Mehr als 700 Jahre beherrschten die Kelten Mitteleuropa. Vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. waren sie auch im Südwesten Deutschlands die vorherrschende Bevölkerungsgruppe. In Baden-Württemberg hat die keltische Kultur zahlreiche Spuren hinterlassen.
Sie waren Berserker, die in der Schlacht tollkühn über ihre Feinde herfielen und den Besiegten die Köpfe abschlugen. Die kriegerischen Kelten waren aber auch geniale Handwerker, die ihre Toten mit reichen Grabbeigaben – Wagen, Goldschmuck und Waffen – für die Reise ins Jenseits ausstatteten.
Von rund 800 bis 50 v. Chr. beherrschten die Kelten, die erstmals im 6. Jahrhundert in der abendländischen Überlieferung auftauchten, weite Teile Mitteleuropas.
Kulturgemeinschaft und keine Nation
Da die Kelten keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, sind Archäologen und Historiker auf Überlieferungen aus griechicher und römischer Zeit sowie auf Ausgrabungen angewiesen. Die Kelten waren kein einheitliches Volk oder eine Art europäische Ur-Nation, sondern lebten während der Eisenzeit in zahlreichen unabhängigen Stammesgruppen.
Die keltische Kulturgemeinschaft wurde durch eine eigene indogermanische Sprache, ähnliche materielle Kultur, Gebräuche, Glaubensvorstellungen und Lebensweise geprägt. Aus den bronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas bildeten sich die beiden klassischen keltischen Epochen der Hallstatt- (650-70 v. Chr.) und der La-Tène-Kultur (470-50 v. Chr.) heraus.
Die keltische Gesellschaft war weder zentral organisiert, noch gab es gemeinsame Könige. Neben Häuptlingen und Fürsten beherrschten Druiden als geistige und spirituelle Führer die einzelnen Stämme. Sie waren zugleich Priester und Mediziner, Lehrer und Richter.
Die Kelten im Südwesten
Vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. waren die Kelten im Südwesten Deutschlands die vorherrschende Bevölkerungsgruppe. Gerade in Baden-Württemberg ist die keltische Kultur ein Highlight. Es gibt Tausende Grabhügel und eine unglaublich reiche Fundlandschaft. Dazu kommen die Fürstensitze wie die Heuneburg nahe Herbertingen im Kreis Sigmaringen. Die Ansiedlung gilt als zentraler frühkeltischer Ort an der oberen Donau.
Im Lauf von 600 Jahren wurden auf den Plateaus von Hügeln und Anhöhen Fürstensitze errichtet, die wie die Heuneburg mit Mauern aus Holz und Erde befestigt waren. Später wurden sie durch eine Stein-Lehm-Mauer ersetzt. Zugleich entstanden große stadtähnliche Siedlungen. Die Außensiedlung der Heuneburg umfasste 100 Hektar und beherbergte einige Tausend Menschen.
Tollkühne Krieger, erfolgreiche Händler
Die Handelsbeziehungen der keltischen Stämme reichten bis in den Mittelmeerraum. Der Archäologe Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen hat auf der Heuneburg zahlreiche Importstücke aus dem Süden ausgegraben - zum Beispiel Amphoren aus dem damals griechischen Marseille. Auch mit den Etruskern in Italien und mit griechischen Stadtstaaten führten die Kelten einen regen Handel.
Die keltischen Handwerker waren berühmt für ihre filigranen Schmuckarbeiten, ihre Textilien und eisernen Waffen. „Für Archäologen ist das gesamte Ensemble einer Ausgrabungsstätte wichtig und nicht nur das gefundene Gold. Aus ihm können wir viele neue Details erkennen.“
Fürstensitze, Grabhügel, Ringwälle
Neben der Heuneburg gab es Fürstensitze auf dem Hohenasperg und dem Berg Ipf nahe des Nördlinger Ries bei Bopfingen. Daneben entdeckten Archäologen weitere unzählige Fürstengräber und Grabhügel, Ringwälle und Hunderte Viereckschanzen – rechteckige Areale mit Wall und Graben, die auf eine Besiedlung schließen lassen – sowie Überreste von Ansiedlungen. Allein im Umkreis von zehn Kilometern um den Hohenasperg gab es nach Angaben von Biel rund 400 keltische Siedlungen.
Die Kelten besaßen ein hoch entwickeltes Wirtschaftsleben. Die aufgefundenen Gräber zeugen vom Reichtum ihrer Oberschicht. Die Stämme waren berühmt für ihre Metallarbeiten, Schmuckstücke aus Silber und Gold sowie ihre Waffenproduktion. Das Eisenerz bauten sie in bis zu 100 Meter tiefen Bergwerken ab.
Heuneburg - keltisches Zentrum nördlich der Alpen
Seit 1950 wird bei Herbertingen nach Zeugnissen der keltischen Kultur gegraben. Die Heuneburg gilt als älteste Stadt nördlich der Alpen. Zwischen 620 und 470 v. Chr. entwickelte sich hier ein Machtzentrum der späten Eisenzeit, das durch eine nördlich der Alpen einmalige Lehmziegelmauer geschützt wurde. Die mittelmeerische Herkunft dieser im Freilichtmuseum Heuneburg zum Teil rekonstruierten Wehranlage lässt auf griechische Baumeister schließen.
Irgendwann im sechsten Jahrhundert wurde die Ansiedlung erobert, eingeäschert und wieder aufgebaut. Um 400 v. Chr. wurde die Heuneburg dann von einer Feuersbrunst verwüstet. Von ihren Bewohnern verlassen, verfiel sie. „Wir haben keinen konkreten Anhaltspunkt“, erläutert Bofinger, „warum Anfang des fünften Jahrhunderts dieses blühende Zentrum schlagartig aufhörte zu existieren.“
Cäsar beendete die große Zeit der Kelten
An die Stelle der Fürstensitze traten ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. die sogenannten Oppida - große befestigte Siedlungen, die von bis zu 10 000 Menschen bewohnt wurden. Keltische Krieger drangen in dieser Zeit auf ihren Beutezügen bis weit nach Süden vor: 387 v. Chr. plünderten sie Rom, 279 v. Chr. belagerten sie das griechische Heiligtum Delphi. Sie kämpften als Söldner in den Kriegen Karthagos gegen die römische Republik und fochten für griechische Könige und Usurpatoren.
Mit der Eroberung Galliens durch den römischen Feldherrn Julius Cäsar 57 bis 53 v. Chr. endete die große Zeit der Kelten. Die keltische und römische Kultur verschmolzen, bis sie ab dem dritten und vierten Jahrhundert n. Chr. im Zuge der Völkerwanderung von germanischen Stämmen wie den Alemannen und Franken verdrängt wurde.