Das Landgericht Stuttgart wird frühestens Anfang nächsten Jahres über die Anklage gegen zwei amtierende und fünf ehemalige LBBW-Vorstände entscheiden. Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch insgesamt elf Männer wegen angeblich gefälschter Bilanzen bei Deutschlands größter Landesbank angeklagt.

Stuttgart - Das Landgericht Stuttgart wird frühestens Anfang nächsten Jahres über die Anklage gegen zwei amtierende und fünf ehemalige LBBW-Vorstände entscheiden. „Die Anklageschrift ist überdurchschnittlich lang und vermutlich auch kompliziert“, sagte ein Landgerichtssprecher am Donnerstag auf Anfrage. Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch insgesamt elf Männer wegen angeblich gefälschter Bilanzen bei Deutschlands größter Landesbank angeklagt. Es geht etwa um Risiken der LBBW, die plötzlich auf Inseln im Ärmelkanal landeten.

 

Unter den elf Angeschuldigten sind neben den beiden amtierenden LBBW-Vorständen Michael Horn und Hans-Joachim Strüder fünf Ex-Vorstände des Kredithauses sowie zwei seiner Banker und zwei Finanzexperten der angesehenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.

Die Vorwürfe drehen sich um die Geschäftsabschlüsse der Jahre 2005, 2006 und 2008. Die Manager sollen zum ungehemmteren Zocken an den Finanzmärkten ein Konstrukt aus Tochterfirmen errichtet haben, das Risiken aus der offiziellen Bilanz heraushält. Zudem sollen sie die „dramatische Lage“ einer eigentlich lebensrettenden Finanzspritze als bloße Vitalisierung der Wettbewerbsfähigkeit verschleiert haben.

Angeschuldigte weisen alle Vorwürfe zurück

Eigentlich muss die LBBW wie jede Bank Investments mit Polstern absichern. Mit ausgegründeten Gesellschaften soll sie diese Vorgabe umschifft haben. Aus Sicht der Anklage lief das so: Scheinbar hatte die Bank mit den Firmen nur entfernt als Dienstleister zu tun, etwa als Anlageberater. Tatsächlich aber habe die LBBW das Sagen gehabt - und trug damit auch die Risiken. Daher hätten die Werte dieser Firmen, immerhin geht es um sechs Milliarden Euro, auch zum Risiko in den LBBW-Bilanzen gehört. Das soll verschleiert worden sein. Die elf Angeschuldigten weisen alle Vorwürfe klar zurück und werfen der Anklagebehörde vor, alte und neue Gesetze durcheinanderzubringen.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Bank geht es um Investitionstöpfe wie die Lake Constance Funding, Weinberg Funding oder Mainau Funding. Sie hatten ihren Sitz etwa auf der Ärmelkanalinsel Jersey. In Informationen für die Finanzwelt nennt die LBBW diese Töchter „von ihr aufgesetzte Vehikel“. Die Idee dahinter: Vereinfacht gesagt darf eine Bank solange kräftig Kredite vergeben, wie ihre eigene Kapitaldecke stimmt. Wird die aber dünner - etwa weil die Bank im Zuge einer Finanzkrise selber schlechter an frisches Geld kommt - schmälert das den Spielraum fürs Kreditgeschäft. Gegenmittel: Die Banken machen ihre bestehenden Kreditforderungen handelbar, indem sie sie als Wertpapier verpackt auf Zweckgesellschaften auslagern und dort an Investoren verkaufen. Die spekulieren dann auf die erworbenen Forderungen - werden alle Kredite brav abgestottert, rollt der Rubel.

Das Problem dabei ist ein generelles der Finanzbranche: Aus einem Produkt werden neue mit neuen Beteiligten, die Geschäfte entkoppeln sich zunehmend von der Realwirtschaft. Mit Stand Mitte 2009 geht die LBBW in einem ihrer Berichte auf die Verschachtelung ein und widmet ihr in einem Kapitel namens „Verbriefungsportfolio“ eine eigene Seite mit dicker Fußnote, die erklärt, warum Einzelteile in dem Dickicht doch nichts in der LBBW-Bilanz zu suchen hätten. Das Fachwort heißt „Konsolidierungskreis“, was gewissermaßen der Zirkel um die eigene Familie ist. Experten sagen, gerade dieser Teil der Bilanzierung sei eher Kunst als Handwerk. Es gebe diverse Interpretationsspielräume.

Anklageschrift umfasst 400 Seiten

Bei der LBBW kommt zu diesen Buchungskünsten zudem eine delikate Personalie dazu: Anfang des Jahrtausends prüfte noch Hans Wagener als PwC-Abschlussprüfer die LBBW-Bilanz. Heute ist er Chefaufseher im Aufsichtsrat der Bank. Seit 2010 prüft der PwC-Konkurrent KPMG.

Die Anklageschrift ist nach dpa-Informationen gut 400 Seiten dick. Für gewöhnlich erhalten die Angeschuldigten allein schon mindestens drei Wochen Zeit, um nach Zustellung der Dokumente angemessen auf die Vorwürfe reagieren zu können. Damit reicht die Zeitspanne wohl bis Weichnachten. Die 14. Kammer des Landgerichts Stuttgart wird die Anklage und die Reaktionen würdigen und erst dann entscheiden, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt. Welcher Zeitpunkt im nächsten Jahr für diesen Beschluss realistisch sein könnte, konnte der Gerichtssprecher noch nicht einschätzen.