Grundschüler der Uhlandschule in Stuttgart-Rot gießen, setzen und züchten im schuleigenen Garten ihr selbst angebautes Gemüse. Wertschätzung für Lebensmittel und das Verständnis für die Kreisläufe der Natur sind die Ziele des Projekts.

Von der englischen Autorin und leidenschaftlichen Gärtnerin Vita Sackville-West (1892 – 1962) stammt der Satz: „Lass uns pflanzen und glücklich sein, denn im nächsten Herbst sind wir vielleicht alle ruiniert.“ Was auch immer Sackville-West, die den wunderschönen Garten von Sissinghurst in der Grafschaft Kent schuf, damit gemeint haben mag: Zeitgemäß ist diese Aussage allemal. Denn der menschliche Raubbau an Mutter Natur könnte bald dramatische Ausmaße angenommen und den blauen Planeten ruiniert haben. Deshalb gilt es keine Zeit zu verlieren und gegenzusteuern. Ein Garten genügt. Er kann für diejenigen, die ihn anlegen, beackern und pflegen, eine schöne, lehrreiche und inspirierende Erfahrung sein. Und früh übt sich, wer ein Meister darin werden will.

 

Furchen graben, Sämlinge setzen und kräftig gießen

Zurück zur Scholle heißt die Devise in Kitas und Schulen. Für die Grundschüler der Uhlandschule in Stuttgart-Rot ist der Weg zum selbst bewirtschafteten Garten und Acker jedenfalls nur ein paar Schritte vom Schulhaus entfernt. Kurz vor Ostern startete das neue Projekt der Lehranstalt an der Tapachstraße 4. Erst mal hieß es Furchen graben, Sämlinge setzen und kräftig gießen. In den Boden gebracht wurden von den etwa 15 Schülerinnen und Schülern aus den Klassenstufen eins bis vier ganz verschiedene Gemüsesorten: Karotten, Zwiebeln, Pastinaken, Kohlrabi, Mangold und Kartoffeln. Im Mai kommen dann noch Tomaten und Kürbisse dazu. Mit Hacken haben die Kinder Furchen in die Beete gezogen. Die mitgebrachten Setzlinge und vorgezogenen Pflanzen brachten sie in den Boden, damit sie schnell anwachsen. Die neunjährige Madiha und ihre Mitschülerin aus der dritten Klasse legten Knollen der Sorte „Odenwälder Blaue“, eine Speisekartoffel mit blauer Schale und hellgelbem Fleisch, in eine der Reihen. Dann häufelten sie Erde darauf.

Der Gemüseacker wird zum Lernort

In dem ganzjährig angelegten Bildungsprogramm „Gemüse-Ackerdemie“ des Vereins Acker e.V. bauen Schulkinder gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern sowie den pädagogischen Betreuern der Uhlandschule ihr eigenes Gemüse an und kümmern sich um das, was da wächst und gedeiht. Die ganze Saison über sollen die Schüler nun in wöchentlichen Ackerstunden ihre Setzlinge pflegen. Der Gemüseacker wird so zum Lernort, um auch mehr über gesunde Ernährung und ökologische Landwirtschaft zu erfahren: „Im Herbst machen wir dann ein Erntefest“, sagt Schülerhaus-Teamleiter Stefan Köhler. Vermutlich werde man dann auch in der Koch- und Back-AG der Uhlandschule das eine oder andere Gericht mit dem Gemüse aus dem eigenen Garten zaubern.

Finanziell unterstützt wird das Programm durch Sponsoren. Die Projektkoordination vor Ort lief über die Uhlandschule, die Caritas, das Schulverwaltungsamt und das Sozialunternehmen Acker. „In dem Gemeinschaftsprojekt geht es darum, die Kinder bei der Bestellung eines Ackers über fünf Jahre zu begleiten und zu unterstützen“, erklärt Köhler von der Caritas Stuttgart. Neben dem Teamleiter im Schülerhaus der Uhlandschule und weiteren pädagogischen Betreuern sind zu diesem ersten Pflanztermin Mitte April auch mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Verein Acker gekommen.

Bisher 110 000 Schülerinnen und Schüler erreicht

Das Sozialunternehmen mit Sitz in Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, schon Kindern in jungen Jahren die Wertschätzung für Lebensmittel und das Verständnis für die Kreisläufe der Natur beizubringen. Seit 2013 haben rund 110 000 Schüler in Deutschland, Österreich oder der Schweiz an dem Programm teilgenommen. „Bis 2030 wollen wir hierzulande jedes Kind erreichen. Durch das Programm soll jedes Kind die Möglichkeit bekommen, in der eigenen Kita oder Schule den gesamten Kreislauf des Anbaus von Lebensmitteln zu erleben“, sagt Theresia Reif. Die Regionalkoordinatorin von Acker e.V. für Baden-Württemberg Mitte betont, dass es inzwischen auch für Erwachsene solche Programme gebe. „Ackerpause“ heiße das Gardening-Konzept, das den Gemüseacker zu den Beschäftigten in die Unternehmen und kommunalen Behörden bringt.

Angebote wie Black Turtle sollen für Privatpersonen den Anbau von alten Gemüsesorten für Zuhause wieder attraktiver machen. „Wir bringen Gemüsebeete und gemeinsame Ernteerlebnisse direkt ins Arbeitsumfeld, ins Homeoffice oder in Quartiere und Nachbarschaften“, sagt Reif. Auch der Lehrernachwuchs an den Pädagogischen Hochschulen werde für das Thema sensibilisiert.

Weitere Informationen stehen unter: www.acker.co