In einem Brandbrief bitten 40 bis 50 afghanische Helfer der Bundeswehr im afghanischen Masar-i-Scharif die deutschen Behörden, sie nicht im Stich zu lassen mit den Problemen. Wer nach Deutschland kommen darf, wird mitunter wie alle Flüchtlinge behandelt.
Stuttgart - Der Brandbrief von Anfang September ist drei dicht beschriebene Seiten lang. Er ist gerichtet an die deutschen Behörden und an Bundestagsabgeordnete. Absender sind etwa 40 bis 50 afghanische Helfer aus dem Camp Marmal in Masar-i-Scharif, die aus Angst vor Nachteilen aber nicht namentlich unterschrieben haben. „Es wird immer mehr schlimmer von Tag zu Tag“, skizzieren sie in holprigem Deutsch und dennoch eindringlich ihre Lage. „Die am meisten gefährdeten Menschen sind Übersetzer, die mit Isaf (der Schutztruppe) arbeiten und die Menschen, die in ihr Land dienen wollen.“
In der Gesellschaft sei das Urteil verbreitet, dass die lokalen Helfer jetzt Ungläubige seien. Dies löse Gewaltakte gegen sie aus. Erinnert wird an die Ermordung des früheren Übersetzers für die Bundeswehr, Jawad Wafa, vor einem Jahr in Kundus und an den Angriff auf die Dolmetscherin Yelda Farangis im August nahe Camp Marmal. Zudem schwinde die Chance auf Weiterbeschäftigung durch öffentliche oder private Betriebe. „Wir bitten die deutsche Regierung und alle anderen Isaf-Mitgliedsstaaten: Lassen (Sie) uns nicht allein kämpfen“, heißt es.
Pro Asyl kritisiert den Umgang mit den Ortskräften
Den Vorwurf, die afghanischen Helfer sich selbst zu überlassen, weist die Bundesregierung zurück. Immer mehr sogenannte Gefährdungsanzeigen und Einreisegesuche werden akzeptiert. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bleibt bei ihrer Kritik am Umgang mit den Ortskräften: „Das Verfahren ist überhaupt nicht rechtsstaatlich und völlig intransparent“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Es produziere Ergebnisse, bei denen niemand verstehe, wie in zwei identischen Fällen unterschiedlich entschieden worden sei, ohne dass der Bescheid einklagbar sei. Den Betroffenen, die als nicht gefährdet eingestuft werden, würden nicht einmal Gründe genannt. „Mich empört immer mehr, dass man sich weiterhin in dieser Grauzone bewegt.“
Er würde sich wünschen, so Mesovic, dass die Bundeswehr mit ihren Sozialwerken oder Kameradschaften „die Debatte positiv begleitet“. Stattdessen habe er den Eindruck, „dass engagierte Einzelpersonen behindert werden“. Das Thema werde vom Verteidigungsministerium eher versteckt, so als sei es ein Makel, dass da Afghanen mitkommen wollen.
Allzu kleine Gruppe im großen Flüchtlingsstrom
Wer es dennoch schafft und eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, kann sich in Deutschland im Prinzip frei bewegen und einen Job suchen. Wer keinen Anlaufpunkt bei Verwandten oder Bekannten nennt, wird nach Bedarf zugewiesen. So geraten die Afghanen nicht selten in den großen Flüchtlingsstrom. In Unkenntnis der tatsächlichen Rechte behandeln die lokalen Ausländerbehörden die früheren Bundeswehr-Mitstreiter wie andere Asylsuchende. Niemand kümmert sich gesondert um sie. „Bei der aktuellen Zahl von Asylsuchenden ist diese ohnehin schon kleine Gruppe noch marginaler“, sagt Mesovic. Zuweilen würden die Afghanen gar nicht wahrgenommen. Dies sei aber von Ort zu Ort unterschiedlich – stellenweise funktioniere es. Die entsprechende Kritik würde er „nicht zu hoch hängen“.