Nach dem Tod des russischen Oppositionsführers wurde seiner Mutter und den Anwälten lange der Zugriff zu dem Leichnam verwehrt. Nun hat die Mutter des in Haft gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny hat dessen Leiche von den Behörden erhalten. Auch seine Frau hat sich offiziell zum Tod ihres Mannes geäußert. 

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Nach dem Tod des Kreml-Gegners Alexej Nawalny, hat seine Mutter nun Zugang zur Leiche von den Behörden erhalten. Das teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag bei X (vormals Twitter) mit. Angehörige und Unterstützer des Oppositionellen hatten die russische Führung seit Tagen zur Herausgabe des Toten aufgefordert, um ihn menschenwürdig beerdigen zu können.Nach offiziellen Angaben war der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin am Freitag im Straflager gestorben.

 

Team wirft Behörden Verzögerungstaktik vor

Die Todesursache sei immer noch „nicht festgestellt“. Nawalnys Team macht Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich und wirft den Behörden Verzögerungstaktik vor.

Die Witwe des russischen Oppositionsführers, Julia Nawalnaja, hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz kurz nach dem Tod einen viel beachteten Auftritt hingelegt. Am Montag war sie zum EU-Außenministertreffen in Brüssel eingeladen. Sie hatte am Vorabend erstmals seit dem Tod ihres Mannes im sozialen Netzwerk Instagram einen Beitrag abgesetzt – ein Foto, auf dem Nawalny sie liebkoste und mit den Worten: „Ich liebe dich“. Tausende Menschen sprachen in Kommentaren Julia Nawalnaja Mut zu und wünschten ihr Kraft. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.

Alexej Nawalny und seine Frau Julija heirateten im Jahr 2000, dem Jahr, in dem Putin russischer Präsident wurde. Kennengelernt hatten sich die gebürtigen Russen 1998 im Urlaub in der Türkei. Die Tochter des Paares, Daria Nawalnaja, kam 2001 zur Welt, der Sohn Zahar Nawalny 2008. Auch Nawalnys Tochter hat sich in der Vergangenheit in sozialen Medien und auf politischen Bühnen immer wieder kritisch zur Inhaftierung ihres Vaters geäußert und zuletzt dessen Freilassung gefordert.

Expertin: „Sie wird zu einer politischen Persönlichkeit“

Nachdem Nawalny im August 2020 in Sibirien mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde und ins Koma fiel, kämpfte Julia Nawalnaja tagelang darum, dass ihr Mann in Deutschland statt in Russland behandelt wird. Tagelang weigerten sich die russischen Ärzte, doch schließlich gelang es, Nawalny nach Berlin auszufliegen. „In jedem Augenblick habe ich gedacht, ‚ich muss ihn hier rausholen’“, berichtete Nawalnaja später.

Fünf Monate später zeigte sie erneut Stärke, als das Paar nach Moskau zurückkehrte – wohl wissend, dass die Reise im Gefängnis enden würde. „Kellner, bringen Sie uns Wodka, wir gehen nach Hause“, sagte Nawalnaja während des Fluges und zitierte damit eine Zeile aus einem russischen Kult-Film. Nach der Landung, an der Passkontrolle, wurde das Paar getrennt und sah sich danach nicht mehr in Freiheit wieder. Eine Menschenmenge empfing Nawalnaja damals vor dem Flughafen mit „Julia!“-Rufen.

Nach dem Tod von Alexej Nawalny fragen sich viele, wer außer Julia Nawalnaja die durch zahllose Festnahmen dezimierte oder ins Exil getriebene russische Opposition als Führungsfigur hinter sich vereinen könnte. Wo sie sich dauerhaft aufhält oder lebt, darüber ist nicht viel bekannt. Allerdings lebt die Familie nicht mehr in Russland. Wohl auch, um sich dem Zugriff des Kremls zu entziehen. Immer wieder hatte sie in den vergangenen Jahren auch Auftritte in Deutschland absolviert.

Ihre Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat ihren Ruf als starke Frau und Persönlichkeit noch verstärkt. Für die Politologin Tatjana Stanowaja ist klar: „Ob Julia Nawalnaja will oder nicht – sie wird zu einer politischen Persönlichkeit.“ Am Montag wird sie beim Rat der EU-Außenminister in Brüssel erwartet.

Russen zeigen offen ihre Trauer

Auch in Russland zeigten Russen offen ihre Trauer – trotz Hunderter Festnahmen und Polizeigewalt. Viele legten an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Behörden versuchten weiter, die spontanen Gedenkstätten zu zerstören, Blumen wurden in Mülltüten gestopft und abtransportiert. Auch westliche Botschafter legten in Moskau gegenüber der Geheimdienstzentrale an der Lubjanka Blumen nieder und erinnerten an Nawalnys mutigen Widerstand gegen Putin.

Der russische Präsident, der in einem Monat wiedergewählt werden will, hat sich bisher nicht geäußert zum Tod seines schärfsten Gegners. Der nach vielen Tagen in immer wieder angeordneter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang in seinem sibirischen Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos.