelnden Romanen, 2017 „Der letzte Rank“, weiß er mit mit einer ans Manische grenzenden Schreibwut Geschehenes so lange umzuerzählen, bis es erträglich wird.
Foto dpa
8 / 14
Den besten deutschsprachigen Roman hat 2017 Robert Menasse geschrieben. Für „Die Hauptstadt“ bekam der österreichische Schriftsteller zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den Deutschen Buchpreis verliehen. Der Brüssel-Roman lässt Europa mit seinen Fliehkräften, Krisen und Erschütterungen anschaulich werden und macht die Zusammenhänge sichtbar, die sich hinter den Zerrbildern der vermeintlichen Brüsseler Gurkenkrümmungsbürokratie verbergen.
Foto kyodo
9 / 14
Nachdem die Schwedische Akademie, die den Literatur-Nobelpreis vergibt, im letzten Jahr in Bob Dylan vor allem ihre musikalische Sozialisation gefeiert hat, ist mit Kazuo Ishiguro ein ebenso lesbarer wie lesenswerter Autor mit der höchsten Auszeichnung der literarischen Welt geehrt worden. Er versöhnt in seinem Schreiben weit auseinander liegende Kontinente und Genres. In seiner Dankesrede erinnerte er daran, wie wichtig das Zuhören in Zeiten gefährlich zunehmender Spaltung sei. Seine sieben Romane sind eine Schule für die Kunst, sich in fremde Sichtweisen einzufühlen.
Foto Rowohlt e-BOOK
10 / 14
Das Schicksal der in der deutschen Kriegswirtschaft zu Tode geschundenen osteuropäischen Zwangsarbeiter blieb lange im Schatten der anderen monströsen Verbrechen der NS-Diktatur. Mit ihrem Roman „Sie kam aus Mariupol“ hat Natascha Wodin dieses Schweigen gebrochen. Sie erzählt die Geschichte ihrer Mutter. Und weil Wodin diesen Stoff nicht einfach nur aufgreift, sondern bis ins Herz durchdringt, schreibt sie deren Schicksal in die Weltliteratur ein. Wodin wird dafür mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Foto dpa
11 / 14
Auszeichnungen fliegen dem 45-Jährigen Jan Wagner nur so zu. 2017 hat er die wichtigste erhalten, die im literarischen Leben Deutschlands vergeben wird, den Büchner-Preis. Für die Lyrik ist das ein erfreuliches Signal, doch die Zugänglichkeit, die man an Wagner rühmt, hat auch ihren Preis. Ein großer Teil der aktuellen Lyrik blüht weiterhin in kleinen Auflagen nur im Schatten des zusehends einen Alleinvertretungsanspruch behauptenden Meisters der Morcheln, Maulbeeren und Mücken.
Foto APA
12 / 14
Einem neuen Buch von Peter Handke blickt man mit gemischten Gefühlen entgegen: der Furcht vor Verstiegenheit, aber auch der Hoffnung, über die polierten Absehbarkeiten literarischer Dutzendware erhoben zu werden und auf etwas zu stoßen, das auch im eigenen Leben Epoche machen würde, wie es bei manchen seiner literarischen Ausfahrten zuvor der Fall war. Sein als letztes Epos angekündigtes Buch „Die Obstdiebin“ mündet in ein Fest der Versöhnung, in dem die Dinge und die Zeichen wieder zusammenfinden wie Eltern und Kinder, Leiden und Glück. Und man kann nicht anders, als das als ein einziges großes Abenteuer zu empfinden, eingedenk aller Schrecken und Ungeheuerlichkeiten, die zu einem Epos gehören.
Foto Suhrkamp
13 / 14
Die Ferrante-Story geht weiter: Mit der „Geschichte eines neuen Namens“ und der „Geschichte der getrennten Wege“, dem zweiten und dritten Band der neapolitanischen Familien-Saga. Beide Titel zählten wieder zu den erfolgreichsten Büchern des Jahres. Trostloser wurde die einst gerühmte Schönheit der kampanischen Hauptstadt wohl selten entfaltet. Und doch findet man sich bereits nach wenigen Schritten unwiderruflich eingemeindet in dem Rione wieder, jenem dürftigen Viertel, dem die einander in äußerst ambivalenten Neigungen zugetanen Romanheldinnen Lila und Lenu seit ihrer Kindheit zu entkommen versuchen. Anfang Februar erscheint der letzte Band des Zyklus.
Foto dpa
14 / 14
Unter all den literarischen Verdopplern des Lebens ist Knausgard das Original. Mit dem letzten Band „Kämpfen“ liegt der Romanzyklus auf Deutsch vor, in dem der norwegische Schriftsteller seinen Alltag bloß legt. Der Titel drückt aus, was dem Leser bevorsteht. Davon sollte man sich nicht abhalten lassen. Während eine in sozialen Netzwerken gefangene und sich in Timelines ausstellende Generation danach trachtet, ihr Treiben gängigen Modellen anzuverwandeln, träumt Knausgards existenzielles Schreibprogramm davon, gerade die Zweifel, Anfechtbarkeiten und Schwächen zum Romanstoff zu gewinnen. Entstanden ist daraus ein großer, bewegender Bildungsroman unserer Tage.