Andreas Stoch im Interview SPD-Fraktionschef für mehr Staatshilfen beim Klimaschutz

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die SPD im Land fordert einen Transformationsfonds für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Aber wie wird verhindert, dass damit defizitäre Firmen über Wasser gehalten werden?

Der SPD-Fraktionschef im Landtag, Andreas Stoch, will der Wirtschaft Hilfen zukommen lassen, um den Wandel hin zu grünen Technologien zu schaffen. Geld sei vorhanden, argumentiert er im Interview mit unserer Zeitung.

 

Herr Stoch, ist es nach drei Jahren, in denen die Wirtschaft mit Staatshilfen geflutet wurde, mal wieder Zeit, dass die Firmen auch ohne Staatsgeld auskommen?

Ohne staatliche Maßnahmen hätte es in ganz Deutschland im Einzelhandel, der Gastronomie und im Handwerk ein erhebliches Sterben von Betrieben gegeben. Es war und ist richtig, dass die Bundesregierung da nicht zugeschaut, sondern gegengesteuert hat. Alles andere wäre gerade für Baden-Württemberg mit seiner vielfältigen Wirtschaftsstruktur verhängnisvoll gewesen.

Der SPD-Landesvorstand hat sich dieses Jahr für neue Subventionen ausgesprochen, um Firmen beim anstehenden Wandel hin zu grünen Technologien zu helfen. Wofür braucht es die?

Die SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hat im Saarland einen Transformationsfonds über drei Milliarden Euro auflegt, um ihre Stahlindustrie beim Umbau weg von Kohle und Öl und hin zu Wasserstoff zu unterstützen. So ein Transformationsfonds ist auch in Baden-Württemberg nötig.

Wäre die Zukunftsorientierung nicht eigentlich die Aufgabe der Firmen selbst?

Unternehmen müssen selbst gewinnorientiert arbeiten, und Dauersubventionen sind falsch. Aber wenn wir die Dekarbonisierung der Wirtschaft wollen, muss der Staat auch investieren, um Strukturen in eine nicht fossile Zukunft zu überführen. Das zahlt sich aus, weil wir mittelfristig zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen. Natürlich müssen solche Investitionen sich später amortisieren und nicht strukturell defizitäre Unternehmen mit öffentlichen Mitteln über Wasser halten. In Baden-Württemberg müssen die Unternehmen der Automobilindustrie, die ja nicht nur aus Daimler und Bosch bestehen, in die neue Antriebswelt geführt werden.

Wie wollen Sie da helfen?

Ich toure aktuell durchs Land, weil ich wissen will, wie der Investitionsbedarf der Firmen ist, ob sie in der Lage sind, die nötigen Innovationen selbst zu finanzieren, und wo die Politik unterstützen kann: mit Infrastruktur, mit Energieversorgung, bei Forschung und Entwicklung und vor allem bei der Weiterbildung und Qualifizierung der Beschäftigten.

Muss der Staat wirklich unternehmerische Fehlentscheidungen auffangen?

Dies kann nicht der Anspruch von staatlichem Handeln sein. Aber die Unternehmen sind bei dieser Transformation mit unterschiedlicher Geschwindigkeit unterwegs. Manche Politiker scheinen Industriearbeitsplätze im Land mittlerweile ja für „Old Economy“ zu halten. Das ist mir zu simpel: Wenn es eine Zukunftsperspektive für Unternehmen gibt, ist es auch volkswirtschaftlich sinnvoll, sie mit Krediten oder Finanzhilfen zu unterstützen.

Wäre es nicht sinnvoller, wenn der Staat die Rahmenbedingungen für die Unternehmen verbessern würde, statt Förderpolitik auf Betriebsebene zu betreiben?

Für mich geht es hier nicht um ein Entweder-oder. Wir müssen beides tun, wo dies sinnvoll ist. Der Ukraine-Krieg hat das Denken noch einmal verändert: Neben dem Klimawandel sind Energiesicherheit und Fachkräfte für die Unternehmen die wichtigsten Themen. Die SPD fordert seit vielen Jahren ein vernünftiges Fachkräftezuwanderungsgesetz, das die Union immer blockiert hat. Das ist eines der wichtigsten Projekte der jetzigen Bundesregierung – gerade auch für Baden-Württemberg, wo in den nächsten Jahren Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen. Außerdem müssen wir in die Bildung und den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur investieren.

Wie viel Geld wollen Sie denn in Ihren Fördertopf stecken, wenn das kleine Saarland schon drei Milliarden Euro braucht?

Wir sind gerade in der Fraktion dabei, die richtigen Maßnahmen zu definieren. Dazu führen wir viele Gespräche, etwa mit Wirtschaftswissenschaftlern.

Wie wollen Sie die Investitions- und Transformationshilfen finanzieren?

Das Land hatte letztes Jahr einen Kassenüberschuss im Haushalt von 6,6 Milliarden Euro. Die Ausgabenreste sind inzwischen auf zehn Milliarden Euro gewachsen. Der Haushalt hat nach unseren Berechnungen Reserven von 4,5 Milliarden Euro. Wegen der kleinen Delle in der letzten Steuerschätzung Sparappelle zu formulieren, ist lächerlich. Bayaz hat einmal versprochen, den Bürgern Steuermehreinnahmen, die durch die hohe Inflation entstehen, in Form von Zukunftsinvestitionen zurückzugeben. Da kann ich nur sagen: Halten Sie Ihr Versprechen. Geld hätte die Landesregierung – aber ihr fehlt die Vision.

Andreas Stoch

Politik
Die Bildungspolitik von Gerhard Mayer-Vorfelder hat Andreas Stoch 1990 in die SPD getrieben. 2009 zog der Rechtsanwalt in den Landtag ein, wurde vier Jahre später selbst Kultusminister in der grün-roten Landesregierung. Er stoppte den geplanten Streichkurs bei den Lehrerstellen und kümmerte sich verstärkt um das Thema Inklusion. Nachdem das Wahlergebnis 2016 nicht mehr für eine grün-rote Koalition reichte, wurde er Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, 2018 übernahm er auch den Parteivorsitz auf Landesebene.

Privat
Stoch ist in Heidenheim geboren. Der 53-Jährige hat vier Kinder, spielt gern Tennis und Basketball und ist Fan des 1. FC Heidenheim.

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