Weil die Staatsanwaltschaft in Berlin aus ihrer Sicht zu wenig tut, haben die zwei Juristen Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter Anzeige gegen zwei Staatsanwälte erstattet. Sie werfen ihnen Strafvereitelung im Amt vor.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter fühlen sich von der Berliner Justiz ausgebremst. Weil die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt keinen Anlass sieht, nach einer Anzeige der beiden Juristen zu ermitteln, haben sie nun ihrerseits die Strafverfolger angezeigt. Loeper und Reicherter sehen bei zwei Staatsanwälten Strafvereitelung im Amt vorliegen.

 

Ausgangspunkt war eine von den beiden Juristen im Juni erstatte Anzeige gegen Vorstände und Aufsichtsräte der Deutschen Bahn, den Ex- Wirtschaftsminister Philipp Rösler und gegen den ehemaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Mit dem Beschluss des Bahn-Aufsichtsrats vom März 2013 am Projekt Stuttgart 21 trotz bekannt gewordener Mehrkosten festzuhalten, hätten sich Vorstand und Unternehmensaufseher der Untreue schuldig gemacht, so der Vorwurf des Anwalts von Loeper und des pensionierten Richters Reicherter. Die Ex-Minister hätten im Vorfeld der Entscheidung Druck auf drei Staatssekretäre ausgeübt, die den Bund im Aufsichtsrat vertreten, so dass diese nicht hätten frei entscheiden können. Im Juli hatte die Staatsanwaltschaft aber erklärt, keine Ermittlungen aufnehmen zu wollen. Auch eine Beschwerde beim Berliner Generalstaatsanwalt änderte nichts. Der neuerliche juristische Vorstoß soll der Berliner Justiz auf die Sprünge helfen.

Dauerhafter Clinch mit der Berliner Justiz

Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden S-21-Kritiker mit den Ermittlungsbehörden über Kreuz liegen. Eine ähnlich lautende Anzeige hatten Reicherter und von Loeper wenige Tage nach der Aufsichtsratsentscheidung im März 2013 erstattet. Auch damals sah die Justiz keinen Anlass zu handeln. Von Loeper fühlte sich durch Akten aus dem Kanzleramt, die er auf Antrag einsehen konnte, bestärkt, einen neuen Anlauf zu nehmen. Die Schriftstücke aus dem Kanzleramt sind allerdings noch an einigen Stellen unleserlich gemacht. In einem separaten Verfahren kämpft von Loeper, der auch Sprecher des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 ist, gegen diese Schwärzungen. Aus seiner Sicht böten die Akten aber auch bereits in der vorliegenden Form ausreichend Ansatzpunkte für die Justiz, aktiv zu werden. Zudem könnten die Ermittler ja auch auf die ungeschwärzten Vermerke zugreifen. Besonders ein Satz in der Einstellungsverfügung ist es, der Reicherter umtreibt. „Sie lassen jedoch nichts dafür ersehen, dass den Beteiligten an der Aufsichtratsitzung vom 5. März 2013 bewusst gewesen sein muss, dass ein Ausstieg aus dem Projekt ,Stuttgart 21’ mit geringeren Kosten verbunden sein würde als dessen Fortführung“, heißt es da.

Reicherter übersetzt das für sich: „Unterstellt man da nicht, dass die Aufsichtsräte zu dumm sind, zu erkennen, was sie tun“? Der langjährige Richter am Landgericht Stuttgart hegt den Verdacht, dass es die Berliner nicht allzu genau mit der Prüfung der von ihnen erhobenen Vorwürfe genommen haben. „Das legen die zeitlichen Abläufe nahe“.

Den Anzeigeerstattern geht es um Aufmerksamkeit

Die Staatsanwaltschaft Berlin muss nun entscheiden, wie mit der neuerlichen Anzeige umgegangen wird, die sich gegen Bedienstete im eigenen Haus richtet. Eine Weitergabe an eine andere Ermittlungsbehörde scheidet laut von Loeper aus. „Berlin hat nur eine Staatsanwaltschaft“. Er sieht den Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Zug. „Er muss entscheiden. Dafür ist er da“.

Die Erfolgsaussichten ihrer Anzeige bewerten von Loeper und Reicherter einsilbig. Unumwunden räumen sie ein, dass es auch Ziel der Aktion sei, wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Vorgänge rund um S 21 zu lenken, die mehr und mehr außerhalb der Region in Vergessenheit geraten. Ihren juristischen Kampf dokumentieren sie daher auch auf einer eigens geschaffenen Seite im Internet, die nun online ging.

Einen Schritt weiter ist das Aktionsbündnis an einer anderen juristischen Front. Es klagt gegen die Projektgesellschaft auf Herausgabe der sogenannten Azer-Liste, auf der der damalige Projektleiter Hany Azer Chancen und Risiken des Bahnhofsumbaus zusammengetragen hat. Verhandelt wird am 10. Dezember in Berlin. Als Zeugen sind unter anderem Azer selbst und der Infrastrukturvorstand der Bahn, Volker Kefer, geladen.