In wenigen Tagen ist es soweit, dann haben die meisten Abiturienten in Stuttgart ihr Zeugnis in der Tasche. Das muss gefeiert werden - und zwar pompös.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - In wenigen Tagen ist es soweit: Die meisten Abiturienten haben ihr Zeugnis bald in der Tasche. Das muss gefeiert werden, und zwar pompös. „Wir kommen alle pärchenweise rein und dann gibt es vier Standardtänze. Schließlich ist es ja ein Ball“, kündigt Theo Dassler an. Er ist der Mittelpunkt beim Abiball des Stuttgarter Mörike-Gymnasiums. Dassler hat nicht nur das Fest mit organisiert, er sorgt auch am Flügel mit einer eigens für den Anlass gegründeten Band für die Musik und führt als Moderator durch das Programm in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen. „Die ist nett und für alle gut zu erreichen“, sagt er. Aber trotz der Lage außerhalb sei sie nicht preisgünstig.

 

Zehn Abibälle sind im Cannstatter Kursaal

Mit der Suche nach der richtigen Location begannen bei den mehr als 19.000 Abiturienten im Regierungsbezirk Stuttgart die Vorbereitung für den gebührenden Abschluss – und zwar gut ein Jahr vorher. „Wir haben spät angefangen und feiern jetzt in der Stadthalle Nürtingen“, erzählt Lisa Tenbohlen, die das Paracelsus-Gymnasium in Plieningen besucht. „Wir müssen halt mit den Eltern dorthin fahren, denn sonst können wir ja nichts trinken“, sagt sie lachend. So machen es auch die Abiturienten aus Kirchheim/Teck und aus Korntal-Münchingen, denn sie haben für ihre Bälle jeweils die Carl-Benz-Arena gemietet. Hochbetrieb ist auch im Kursaal in Bad Cannstatt: „Zehn Abibälle sind bei uns“, zählt Bekim Pajazitaj auf, der mit Marco Grenz den Kursaal betreibt. Und es gebe schon jetzt Reservierungen für 2016.

In den USA ist es schon lange üblich, den Abschlussball am Ende der High-School-Jahre als großes Spektakel zu feiern. Auch hierzulande werden die Abibälle seit etwa zehn Jahren aufwendiger und teurer. Für eine vierköpfige Familie kommen mit Eintritt, Getränken und mit der Anschaffung der Festgarderobe mehrere hundert Euro zusammen. „Der Abiball ist zu einem größeren gesellschaftlichen Ereignis geworden“, kommentiert die Rektorin des Mörike-Gymnasiums Sonja Spohn. Das sei völlig in Ordnung, denn das Abitur sei ein Grund zum Feiern, findet sie. Aber sie ist immer glücklich, wenn die Schüler eigene Beiträge für das Programm bringen anstatt sich von Alleinunterhaltern bespaßen zu lassen.

Fixkosten in Höhe von 23.000 Euro

„Wir haben den Hegelsaal in der Liederhalle reserviert. Einer der Väter hat für uns den Vertrag unterschrieben“, berichtet Cosima von Stachelsky. Sie besucht das Mädchengymnasium St. Agnes und wird erst im kommenden Jahr über den Abituraufgaben schwitzen, wirbelt aber jetzt schon im Organisationskomitee für den Ball. Angesichts der bereits heute feststehenden Fixkosten für Halle und Catering von etwa 23 000 Euro für die 120 Abiturientinnen nebst Familienangehörigen wird ihr etwas schwindelig. „Wir verkaufen Kuchen, suchen nach Sponsoren und machen bei Schulveranstaltungen Fotoshootings, damit wir etwas Geld zusammenbekommen“, erzählt sie. „1000 Euro haben wir schon eingenommen.“ Auch Theo Dassler und sein Team versuchen zu sparen. „Der Fotograf macht einen Freundschaftspreis“, erzählt er. Die Gema-Gebühren hätten die Ausgaben aber in die Höhe getrieben. Jetzt ist das Komitee bei Unkosten von etwa 6000 Euro angekommen. Gedeckt werden sollen sie über den Eintrittspreis von 25 Euro – Lehrer zahlen zehn Euro weniger. Das Essen sei noch nicht drin. Das werde à la carte bestellt, erklärt Dassler.

„Ich warne die Schüler immer davor, ein finanzielles Risiko einzugehen“, sagt Martin Dupper, Leiter des Friedrich-Eugens-Gymnasiums (FEG), und Sonja Spohn gibt zu bedenken, dass durch das G8 die Schüler zum Teil noch gar nicht geschäftsfähig seien. Die 45 Abiturienten am FEG feiern wie die vorangegangenen Jahrgänge nach der Ausgabe der Zeugnisse traditionell auf dem Schulhof und in der neuen Sporthalle. „Seitdem wir die haben, kann auch getanzt werden. Ein DJ ist engagiert “, freut sich Dupper. Dennoch wird auch hier mit einem Fest-Budget von 7000 Euro kalkuliert.

Mittlerweile gibt es eine ganze Branche, die alles bereit hält für die Vorbereitungen eines Abiballs: von der Druckvorlage für die Eintrittskarten bis zu Vorschlägen für den Abi-scherz. Theo Dassler moderiert beim Ball immer noch das Programm, das seine Mitschüler selbst zusammengestellt haben: Diashows und Anekdoten aus den zurückliegenden Schuljahren. Außerdem werden sie in Anlehnung an die Verleihung des Oscars mehrere „Lehrer-Awards“ vergeben.