Umfrage zum 1. FC Heidenheim „Ein Team, das um sein Leben rennt“
Der 1. FC Heidenheim steht auf dem Sprung in die Relegation zur Fußball-Bundesliga. Wir haben ehemalige Trainer und Spieler des Clubs zum Phänomen Heidenheim und die Chancen im Endspurt befragt.
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Foto dpa/Tom Weller
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Jubel pur beim 1. FC Heidenheim: Der Club von der Ostalb ist so nah dran am Bundesliga-Aufstieg wie noch nie.
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Florian Niederlechner (29 Jahre/2013 bis 2015 beim 1. FC Heidenheim, seit 2019 FC Augsburg): „Mei, die Zeit beim FCH war super prägend für mich. Frank Schmidt (Anm. d. Red.: Auf dem Foto links) hatte mich aus Unterhaching geholt und voll auf mich gesetzt. Ohne ihn wäre ich nicht Bundesligaspieler geworden. Bei ihm bin ich einige Male gegen den Pfosten gelaufen, er hat mich vor versammelter Mannschaft zusammengestaucht. Aber das alles hat mich entscheidend weitergebracht, der Aufstieg in die zweite Liga 2014 war ein Megaerlebnis. Wir hatten eine richtig geile Truppe mit klasse Typen wie Marc Schnatterer, Marcel Titsch-Rivero oder Rouven Sattelmaier. Der FCH ist schon ein besonderer Verein, das Motto Gerade raus und ehrlich wird zu 100 Prozent gelebt. Ich wünsche dem Verein natürlich den Sprung in die Relegation, doch am Sonntag wartet mit Arminia Bielefeld der mit Abstand beste Gegner der Liga. Zudem wird der HSV die Arminia heiß machen. Doch diese vielleicht einzigartige Chance muss Heidenheim nutzen. In der Relegation stehen die Chancen 50:50. Der Druck liegt ganz sicher beim Bundesliga-16. Ich hätte auf jeden Fall große Lust darauf, mit dem FC Augsburg nächsten Saison gegen Heidenheim zu spielen.“
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Michael Thurk (44, 2012 bis 2014 beim 1. FC Heidenheim, aktuell freigestellter Co-Trainer des FSV Mainz 05): „Ich bin 2012 vom FC Augsburg nach Heidenheim gekommen und habe dort 2014 mit dem Aufstieg in die zweite Liga meine Karriere beendet, nachdem ich zuvor im WFV-Pokal-Finale gegen die Stuttgarter Kickers einen Syndesmosebandriss erlitten hatte (Anm. d. Red.: Foto aus diesem Spiel im Zweikampf mit dem damaligen Kickers-Spieler Sandrino Braun/re.). Schon damals hat man gesehen, dass dieser Verein in der Region angenommen wird. Ich habe einen Riesenrespekt davor, was Frank Schmidt und Holger Sanwald geleistet haben. Jahr für Jahr wird der Business-Bereich im Stadion erweitert. Ich würde es mir natürlich wünschen, wenn es der FCH am Sonntag packt und die Relegationsspiele klarmacht. Doch Bielefeld wird nichts abschenken. Andererseits: Es soll sehr heiß werden und irgendwann wird die Mannschaft, für die es nur noch um die Ehre geht, einen Schritt weniger machen, als das Team, das um sein Leben rennt. In einem Spiel gegen den Bundesliga-16. hätte der FCH einen kleinen Vorteil, da er auf einer Erfolgswelle surft und wenig Rückschläge zu verzeichnen hat. Frank Schmidt wird sein Team heiß machen, er hasste es immer zu verlieren, selbst beim Tischtennis- oder beim Tischkickerspielen. Schafft er das Überding und steigt auf, wird ihm ein Denkmal gesetzt – und er wird garantiert Pläne schmieden, wie er das eine oder anderer Jahr dort oben bleibt. Und zwar mit Heidenheim: Ich glaube nicht, dass es ihn wegzieht.“
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Dieter Märkle (58/2005 bis 2007 Trainer des Heidenheimer SB, seit 2019 Leiter der Nachwuchsabteilung des SSV Ulm 1846, auf dem Foto neben Dinko Radojevic, heute Trainer des Landesligisten SV Ebersbach): „Ich hatte 2005 in Heidenheim das Traineramt von Marcus Sorg übernommen und habe – wenn auch unfreiwillig – im September 2007 den Weg für Frank Schmidt als Trainer freigemacht (Anm. d. Red.: lacht). Frank war damals neben Ralf Polzer mein Co-Trainer ich musste nach einer Niederlage gegen meinen ehemaligen und jetzigen Verein SSV Ulm 1846 gehen, was auch daran lag, dass ich zu jener Zeit die Ausbildung zum DFB-Fußball-Lehrer absolvierte. Frank kannte ich schon als Jugendspieler beim SSV Ulm 1846, dass er eine solch sensationelle Entwicklung als Trainer nehmen würde, war damals noch nicht abzusehen. Die Verantwortlichen in Heidenheim haben stets kühlen Kopf bewahrt und ganz beharrlich am Erfolg gearbeitet. Dafür allerhöchsten Respekt. Die Mannschaft hat sich nun mit einem Endspiel am Sonntag in Bielefeld belohnt. Die Ausgangsposition ist hervorragend, entscheidend wird sein, wie die Arminia das Spiel angeht. Ich vermute, die allerletzte Konsequenz wird fehlen. In den Spielen gegen den Bundesliga-16. wäre der FCH psychologisch klar im Vorteil, der Druck würde beim Gegner liegen. Ich habe eine ähnliche Erfolgsstory bis in die Bundesliga mit Ulm mitgemacht. So etwas muss man mitnehmen. Und ich bin sicher, der FCH würde die richtigen Maßnahmen ergreifen, nicht abzustürzen.“
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Helmut Dietterle (69/Ex-VfB-Profi, 2003/04 Trainer des Vorgängerclubs Heidenheimer SB, seit 2014 Trainer des Oberligisten SF Dorfmerkingen): „Ich kann mich noch genau erinnern, als ich im November 2003 als Nachfolger von Ralf Sporys beim damaligen Heidenheimer SB als Trainer einstieg und die Mannschaft 2004 über die Relegationsspiele gegen den Offenburger FV in die Oberliga führte. Verbandsliga-Meister wurde in dieser Saison übrigens Normannia Gmünd mit dem Trainer Alexander Zorniger. Frank Schmidt war damals mein Spieler. Ihn plagten immer wieder Knieprobleme, doch er hielt als Innenverteidiger oder Sechser den Laden zusammen. Er war damals schon zäh, akribisch, pflichtbewusst, mit Leib und Seele und unglaublich viel Herzblut dabei. In meinem Team standen damals auch Bernd Weng und Alexander Raaf, die heute noch im Trainerstab dabei sind. Das zeigt diese unglaubliche Kontinuität, die diesen Verein ausmacht. Wie viel Wert auf Identifikation gelegt wird, zeigen vor jeder Saison auch die zahlreichen Testspiele gegen Dorfclubs, die der Verein in der Region absolviert. Früher riskierte man auch einen Blick zu den Nachbarn VfR Aalen und SSV Ulm 1846 und zog die richtigen Schlüsse aus dem, was dort nicht optimal lief. Schritt für Schritt ging es voran, immer mit Augenmaß. Es wurde nicht nur in Spieler, sondern auch in die Infrastruktur investiert. Jetzt ist für den FCH alles möglich. Die Spannung ist riesig. Der HSV wird gegen den SV Sandhausen gewinnen, doch Heidenheim wird in Bielefeld konzentriert und konsequent seine Chance suchen. Genauso dann möglicherweise gegen den Bundesliga-16. Diese Rolle liegt dem FCH. Und eines steht fest: Auch bei einem Rückstand wird diese Heidenheimer Mannschaft nie aufgeben. Sie wird immer arbeiten, immer dran bleiben. So wie das Frank Schmidt schon als Spieler bei mir in jedem Training gemacht hat.“
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Erol Sabanov (46/2007 bis 2014 Torwart beim 1. FC Heidenheim, bis 30. Juni 2020 Torwart-Trainer des VfR Aalen): „Ich war ich bei den Aufstiegen 2008 in die Regionalliga, 2009 in die dritte Liga und 2014 in die zweite Liga die Nummer eins im Heidenheimer Kasten. Zudem durfte ich mit dem Verein viermal den WFV-Pokal gewinnen. Das macht mich extrem stolz, zumal für mich der Zweitliga-Aufstieg 2014 mit fast 40 Jahren ein grandioser Karriereausklang darstellte. Schon als ich kam, stand ein Fundament, die Vision des heutigen Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald, nach oben zu kommen, gab es bereits. Voll fokussiert haben er und Trainer Frank Schmidt die Ziele Schritt für Schritt anvisiert. Mit Demut, Bescheidenheit, Fleiß, ehrlicher und harter Arbeit sowie schlüssiger Personalpolitik. Auch in schwächeren Phasen hat keiner im Verein die Nerven verloren. Der FCH wird am Sonntag alles menschenmögliche reinwerfen, um zu gewinnen und dann ist auch die Bundesliga drin. Da hieße es dann: Einfach nur genießen und nicht verkrampfen.“