Adidas leidet weiter massiv unter dem Ende der Kooperation mit dem Skandalrapper Kanye West. Millionen seiner Yeezy-Schuhe verstopfen die Lager des Unternehmens.
Es ist noch schlimmer geworden. Um keine Produktionsverträge zu verletzten, hat Adidas im Auftaktquartal 2023 weitere Schuhe aus der Yeezy-Kollektion des US-Skandalrappers Kanye West im Wert von 100 Millionen Euro fertigen lassen. Das gab der neue Firmenchef Björn Gulden zur Vorlage eines Zwischenberichts bekannt. Millionen Paar Yeezy-Schuhe im Produktionswert von einer halben Milliarde Euro liegen auf Lager und noch immer weiß Adidas nicht, was damit geschehen soll. „Die Zahl der Optionen hat sich verringert, aber wir geben keine Wasserstandsmeldung bekannt, sondern erst die endgültige Lösung“, beharrte Gulden trotz Nachfragen. Die Schuhe zu vernichten, sei noch eine Möglichkeit, aber eine, die Adidas verhindern wolle.
Klage von US-Investoren im Zuge des Yeezy-Debakels
Der fränkische Sportartikelhersteller hatte vorigen Oktober die Zusammenarbeit mit dem dem sich mittlerweile Ye nennenden Prominenten beendet, nachdem dieser mehrmals mit antisemitischen Äußerungen für einen Aufschrei der Empörung gesorgt hatte. Gefahrenpotenzial noch unbekannter Dimension für Adidas birgt zudem eine jüngste Klage von US-Investoren im Zuge des Yeezy-Debakels. Sie richtet sich gegen das Unternehmen und Topmanager. Der Konzern habe seit Jahren vom skandalösen Verhalten des Rappers gewusst, die Kooperation aber erst vergangenen Herbst beendet und dabei keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um finanzielle Folgen in Grenzen zu halten.
Anleger laufen inzwischen Sturm gegen das Yeezy-Debakel
Adidas halte die Klage für unberechtigt und habe keine Rückstellungen getroffen, meinte Finanzchef Harm Ohlmeyer kurz angebunden. „Es ist keine gute Situation, dass ich selbst dort benannt werde“, räumte der Manager ein. Die Sammelklage, in der keine Schadenersatzsummen genannt werden, richtet sich zudem gegen den inzwischen ausgeschiedene früheren Adidas-Chef Kasper Rorsted. Klagen vor US-Gerichten gelten in ihrem Ausgang als sehr unwägbar, wovon viele deutsche Konzerne wie zuletzt die Allianz ein Lied singen können. Sie musste Milliarden Euro an geprellte Anleger zahlen.
Auch in Deutschland laufen Anleger inzwischen Sturm gegen das Yeezy-Debakel, wenn auch bislang nicht geklagt wird. Wäre es keine digitale Veranstaltung im Internet, hätte die Marke mit den drei Streifen kommende Woche wohl eine sehr turbulente Hauptversammlung zu erwarten. „Adidas hat in großem Umfang Aktionärskapital vernichtet“, kritisiert vorab bereits Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment. Anleger stünden vor einem Trümmerhaufen, der sich nicht so schnell aufräumen lasse. Hauptschuldiger sei Kasper Rorsted, aber auch der Aufsichtsrat trage große Mitverantwortung und hätte früher eingreifen müssen. Damit argumentiert Speich ähnlich wie die US-Kläger.
Vorstandschef Gulden sieht Licht am Ende des Tunnels
Alle Hoffnung ruht nun auf dem neuen Adidas-Chef Gulden, der vom fränkischen Lokalrivalen Puma abgeworben wurde. Handauflegen kann aber auch der nicht. „2023 wird ein holpriges Übergangsjahr mit enttäuschenden Zahlen“, stellt er klar. Denn das Yeezy-Debakel ist nicht die einzige Baustelle der Herzogenauracher. Auch am wichtigen chinesischen Markt laufen die Geschäfte schlecht. Im Auftaktquartal 2023 gingen die Umsätze dort nochmal um fast ein Zehntel zurück.
Dort sieht Gulden aber nun Licht am Ende des Tunnels. Erstmals werde in China aktuell wieder mehr Adidas-Ware abverkauft, als nachgeliefert werde, was Lagerbestände schrumpfen und Preisspielräume steigen lasse. „Ich bin optimistisch, dass die Ampel dort von Rot auf Grün umschaltet“, meint Gulden. Adidas war in China wie andere westliche Marken Opfer eines staatlich orchestrierten Käuferboykotts geworden, nachdem diese sich geweigert hatten, bei ihrer Produktion Baumwolle aus uigurischer Zwangsarbeit zu verwenden.
Bei Vernichtung der Schuhe droht eine halbe Milliarde Euro Abschreibungen
Nicht rund läuft es für die Marke mit den drei Streifen zudem am weltgrößten Sportartikelmarkt USA. Auch dort quellen Läger über. Ware muss mit hohen Rabatten verschleudert werden. Nimmt man alles zusammen, ist Adidas im ersten Quartal 2023 nach Steuern mit 30 Millionen Euro in die Verlustzone gerutscht. Vor Jahresfrist standen zu dem Zeitpunkt noch eine halbe Milliarde Euro Gewinn zu Buche. Die Umsätze stagnierten von Januar bis März weltweit bei 5,3 Milliarden Euro.
Weil zu Endverbraucherpreisen dieses Jahr ein Milliardenumsatz mit Yeezy-Schuhen ausfällt, bei deren Vernichtung zusätzlich eine halbe Milliarde Euro Abschreibungen drohen und weitere 200 Millionen Euro Sanierungskosten anfallen könnten, ist im schlimmsten Fall ein Jahresverlust von 700 Millionen Euro möglich, warnt Gulden vor. Das enttäuschende Zahlen zu nennen, wäre noch freundlich ausgedrückt.