Robert Bosch hat 1912 Länderein im bayerischen Mooseurach gekauft. Sein Enkel Christof Bosch betreibt den Hof noch heute.
Mooseurach - Der Taxifahrer in Wolfratshausen stutzt. Mooseurach? Kennt er nicht. Das Navigationsgerät muss helfen. Die enge Straße schlängelt sich vorbei an idyllisch gelegenen Wiesen, Kühe weiden hier, weiter geht es durch Waldgebiet. Im Hintergrund zieht das Alpenpanorama vorbei. Es ist Natur pur. 20 Kilometer von dem bayrischen Städtchen entfernt, tauchen auf einer Anhöhe, einsam hinter Bäumen, Gebäude auf. Eine unauffällige Tafel mit seinem Konterfei weist auf den berühmten Mann hin, dem das Anwesen einmal gehört hat: Robert Bosch.
1912 hat der Gründer des weltgrößten Autozulieferers im Voralpenland Ländereien erworben; insgesamt waren es einmal 2400 Hektar, heute sind davon noch 1100 Hektar übrig, viel Wald ist dabei und Moore. Bosch hatte bäuerliche Vorfahren. Wenn er selbst hätte wählen können, wäre er Botaniker oder Zoologe geworden, hat er in seinen Erinnerungen geschrieben. Im Allgäu und im Voralpenland ging er zur Jagd.
Er konnte sich die Ländereien leisten. Sein Unternehmen in Stuttgart hatte damals bereits eine ansehnliche Größe: rund 25 Jahre nach der Gründung standen 4500 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste, weiß die Chronik. Es war die Zeit, als das Unternehmen den millionsten Magnetzünder ausgeliefert hatte. Und auch als Wohltäter war Bosch schon in Erscheinung getreten: 1910 hatte er der Technischen Hochschule Stuttgart eine Million Mark gestiftet.
Boschs modellierte Landwirtschaft
Robert Bosch war häufig in Mooseurach, das rund 50 Kilometer südlich von München liegt, längere Zeit hat er dort aber nicht gelebt. Sein Interesse an den Ländereien hatte durchaus einen wirtschaftlichen Hintergrund. Damals, in den 1920er und 1930er Jahren, wuchsen die Sorgen, ob ausreichend Nahrung für die wachsende Bevölkerung in Deutschland erzeugt werden können. Eine moderne Landwirtschaft könne dies leisten, wollte Bosch beweisen.
Er hat eine Modelllandwirtschaft aufgebaut, erzählt Christof Bosch, der die Interessen der Familie im Aufsichtsrat, der Stiftung und der Industrietreuhand vertritt. Robert Bosch hat die Silowirtschaft eingeführt, die er in Argentinien kennengelernt hatte. Er wollte das Moor trockenlegen. "Sein Musterbetrieb war innovativ", erzählt der Enkel - aber die meiste Zeit unrentabel. "Nur kurze Zeit und auch nur während der Kriegswirtschaft war der Hof wirtschaftlich erfolgreich." ,Die beste Kuh steht in Stuttgart' galt damals als geflügeltes Wort. Das lag auch am arbeitsintensiven Geschäft. In der Nachkriegszeit - Robert Bosch war schon tot - arbeiteten auf dem Hof 300 Leute.
Der Firmengründer wollte an den Ländereien nicht um jeden Preis festhalten. Seiner Familie hat er aufgegeben, den Hof nur weiterzuführen, wenn die Prüfung ergebe, dass dies wirtschaftlich möglich sei, ist im Testament nachzulesen, erzählt sein Enkel. Der Hof hat überlebt - dank Christof Bosch, der seit vielen Jahren zurückgezogen mit seiner Familie dort lebt.
Der Enkel, der 17 Jahre nach dem Tod des Großvaters geboren wurde, bewirtschaftet ihn gemeinsam mit einem Partner. "Meinem Großvater würde vor allem gefallen, dass wir heute wirtschaftlich immer mit einem kleinen Plus rauskommen", sagt der 52-Jährige mit ruhiger, sachlicher Stimme. Viel wurde verändert. Vier Mitarbeiter bewirtschaften heute die 200 Hektar. Gebäude, die landwirtschaftlich nicht mehr benötigt werden, wurden zu Künstlerateliers umgebaut - für Maler oder Bildhauer.
Alle Bosch-Kinder sind am Unternehmen interessiert
Die Landwirtschaft, das sind heute vor allem rund 80 Kühe. Melkstand oder Kühlraum sucht man vergebens. Die Milch verbrauchen ausschließlich die etwa 70 Kälber. Geld verdient wird über den Verkauf von Fleisch - und anderen Erzeugnissen, die dort angebaut werden, verkauft wird im Hofladen an einigen wenigen Tagen pro Monat. Auch am Bosch-Standort Abstatt wird gerade getestet, ob sich ein Fleischhandel lohnt. Dass sich der Hof rentiert, hat auch mit der EU zu tun. "Wir leben in einem durch die EU-Agrarpolitik bestimmten Markt. In dem können wir nicht überleben, ohne daran teilzunehmen," sagt Bosch. Er setze viele EU-Naturschutzprogramme um.
Für den promovierten Forstwirt, der in Gerlingen aufgewachsen ist, ist der Hof eine Wochenendbeschäftigung. Früher hat er selbst noch die Ärmel aufgekrempelt, heute besteht seine Hauptaufgabe darin, die Verbindung zwischen Unternehmen, Stiftung und der Familie aufrechtzuhalten. Die Familie - das sind acht Personen aus seiner Generation - also die Enkel des Gründers - sowie 20 Personen aus der vierten Generation. Zusammen halten die Erben sieben Prozent am Unternehmen und ebenso viele Stimmrechte.
Es sind die Nachkommen aus der zweiten Ehe von Robert Bosch mit Margarete Wörz; Kindeskinder aus der ersten Ehe sind nicht beteiligt. Alle seien interessiert am Unternehmen. "Wir sind in einem regen Austausch. Wir treffen uns regelmäßig um Fragen zu besprechen, die die Firma betreffen", sagt Bosch, der sich nicht gerne in den Vordergrund drängt. Vor kurzem hat sich die Familie in Nürnberg getroffen - und den Standort besichtigt.
In der Familie Bosch ist man sich einig
Der Familienrat trägt die Verantwortung für den Bosch-Anteil. Er besteht aus acht Personen, mehr sollen es auch nicht werden. Ziel sei, "die Stimmen und die Verantwortung in einem kleinen Kreis zusammenzuhalten", sagt Bosch - auch wenn die Zahl der Gesellschafter mit den nachfolgenden Generationen steigen wird. "Ich hoffe, dass auch in einer wachsenden Familie immer welche sein werden, die Interesse am Unternehmen haben und sich einarbeiten", sagt er.
Die Familie ist sich einig, was die Firma betrifft. Man spreche mit einer Stimme. Sollte dies in Zukunft nicht gelingen, wäre es zwar schade, sagt Bosch, für das Unternehmen wäre es aber nicht existenzgefährdend. Derzeit bestehe kein Anlass zur Sorge, dass der Zusammenhalt verloren gehen könnte. Auch die Kinder des Bosch-Enkels wachsen mit dem Unternehmen auf. In der Familie werde viel über die Werte des Gründers geredet.
Christof Bosch hat sich nicht immer so intensiv mit der Firma, wie sein Großvater sie nannte, beschäftigt. Zunächst wagte der promovierte Forstwirt den Sprung in die Selbstständigkeit. In Mooseurach gründete er ein Labor für Bodenschutz und Bodenökologie; mittlerweile ist es nach Herne/Westfalen umgezogen, dorthin, wo auch der Partner herkommt. Vereinfacht ausgedrückt, beschäftigt sich das Unternehmen mit der ökologischen Beurteilung von Baumaßnahmen.
Beispiel: eine Straße soll gebaut werden, über zwei alternative Trassenführungen wird diskutiert. Bei der einen würde ein Froschtümpel zerstört, bei der anderen die Landschaftsästhetik gemindert. Bosch & Partner bewertet die Alternativen unter ökologischen Gesichtspunkten, und gibt Politikern Handreichungen für eine Entscheidung.
Labor war nicht rentabel
Das Unternehmen konzentriert sich dabei auf Beratung und Forschung. Die Labortechnik hat man aufgegeben. "Wir hätten investieren müssen", begründet Bosch den Ausstieg. "Ich habe mich gefragt: kann ich ein Labor aufbauen, das erfolgreicher ist als das des Wettbewerbs". Die Antwort sei Nein gewesen.
Die Investitionen hätten sich nicht schnell genug amortisiert. Heute weiß er: "Wir hätten mit dem Labor im Wettbewerb nicht bestehen können." Sein Großvater hätte wohl nicht anders gehandelt. Christof Bosch ist heute "nur" noch Gesellschafter in dem Unternehmen, das seinen Namen trägt, operativ ist er nicht mehr tätig. "Die machen es viel besser, als ich das jemals gemacht habe", lobt er die Mitarbeiter. 25 Jahre nach der Gründung beschäftigt Bosch & Partner 20 Personen.