Seit mehr als fünf Jahren erheben Kritiker des Umbaus des Bahnknotens Vorwürfe in Richtung DB-Vorstand und -Aufsichtsrat wegen deren Festhalten an Stuttgart 21. Nach sechs erfolglosen Strafanzeigen ruhen nun die Hoffnungen auf dem Gutachten eines Rechtsprofessors.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - An Pfingstmontag gönnen sich die Stuttgart-21-Gegner mal eine Demopause, aber schon eine Woche später kommen sie wieder zum Protest zusammen – zur mittlerweile 417. Montagsdemo gegen das milliardenschwere Vorhaben von Bahn, Stadt, Land und Region.

 

Nicht minder hartnäckig versucht Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, den Entscheidern in Bahn-Vorstand und -Aufsichtsrat wegen ihres Festhaltens an dem Vorhaben juristisch beizukommen. Seit der Träger des Bundesverdienstkreuzes zusammen mit anderen im März 2013 erstmals Anzeige wegen Untreue und Betrug gestellt hat, sind in den folgenden Jahren je nach Zählweise fünf beziehungsweise sechs weitere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft in Berlin dazugekommen – die meisten im Verbund mit Dieter Reicherter erstattet, ehemals Vorsitzender Strafrichter am Landgericht Stuttgart. Doch trotz des versammelten juristischen Sachverstands führte keine der Anzeigen zu einer Klageerhebung.

Der jüngste Vorstoß trug das Datum 12. Februar 2018 – der Bescheid, das Verfahren sei eingestellt, das Datum 19. Februar. Bereits Ende 2015 hatte von Loeper nach zwei nicht weiter verfolgten Anzeigen in einer weiteren Vertretern der Staatsanwaltschaft Berlin Strafvereitelung im Amt vorgeworfen – ebenfalls erfolglos.

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Neues Gutachten eines Wirtschaftsrechtsprofessors

Das wiederholte Scheitern hinterließ Spuren: „Wir waren zornig, dass die Staatsanwaltschaft Berlin unsere Strafanzeige gegen amtierende und frühere Bahn-Vorstände und den Aufsichtsratschef abgebügelt hatte“, erklärte von Loeper auf einer Demonstration Ende April. Den Frustrierten wollen aber weder er noch sein Mitstreiter Reicherter auf Dauer geben.

Hoffnung schöpfen sie aus einem bei Jens Bülte in Auftrag gegebenen Gutachten. Der Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der Universität Mannheim stelle „in einem umfangreichen Rechtsgutachten fest, wegen der Entscheidungen zu Stuttgart 21 müsse gegen die Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG wegen des Anfangsverdachts der Untreue ermittelt werden“, erklärt von Loeper.

In dem Gutachten heißt es unter anderem: „Objektiv bestehen daher in der Gesamtschau hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen der Durchführung des Projekts S 21 bei allen Entscheidungen über das Ob der weiteren Realisierung des Projekts Vermögensbetreuungspflichten verletzt worden sind.“ Zur Beantwortung der Frage, ob die Entscheidungsträger ihre Pflichten tatsächlich verletzt hätten, bedürfe es intensiver Ermittlungen durch die zuständige Staatsanwaltschaft.

Rückendeckung bekommen die S-21-Kritiker überdies von Wolfgang Neskovic, von 2002 an Richter am Bundesgerichtshof, bis er im Jahr 2005 für die Linkspartei in den Bundestag einzog. Der Jurist bescheinigt dem Gutachten, eine „hervorragende Grundlage für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen“ zu sein. Den Ball sieht Neskovic nun im Feld der Ermittlungsbehörden liegen. „Ich erwarte, dass die Berliner Staatsanwaltschaft sich den sicherlich schwierigen und umfangreichen Ermittlungen mit professionellem Engagement widmet“, teilt Neskovic mit.

Das 37 Seiten starke Gutachten samt 300 Seiten Anlagen liege der Berliner Staatsanwaltschaft mittlerweile vor, sagt von Loeper. Eine Reaktion aus der Bundeshauptstadt steht allerdings noch aus. Von Loeper zieht auch Parallelen zum Fall des ehemaligen VW-Chefs Martin Winterkorn.

Ähnlich wie bei dem Automanager „müssen auch rechtliche Konsequenzen für die DB-Verantwortlichen gezogen werden, die mit ihrem Festhalten an Stuttgart 21 trotz der ihnen bekannten Unwirtschaftlichkeit des Projekts einen Milliardenschaden zulasten der DB AG angerichtet haben“, erklärt der Jurist aus dem Schwarzwald.

S-21-Gegner ziehen Parallelen zum Dieselskandal