Kopulierende Affen, turbulente Spielszenen oder ein Film über Nahrung: zwischen diesen Streifen können die Bonobos im Menschenaffenhaus der Wilhelma bei einem neuen Forschungsprojekt wählen. Die amerikanische Anthroposophin Amy Randall Parish beobachtet sie dabei.

Stuttgart - Zwei Wochen hat es gedauert, dann war der 2005 in der Wilhelma geborenen Bonobo-Dame Banbo klar, wie sie den Fernseher im Menschenaffenhaus einschalten kann. Aufmerksam hatte die junge Mutter zuvor verfolgt, wie es der amerikanischen Primatologin und Anthropologin Amy Randall Parish gelingt, bewegte Bilder auf die Mattscheibe des Kastens zu zaubern, der im Gehege der Bonobo-Gruppe eingebaut ist. Die Tiere können das Gerät selbstbestimmt nutzen.

 

„Es war nicht leicht, den Bonobos zu zeigen, wie der Fernseher angeschaltet wird“, sagt die aus San Diego stammende Wissenschaftlerin Parish. Wieder und wieder habe sie es Banbo und ihren Mitbewohnern auf dem Bildschirm ihres Laptops vorgeführt, doch das Interesse, sie nachzuahmen, sei zunächst verhalten gewesen. Vergangene Woche hatte dann Banbo als erste den Dreh raus und schaltete den Flimmerkasten an. Seither läuft der Fernseher immer wieder.

Beim Pressetermin hält sich die Lust aufs Fernsehen in Grenzen

„Anders als wir, die den Zeigefinger dafür benutzen, drückt sie aber mit dem Daumen auf den Knopf, um einen Film zu starten“, erklärt Parish im Menschenaffenhaus. Sie hofft dabei, dass die begabte Affendame beim Pressetermin vor Fotografenschar demonstriert, was sie gelernt hat. Parish hat die Rechnung aber ohne Banbo gemacht. Der Bildschirm bleibt dunkel. Selbst das Bemühen von Tierpflegerin Christin Zelter bleibt ohne Erfolg. Zwar schleicht Banbo um den Bildschirm herum, drückt aber keinen der fünf Knöpfe, der sich an dem aus Edelstahl gefertigten Gerät befindet. Nur ein Wilhelma-Logo wandert über den Bildschirm.

Ein Jahr lang haben die stellvertretende Wilhelma-Direktorin Marianne Holtkötter und Amy Parish das Projekt vorbereitet. Zunächst bis zum Frühjahr kommenden Jahres wird beobachtet, ob die Menschenaffen voneinander lernen, wie man den Apparat einschaltet und wie es ihnen gelingt, die aktuell fünf eingespeisten Filme gezielt abzurufen.

Die Tiere können zwischen verschiedenen Programmen wählen

Gespannt sind Holtkötter und Parish aber nicht nur, wie die Bonobos die Technik bedienen. Sie wollen auch herausfinden, ob sich die Tiere bewusst für den einen oder anderen Film entscheiden, den sie individuell per Knopfdruck starten können. Außerdem sollen ihre Emotionen beim Fernsehen erforscht werden. In einem der Filme sind kopulierende Affen zu sehen, nicht zuletzt die 1966 geborenen und noch als Wildfang in die Wilhelma gekommene Affendame Kombote, die an der Spitze der Gruppe steht. Ein weiterer Streifen ist von turbulenten Spielszenen geprägt, ein anderer konfrontiert die Affen mit dem Thema Aggression. Im vierten Film dreht sich alles um Nahrung, im fünften sehen die Wilhelma-Bewohner Artgenossen in freier Wildbahn. „Vielleicht“, so mutmaßt Parish, „interessieren sich die Bonobos ja nur wenig für das Thema Sex im Film, weil sie diesen oft selbst haben.“

Affendame Nayembi jedenfalls ist wie ihre gleich alte Freundin Banbo kaum neugierig, als der vom Personal gestartete Film mit den sich paarenden Affen läuft. Interessanter ist das Popcorn, das Pflegerin Christin Zelter im Gehege verteilt hat. Drei der Bonobos haben es sich inzwischen in den Seilen und auf den Balken bequem gemacht und verfolgen mehr oder weniger aufmerksam das Geschehen.

Erste Ergebnisse werden nächstes Jahr erwartet

Fernsehen für Affen, so erklärt Parish, ist nicht Neues. Auch in anderen Tierparks gebe es Filmangebote für Affen. „Nirgendwo können die Tiere aber wie hier umschalten“, erklärt die Primatologin, die auch sicher ist: „Fernsehen ist für die Affen auch ein Stück Zeitvertreib.“ Parish will über die Studie mehr über die Intelligenz der Tiere lernen „und über die Dynamik in der Gruppe, wie Wissen vermittelt wird“, sagt sie. Dafür werden die Bonobos bei ihren Aktionen gefilmt, Parish wertet die Aufzeichnungen dann aus. Ein erstes Ergebnis ihrer Studie will Amy Parish nächstes Jahr präsentieren. Im März will sie wieder aus San Diego anreisen. Bis dahin sollen möglicherweise auch bereits andere Filme zur Auswahl stehen. Schließlich sollen die Bonobos den Spaß am Fernsehen nicht verlieren.

Von der Redaktion geändert am 26. November 2013 um 17:09 Uhr. In einer früheren Version des Textes war im ersten Absatz von Amy Randall Parish als Antroposophin die Rede, richtig ist Anthropologin.