Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt stellt weitere Klagen zur Haushaltspolitik in Aussicht – und widerspricht einem Wirtschaftsexperten.

Über die gesamten 60 Minuten der ARD-Talkrunde von Anne Will am Sonntagabend zum Thema „Ampel im Milliardenloch – zerbricht die Regierung daran?“ hat Alexander Dobrindt, der Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sich quasi festgebissen in seinen Vorwürfen gegen die Bundesregierung nach der Urteilsschlappe in Karlsruhe, wo die Verfassungsrichter den Nachtragshaushalt von 2021 kassierten. Und Dobrindts andauernde Philippika sorgte mehrfach für solche Emotionen, dass mitunter bis zu drei Studiogästen gleichzeitig parlierten, ohne dass Anne Will die Lage beruhigen konnte.

 

Ein Sack mit Schulden in Lindners Keller

Die Regierung habe versucht, sich widerrechtlich Geld anzueignen mit der Verschiebung von den 60 Corona-Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds, so Dobrindt, sie habe der Öffentlichkeit „etwas Falsches vorgemacht“. „Sie haben einen Betrug vorbereitet, einen Betrug an der Schuldenbremse, das war ein Taschenspielertrick“, warf der ehemalige Verkehrsminister den Vertretern der Koalition im Studio, der Grünen-Vertreterin Katrin Göring-Eckardt und dem parlamentarischen Geschäftsführer der FDP, Jochen Vogel, vor. Das Urteil bedeute eine „Kernschmelze des Koalitionsvertrages“, meinte Dobrindt, die Ampel habe Schulden in die Vergangenheit gebucht und jetzt sei da „ein Sack voller Schulden im Keller des Finanzministers“. Es sei einmalig, einen verfassungswidrigen Haushalt zu haben.

Dem FDP-Mann wird es zu bunt

Irgendwann wurde es dem Liberalen Vogel da zu bunt, er hatte schon früh daraufhin gewiesen, dass auch CDU-regierte Länder wie Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mal Umbuchungen vorgenommen hätten, etwas von einem Ukraine-Fonds in Mittel für die Energieeffizienz von Krankenhäusern und auch die vorherige Bundesregierung habe mal 26 Milliarden Euro an Corona-Geldern umgebucht. Vogel zog dann die Notbremse: „Herr Kollege Alexander Dobrindt“, hob er an, „in Bayern ist die einzige Landesregierung, die wegen massiver Freiheitseinschränkungen während der Corona-Pandemie ein negatives Urteil seines Landesverfassungsgericht kassiert hat. Wir sollten bei Gerichtsurteilen besser gemeinsame Demut aufzeigen.“ Dobrindt erkannte – wohl zu Recht – in dieser Wortmeldung einen typischen Fall von „Whataboutism“ und fragte ungläubig zurück: „Das ist doch jetzt ein Ausweichvorgang. Was hat denn das mit dem Klimafonds zu tun?“ Was die Umbuchungen in den Ländern anbelange, die seien nie zurück in die Vergangenheit getätigt worden, die ständige Wiederholung von falschen Behauptungen sei „eine Lüge“.

Dobrindt spricht von „Heizungsverbotsgesetz“

Wie es nun aber weitergehen soll, da hatte Dobrindt auch eigene Vorstellungen: Die Ampel müsse drastisch an die Ausgaben ran, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen, aber sie tue genau das Gegenteil, sie habe im neuen Etat „nochmal 15 Milliarden drauf gepackt“, stattdessen könne sie beispielsweise „das Heizungsverbotsgesetz“ abschaffen, das koste Milliarden, belaste und schikaniere die Bürger und bringe nichts fürs Klima. Und Dobrindt drohte: „Wenn da am Ende der jetzigen Etatberatungen wieder ein verfassungswidriger Haushalt entsteht, werden wir wieder klagen.“ Dass die Union auch eine Klage gegen den 200 Milliarden schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Ampel prüft, das hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bereits öffentlich angekündigt, und Melanie Amann, Leiterin des Hauptstadtbüros des „Spiegels“, bemerkte hierzu: „Da dräut noch etwas Größeres.“ Schon das jüngste Urteil aus Karlsruhe sei „ein Schock“ für die Ampel gewesen. Amann war neben Göring-Eckardt im übrigen die einzige im Studio, die zumindest in Nebensätzen eine „reformierte Schuldenbremse“ in Erwägung zog. Ihre möglich Aussetzung wurde in der Sendung überhaupt nicht thematisiert, denn kurioserweise hatte Anne Will keinen Vertreter der SPD eingeladen, immerhin die Kanzlerpartei, aus deren Reihen entsprechende Forderungen kommen.

In fiskalpolitischer Schönheit sterben?

Dobrindt und der FDP-Mann Vogel waren sich einig, dass das Gerichtsurteil die Schuldenbremse noch gestärkt und gehärtet habe, aber Amann warf ein, ob man wirklich in „fiskalpolitischer Schönheit sterben“ wolle, wenn Länder wie die USA oder China ihre Investitionen staatlicherseits ankurbelten, damit ihre Volkswirtschaften wettbewerbsfähig bleiben. Auch für Göring-Eckardt, die sich, um Geld zu sparen für die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und eine Kerosinsteuer aussprach, war das der entscheidende Punkt: Man müsse doch jetzt sehen, wie gehe es weiter „mit der Industrie und der Wirtschaft in Deutschland“. Es sei eine Bürgerpflicht, sich diese Frage zu stellen und sie appelliere an die Union, da mit der Ampel aus „staatspolitischer Verantwortung heraus“ an einem Strang zu ziehen, im übrigen gebe es noch ein zweites Verfassungsgerichtsurteil, dass zur Einhaltung der Klimaziele durch die Bundesrepublik.

Ein Sondervermögen wie für die Bundeswehr

Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftsexperte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts in München. Er sprach sich für weniger Subventionen aber eine höhere CO2-Bepreisung aus und hielt das Stopfen der aktuellen Finanzlöcher für bewältigbar, so könnten Gelder für die Infrastruktur der Bahn beispielsweise über Kapitalbildung geschaffen werden. Alles in allem aber plädierte Fuest für die Schaffung eines neuen Sondervermögens ähnlich wie beim 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, und das geht nur mit Hilfe der Opposition. Fuest: „Die Union wird unter Druck geraten, sich daran zu beteiligen.“ Es sei nun mal so, dass wichtige Investitionen – beispielsweise für die Digitalisierung und die Investitionen im Krankenhaussektor – aus dem öffentlichen Sektor kommen müssten. Alexander Dobrindt aber sah das gar nicht so mit der staatspolitischen Mitverantwortung, die Union sei nicht dafür da, „die Probleme der Ampel zu lösen“. „Eine Aufweichung der Schuldenbremse machen wir nicht mit.“ Und auch ein neues Sondervermögen sei für die Union „mit dieser Ampel“ nicht machbar.

„Ampel ist innerlich morsch“

Aber zerbricht die Ampel nun am neuen Finanzloch? Zum Schluss durfte Melanie Amann auf die Eingangsfrage antworten. Sie hatte schon zuvor darauf hingewiesen, dass die Ampel selbst bei strittigen „Nebensächlichkeiten“ – Themen wie der Monatsverlängerung für Atomkraftwerke oder chinesischen Investitionen im Hamburger Hafen – den Krisenfall ausgerufen habe. Eigentlich sei die Ampel innerlich längst „morsch“ diagnostizierte die Journalistin. Es sei nur keiner gewillt, vom Tisch aufzustehen.