Es war ein Wirtschaftsprofessor, der die AfD mal gründete. Doch ein Programm in der Partei zeigt: Was die AfD vorhat, würde den deutschen Wohlstand gefährden.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Am Anfang war die Angst. Es war die Sorge um die deutsche Wirtschaft, die den Ökonomieprofessor Bernd Lucke dazu brachte, im Februar 2013 eine neue Partei zu gründen: die AfD. Die Gründungsmitglieder der Partei verband zum Teil nicht viel miteinander, außer dieses eine: Sie alle hielten die Eurorettung für einen fatalen Fehler. Und sie fürchteten die Folgen.

 

Zehn Jahre später ist aus dieser Zeit wenig geblieben. Aus der eurokritischen AfD ist eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei gewachsen. Ihr Gründer Bernd Lucke ist längst nicht mehr dabei. Trotzdem scheinen manche zu glauben, die AfD könne die deutsche Wirtschaft ankurbeln, den Wohlstand sichern. Dabei warnten Unternehmen und Industrieverbände erst kürzlich vor der Partei. Ein Blick in das Programm der AfD zeigt: Ihre Vorhaben würden der Wirtschaft stark schaden.

„Vieles noch schlimmer machen“

Andreas Haufler ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor am Seminar für Wirtschaftspolitik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Ich konnte in dem Programm der AfD nichts entdecken, was gut für die deutsche Wirtschaft wäre“, sagt Haufler im Gespräch mit unserer Redaktion. „Im Gegenteil sogar: Was die AfD vorhat, würde vieles noch schlimmer machen.“

Eines der drängendsten Probleme ist der Fachkräftemangel. Laut der Bundesagentur für Arbeit bräuchte Deutschland jährlich eine Zuwanderung von 400 000 Fachkräften. Die AfD allerdings ist gegen diese Lösung. „Die Versorgung unseres Landes mit qualifizierten Arbeitskräften muss in erster Linie über die vollständige Erschließung der einheimischen Potenziale erfolgen“, steht in dem Grundsatzprogramm, das die Partei 2016 beschlossen hat. Gesteuerte Einwanderung aus Drittstaaten sei kein Weg, die demografische Krise zu lösen.

Schädliche Abschottungspolitik

Doch das kann nicht funktionieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Haufler betont, dass sich der Fachkräftemangel allein mit der deutschen Bevölkerung nicht bekämpfen lässt: „Das geht nur mit Zuwanderung. Die Abschottungspolitik der AfD wird uns nicht weiterbringen, sondern das Problem nur verschärfen.“

Noch etwas sieht der Wirtschaftswissenschaftler kritisch. „Die AfD ist noch immer eine eurofeindliche Partei“, sagt Haufler. Geht es nach der AfD, müsste der Euro abgeschafft werden. „Das hätte aber weitreichende Konsequenzen“, so Haufler. Und das, da ist sich Haufler sicher, würde großes Chaos auslösen.

Man müsste zum Beispiel wieder Marktwechselkurse zwischen den Ländern einführen. „Aber es gibt nach zwei Jahrzehnten gemeinsamer Währung keine Anhaltspunkte mehr, wo diese liegen sollten.“

Unrealistisches Rentenprogramm

Skeptisch schaut Haufler auch auf das, was die AfD zur Rente vorschlägt. Das klingt erst mal attraktiv. Die Partei will es Arbeitnehmern ermöglichen, früher in Rente zu gehen. Außerdem verspricht sie, das Alterseinkommen zu erhöhen. Doch wie das finanziert werden soll, erklärt die AfD nicht.

„Dann müssten entweder die Rentenbeiträge oder die Zuschüsse zur Rentenversicherung aus Steuermitteln steigen“, sagt der Wirtschaftsprofessor Haufler. Doch schon jetzt ist der Zuschuss der größte Einzelposten im Bundeshaushalt, die Rentenbeiträge wiederum liegen bereits jetzt sehr hoch – bei insgesamt 20 Prozent, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer untereinander teilen. Die zu erhöhen, würde sich negativ auf die Gehälter auswirken.

Bei Subventionen kommt es auf Einzelfall an

Außerdem will die AfD staatliche Subventionen reduzieren. Das würde dem Staat zwar etwas Geld sparen, allerdings nicht reichen, um die anderen Kosten – wie zum Beispiel das Rentenprogramm – auszugleichen. „Staatliche Subventionen zu reduzieren, halte ich als Volkswirt zwar grundsätzlich für eine gute Idee“, sagt Haufler. „Aber man muss sich jeden Einzelfall anschauen.“ Die Subventionen für den Halbleiterhersteller Intel in Magdeburg findet er zum Beispiel sinnvoll – um Deutschland unabhängiger zu machen und den Standort Ostdeutschland zu fördern.

Auch die deutsche Landwirtschaft erhält Subventionen von der EU. Auf die könnte man nur schwer verzichten, betont Haufler: „Wenn die wegfallen, dann würden viele Betriebe hier pleitegehen. Das würde nicht gut ausgehen für die meisten deutschen Landwirte.“ Überleben könnten wohl nur Großbetriebe.

„Starke Wachstumsprobleme“

Wie würde sich das alles auf das deutsche Wachstum auswirken? Auf eine konkrete Zahl will sich Haufler nicht festlegen. Aber er sagt: „Wenn wir das alles zusammenrechnen, hätten wir sicher starke Wachstumsprobleme – viel stärker als jetzt.“ Und er betont: „Wir würden unseren Wohlstand gefährden.“

Sorgen äußern auch diejenigen, die für die deutsche Wirtschaft ebenfalls wichtig sind: die deutschen Startup-Unternehmer. Christian Miele, Vorstandsvorsitzender des Startup-Verbands, sagte unserer Redaktion: „Die AfD ist aus Startup-Sicht nur eines: schädlich für den Technologie-Standort Deutschland.“ Er betonte: „Innovationen brauchen eine offene und plurale Gesellschaft. Internationalität und Einwanderung sind für das Startup-Ökosystem von zentraler Bedeutung.“

Miele wies darauf hin, dass Deutschland als Gründungsstandort auf Zuwanderung angewiesen sei: „Startups brauchen ausländische Fachkräfte – und die müssen sich in Deutschland auch willkommen fühlen. Deshalb ist eine echte Willkommenskultur so wichtig.“