Ein 26 Jahre alter Systemadministrator ist zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteil worden. Er hatte eine Herrenberger Firma völlig lahm gelegt. Es war ein reiner Indizienprozess. Sein Anwalt will in Revision gehen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Gleich im Gerichtssaal ist er festgenommen worden: Für drei Jahre und drei Monate muss ein 26 Jahre alter Mann wegen schwerer Computersabotage ins Gefängnis. Der IT-Administrator hat sich vergangenes Jahr in das Netzwerk seines ehemaligen Arbeitgebers eingeloggt und umfangreich Daten gelöscht. „Er war getrieben, die Firma zu vernichten“, sagte der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Böblingen bei der Urteilsverkündung am Freitag. Damit richtete er einen Schaden von mindestens 2,8 Millionen Euro an. Der Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen, auch das Urteil nahm er mit ruhiger Miene entgegen. Das Verfahren war ein reiner Indizienprozess.

 

Das Motiv war vermutlich Rache

Für den Richter waren die Beweise eindeutig. Laut den Aussagen des IT-Forensikers der Kriminalpolizei muss der Hacker ein Insider gewesen sein. „Und der Angeklagte hat sich blendend in dem System ausgekannt“, sagte der Richter. Ein Motiv für die Tat hatte er seiner Ansicht nach auch: Er tat es vermutlich aus Rache.

Dem 26-Jährigen war im Dezember 2016 gekündigt worden, weil die Zusammenarbeit im Team mit ihm schwierig gewesen war. Er reichte eine Kündigungsschutzklage ein, am Ende gab es einen Vergleich. Ein halbes Jahr später griff er nachts die Server der Firma an, die in Herrenberg eine Niederlassung mit rund 90 Mitarbeiter hat und für mittelständische Unternehmen Geschäftsprozesse digitalisiert. Dabei zerstörte er neben Daten auch Konfigurationen und Netzwerke. „Für die Firma war es ein Totalausfall“, sagte der Richter.

Geordnet sei der Angeklagte bei der Zerstörung vorgegangen, über Zugangskonten, die er er als Systemadministrator angelegt hatte, gelangte er auf die Server. Als weitere Beweismittel führte der Richter die Rechner an, die bei dem in Rottenburg wohnenden Mann gefunden wurden. Die Dateien auf einem Laptop waren zwar klinisch rein gelöscht worden. „Aber er hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“, erklärte der Richter. Denn auf dem anderen Computer fanden sich noch leere Ordner mit dem Namen der Firma aber auch mit Bezeichnungen wie Ausfall, „Hack“ und Passwortmanager. Damit sei „die Legende für den Angriff beim Angeklagten vorgefunden“ worden. befand der Richter: Allein dieses Indiz wäre für eine Verurteilung ausreichend.

Richter und Staatsanwalt sind sich einig

Damit folgte der Richter weitestgehend dem Antrag des Staatsanwalts, der allerdings eine Haftstrafe von vier Jahren gefordert hatte. „Es war wirklich kein Bubenstreich“, erklärte er, „es sollte existenzgefährdend sein“. Bis auf die Tatsache, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, spreche nichts zu seinen Gunsten: Eine hohe kriminelle Energie erkannten Staatsanwalt und Richter bei dem 26-jährigen und seinem planmäßigen Vorgehen. Nach dem ersten Angriff in der Nacht auf den 27. Juni 2017 folgte drei Tage später ein zweiter. Dieses Mal legte der junge Mann unter anderem die E-Mail-Verbindung der Firma lahm und leitete Besucher der Kunden-Webseiten auf eine Pornoseite um.

„Es überrascht mich sehr“, sagte der Anwalt über die Höhe des Strafmaßes. Für ihn bestehen zu viele Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Ein Motiv kann er nicht erkennen. In der Firma habe es viele Administratoren gegeben: Der Täter könnte sich auch in diesem Kreis befinden und falsche Spuren gelegt haben. Für die Ordner lieferte er eine andere Erklärung. Einer hieß Perfect Privacy, dieses Programm, das Anonymität im Internet bietet, hatte der Hacker benutzt. Viele Menschen würden es einsetzen, um Google, Facebook oder Amazon keine persönlichen Daten zu liefern, sagte er. Den Ordner „Hack“ erklärte der Verteidiger damit, dass der Angeklagte möglicherweise noch als Angestellter prüfen wollte, ob die Server seines Arbeitgebers sicher sind.

Für den 26-Jährigen geht es um viel. Nach dem Straf- stehen Zivilverfahren im Raum, über die die Versicherung und geschädigte Kunden Schadenersatz fordern werden. Mit dem Urteil wäre das Leben des jungen Mannes ruiniert. „Wir müssen die Sicherheit haben, dass er wirklich der Täter ist“, sagte der Anwalt. Gleich nach der Urteilsverkündung kündigte er Berufung an. Sein Mandant wurde wegen der hohen Fluchtgefahr noch im Gericht abgeführt.