Mussolini bestimmte Asmara als Brückenkopf, von dem aus der Feldzug gegen Äthiopien geführt werden sollte. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs der verschlafene Außenposten zur modernsten und bestindustrialisierten Stadt Afrikas heran – mit Bahnhof, Fabriken, Tankstellen und einer Alfa-Romeo-Vertretung. Innerhalb weniger Jahre verzwanzigfachte sich die italienische Bevölkerung von 3000 auf 55 000, Ende der Dreißiger lebten mehr Italiener in der Stadt als Eritreer.

 

Junge Architekten, die von Mussolinis Italien inspiriert waren oder von ihm abgestoßen wurden, kamen ans Horn von Afrika, um ihre Ideen zu verwirklichen – eine bessere Spielwiese konnten sie nirgendwo finden. Die Häuserbauer stützten sich auf einen Masterplan für Asmara, den der Chef-Ingenieur der Stadt, Eduardo Cavagniari, bereits 1913 angefertigt hatte. Er teilte die Stadt in vier Sektionen auf: ein Villenviertel für Italiener, ein primitives Wohnquartier für Eritreer, einen gemischten Bereich für Geschäfte, Märkte und Behörden sowie eine industrielle Zone. Noch heute ist die sowohl rassistisch wie technokratisch motivierte Vierteilung der Stadt mit ihren breiten, auch für Aufmärsche geeigneten Boulevards als Sektorengrenzen deutlich zu erkennen.

Mussolinis Größenwahn war dagegen nur von kurzer Dauer. Zwar gelang es den italienischen Invasoren unter Einsatz von Giftgas 1936 die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba einzunehmen. Doch bereits fünf Jahre später brach Italiens ostafrikanisches Reich unter dem Angriff der Alliierten wieder zusammen. Als Asmara 1941 in die Hände der Briten fiel, teilte ein überraschter Informationsminister in London mit, die Italiener hätten „eine europäische Stadt mit breiten Boulevards, fantastischen Kinos, imposanten faschistischen Gebäuden, Cafés, Läden, doppelspurigen Straßen und einem Erste-Klasse-Hotel“ hinterlassen. Bei den „faschistischen Gebäuden“ handelte es sich um mehrere Wahrzeichen des Monumentalismus: die Opera Nazionale Dopolavoro (die heute den Frauenclub beheimatet), einen massigen Klotz der Stadtverwaltung sowie das ehemalige Hauptquartier der italienischen Faschisten. Heute ist darin das Erziehungsministerium untergebracht.

Ein Plan deutscher „Entwickler“ wurde gestoppt

Mehr als 30 000 Italiener blieben auch unter britischer Herrschaft in Asmara: La piccola Roma blieb seinem Kosenamen treu. Als die Briten 1950 ihre Kolonie aufgaben, wurde Eritrea zum Horror seiner Bevölkerung nicht etwa unabhängig, sondern von den Vereinten Nationen der Verwaltung des äthiopischen Nachbarn unterstellt. Der annektierte das Land zehn Jahre später kurzerhand als zehnte Provinz. Eritreische Freiheitskämpfer griffen zu den Waffen. Ihr Rebellenkrieg, der vor allem auf dem Land geführt wurde und Asmara weitgehend unberührt ließ, endete erst drei Jahrzehnte später 1993 mit der Unabhängigkeit des Landes. Für Asmara begann der gefährlichste Moment seiner Geschichte.

Medhanie Teklemariam sitzt im dritten Stock eines potthässlichen Gebäudes, das außerdem der Verkehrsverwaltung der Stadt als Sitz dient. Der fünfstöckige Klotz wurde Anfang der neunziger Jahre mitten auf eine der Ost-West-Achsen der Stadt gepflanzt. „Wenn wir damals so weitergemacht hätten“, sagt der über einen Stadtplan gebeugte Architekt, „hätten wir Asmara in ein paar Jahren ruiniert“.

Eine wirkliche Stadt war Asmara damit allerdings noch lange nicht. Das sollte sich erst ändern, als 1922 in Rom der größenwahnsinnige Benito Mussolini an die Macht kam. Der sich als wiedergeborener Caesar wähnende Faschistenführer wollte Italien zu einem neuen römischen Weltreich aufmotzen und brauchte dazu auch Kolonien. Weil Afrika zu diesem Zeitpunkt unter den Großmächten allerdings längst aufgeteilt war, blieb für Italien neben Libyen und Eritrea nur das bis dahin noch unabhängige äthiopische Kaiserreich übrig.

Der Masterplan stammt aus dem Jahr 1913

Mussolini bestimmte Asmara als Brückenkopf, von dem aus der Feldzug gegen Äthiopien geführt werden sollte. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs der verschlafene Außenposten zur modernsten und bestindustrialisierten Stadt Afrikas heran – mit Bahnhof, Fabriken, Tankstellen und einer Alfa-Romeo-Vertretung. Innerhalb weniger Jahre verzwanzigfachte sich die italienische Bevölkerung von 3000 auf 55 000, Ende der Dreißiger lebten mehr Italiener in der Stadt als Eritreer.

Junge Architekten, die von Mussolinis Italien inspiriert waren oder von ihm abgestoßen wurden, kamen ans Horn von Afrika, um ihre Ideen zu verwirklichen – eine bessere Spielwiese konnten sie nirgendwo finden. Die Häuserbauer stützten sich auf einen Masterplan für Asmara, den der Chef-Ingenieur der Stadt, Eduardo Cavagniari, bereits 1913 angefertigt hatte. Er teilte die Stadt in vier Sektionen auf: ein Villenviertel für Italiener, ein primitives Wohnquartier für Eritreer, einen gemischten Bereich für Geschäfte, Märkte und Behörden sowie eine industrielle Zone. Noch heute ist die sowohl rassistisch wie technokratisch motivierte Vierteilung der Stadt mit ihren breiten, auch für Aufmärsche geeigneten Boulevards als Sektorengrenzen deutlich zu erkennen.

Mussolinis Größenwahn war dagegen nur von kurzer Dauer. Zwar gelang es den italienischen Invasoren unter Einsatz von Giftgas 1936 die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba einzunehmen. Doch bereits fünf Jahre später brach Italiens ostafrikanisches Reich unter dem Angriff der Alliierten wieder zusammen. Als Asmara 1941 in die Hände der Briten fiel, teilte ein überraschter Informationsminister in London mit, die Italiener hätten „eine europäische Stadt mit breiten Boulevards, fantastischen Kinos, imposanten faschistischen Gebäuden, Cafés, Läden, doppelspurigen Straßen und einem Erste-Klasse-Hotel“ hinterlassen. Bei den „faschistischen Gebäuden“ handelte es sich um mehrere Wahrzeichen des Monumentalismus: die Opera Nazionale Dopolavoro (die heute den Frauenclub beheimatet), einen massigen Klotz der Stadtverwaltung sowie das ehemalige Hauptquartier der italienischen Faschisten. Heute ist darin das Erziehungsministerium untergebracht.

Ein Plan deutscher „Entwickler“ wurde gestoppt

Mehr als 30 000 Italiener blieben auch unter britischer Herrschaft in Asmara: La piccola Roma blieb seinem Kosenamen treu. Als die Briten 1950 ihre Kolonie aufgaben, wurde Eritrea zum Horror seiner Bevölkerung nicht etwa unabhängig, sondern von den Vereinten Nationen der Verwaltung des äthiopischen Nachbarn unterstellt. Der annektierte das Land zehn Jahre später kurzerhand als zehnte Provinz. Eritreische Freiheitskämpfer griffen zu den Waffen. Ihr Rebellenkrieg, der vor allem auf dem Land geführt wurde und Asmara weitgehend unberührt ließ, endete erst drei Jahrzehnte später 1993 mit der Unabhängigkeit des Landes. Für Asmara begann der gefährlichste Moment seiner Geschichte.

Medhanie Teklemariam sitzt im dritten Stock eines potthässlichen Gebäudes, das außerdem der Verkehrsverwaltung der Stadt als Sitz dient. Der fünfstöckige Klotz wurde Anfang der neunziger Jahre mitten auf eine der Ost-West-Achsen der Stadt gepflanzt. „Wenn wir damals so weitergemacht hätten“, sagt der über einen Stadtplan gebeugte Architekt, „hätten wir Asmara in ein paar Jahren ruiniert“.

Mit insgesamt zehn Schandmalen müssen die Asmarer heute leben: Eines davon steht direkt neben der Fiat-Tankstelle und scheint dem futuristischen Flieger den nötigen Raum zum Abheben zu nehmen. Ein Plan deutscher „Entwickler“ zum Bau einer riesigen Zentralbank wurde gerade noch gestoppt: Dem Gebäude sollte das alte Gefängnis weichen, doch dessen politische Ex-Insassen stoppten den Frevel. Ende der Neunziger verhängte die eritreische Regierung schließlich ein totales Bauverbot über das fünf Quadratkilometer große historische Zentrum: „Wir haben damit riesige Einbußen für Investitionen in Kauf genommen“, sagt Teklemariam.

Die Stadt soll auf die Weltkulturerbeliste

Für den Verlust strebt der Architekt jetzt einen Ausgleich an. Als Chef des „Asmara Kulturerbe Projekts“ will er erreichen, dass die Stadt in die Unesco-Liste der Weltkulturdenkmäler aufgenommen wird. Der europalastige Index habe neue afrikanische Einträge dringend nötig, findet Teklemariam, für ganz Afrika sind darauf so viele Kulturdenkmäler verzeichnet wie für Italien. Mit der Unesco-Liste sind zwar keine direkten Einkünfte verbunden. Doch der Reputationsgewinn werde sich irgendwann auf die Zahl der Besucher niederschlagen – und an Touristen ist inzwischen selbst der autoritären eritreischen Regierung gelegen.

In Teklemariams Vorzimmer sitzen drei Studenten und geben von Rechercheuren auf zahllosen Formularen gesammelte Daten in Computer ein. Auf diese Weise werden mehr als 4300 Gebäude aus dem historischen Kern der Stadt akribisch genau dokumentiert. Festgehalten wird sowohl das Alter und der Stil der Gebäude, wie auch ihr gegenwärtiger Zustand und die Identität ihrer Besitzer. Umbauten der Häuser sind nicht erlaubt, doch will ein Eigentümer sein Haus restaurieren, kann er mit dem Rat des Kulturerbe-Projektes und staatlicher Unterstützung rechnen. In seiner Struktur sei kein einziges der alten Gebäude gefährdet, sagt Teklemariam: „Als Baumeister sind die Italiener so gut wie ihr Ruf.“

Teil der eritreischen Kampagne, in die Unesco-Liste aufgenommen zu werden, war eine Wanderausstellung, die unter anderem auch schon in Deutschland und der Schweiz zu sehen war. Die meisten der Ausstellungsbesucher hätten sich erfreut und überrascht gezeigt, dass gerade in Afrika ein derartiges architektonisches Juwel zu finden sei, sagt Teklemariam. Doch manche hätten auch ihr völliges Unverständnis ausgedrückt, dass die Afrikaner ausgerechnet eine vom Faschistenführer Mussolini initiierte Stadt prämiert sehen wollen. Für einen derartigen Einwand hat der Architekt nun wiederum kein Verständnis: „Die Eritreer haben die Stadt doch längst zu ihrer eigenen gemacht“, sagt Teklemariam: „Und Rom wird auch nicht dem Erdboden gleichgemacht, nur weil seine Erbauer alles andere als Demokraten waren.“