Der Landkreis braucht mehr Unterkünfte für Asylbewerber. Doch dort, wo diese entstehen könnten, leisten die Bürger massiven Widerstand. Beim Arbeitskreis Asyl zeigt man Verständnis für die Ängste – und sieht die Politik in der Pflicht.

Ludwigsburg – Gleich in zwei Kommunen im Kreis brodelt es derzeit: Die Bürger in Sachsenheim und Pleidelsheim protestieren gegen geplante Asylbewerberunterkünfte. Gebhard Altenburger und Heidi Gauch vom Arbeitskreis Asyl kennen die Vorbehalte gegen solche Heime. Sie warnen davor, die Ängste kleinzureden. Ehrlichkeit und Transparenz seien wichtig.
Herr Altenburger, Frau Gauch, Sie sind schon lange im Arbeitskreis Asyl aktiv. Sind Sie Widerstände bei geplanten Asylbewerberunterkünften wie in Sachsenheim und Pleidelsheim gewohnt?
Gebhard Altenburger: Es ist normal, dass die Menschen Ängste haben, wenn ein Asylbewerberheim kommen soll. Das sollte man ernst nehmen. Schließlich kann man die Situation in solchen Unterkünften auch nicht schönreden und so tun, als ob alles wunderbar laufe. Man muss den Leuten sagen, dass es Probleme geben kann. Und man muss ehrlich sein: Es kommen eben nicht nur Akademiker und Ärzte als Flüchtlinge, wie manche Politiker weismachen wollen. Das ist aber kein Grund, Asylbewerberheime abzulehnen. In den meisten Fällen regelt sich alles ganz gut.

Was sind das für Probleme, die es mit den Unterkünften gibt?
Altenburger: Die Situation in den Heimen ist nicht einfach. Dort müssen die Menschen mit anderen, die ihnen oft selbst fremd sind, auf engstem Raum zusammenleben. Das kann zu Konflikten führen. Das Hauptproblem ist aber, dass die Asylbewerber keine sinnvolle Tätigkeit ausüben können, viel Leerlauf und wenig Möglichkeiten zum Austausch haben. Die ersten neun Monate gilt für sie ohnehin ein Arbeitsverbot. Aber auch danach ist es sehr schwer für sie, einen Job zu finden.
Heidi Gauch: Die größte Hürde dabei ist, dass EU-Bürger ein Vorrecht haben. Nur, wenn sich gar kein anderer findet, der die Arbeitsstelle antreten will, darf der Asylbewerber sie annehmen.

Was ist aus Ihrer Sicht zu tun, um Probleme möglichst zu vermeiden?
Altenburger: Das Arbeitsverbot ist nicht sinnvoll. Man muss es den Asylbewerbern leichter machen, eine Beschäftigung zu finden. Außerdem ist es ganz wichtig, dass sie in Kontakt mit anderen kommen. Das funktioniert aber nur, wenn sie Deutsch können. Deshalb organisieren wir vom Arbeitskreis aus auch Sprachkurse. Das Landratsamt verspricht uns schon lange finanzielle Hilfe dabei, aber bislang wurden wir immer vertröstet.
Gauch: Wir im Möglinger Arbeitskreis Asyl haben von Anfang an die Vereine eingebunden. Das klappt sehr gut, weil die Asylbewerber schnell Kontakte knüpfen können. So kann die Integration funktionieren.

Was halten Sie von den geplanten Standorten in Sachsenheim und Pleidelsheim? Sind diese geeignet für Asylbewerberheime?
Altenburger: Ich war noch nicht vor Ort und kann das daher schlecht beurteilen. Aber wichtig ist, dass die Unterkünfte nicht völlig isoliert sind. Sie müssen nicht mitten im Ort sein, aber eine Anbindung ist schon sinnvoll. Denn die Menschen brauchen Möglichkeiten zur Begegnung mit anderen und zur Beschäftigung. Aber auch die Qualität der Wohnungen muss stimmen. Die marode Containersiedlung im Seepfad in Sachsenheim ist nicht mehr tragbar. Wir kämpfen schon seit Jahren dafür, dass sie geschlossen wird und begrüßen es, wenn jetzt dafür ein Ersatz an anderer Stelle eingerichtet wird. Noch besser wären natürlich mehrere kleinere Unterkünfte an verschiedenen Orten. Aber das ist schwer zu realisieren.
Gauch: Ich kenne die Standorte auch nicht im Detail. Aber mich stört es, wenn die Behörden alles beschönigen, wie es in Pleidelsheim der Fall war. Zum einen sollte das Landratsamt nicht – wie dort geschehen – verheimlichen, wenn es ein Asylbewerberheim plant. Transparenz ist wichtig. Zum anderen kann es natürlich vor allem im Sommer mal lauter sein, wenn viele Leute sich draußen aufhalten, das sollte man ebenfalls nicht wegdiskutieren.

Wie steht der Landkreis Ludwigsburg im Vergleich zu anderen Kreisen da?
Gauch: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ganz toll ist, dass im Kreis Ludwigsburg das Bildungs- und Teilhabepaket auch für Asylbewerber gilt. Das läuft super. Die Vereine reißen sich geradezu darum, Flüchtlinge aufzunehmen, wenn sie wissen, dass sie die Beiträge bezahlt bekommen.

Lange hat sich an der Flüchtlingspolitik kaum etwas geändert. Nun soll es in Baden-Württemberg ein neues Flüchtlingsgesetz geben. Was halten Sie davon?
Altenburger: Es gibt einige angedachte Punkte, die sehr wünschenswert wären. Zum Beispiel wäre es gut, wenn die Quadratmeterzahl an Wohnraum, die einem Flüchtling zustehen, wie geplant erhöht würde. Die derzeit vorgeschriebenen 4,5 Quadratmeter sind sehr wenig. Allerdings ist es die Frage, ob die Umsetzung realisierbar ist. Schließlich wird jetzt schon händeringend nach Wohnraum für Asylbewerber gesucht. Auch Anschlussunterbringungen für diejenigen, denen Asyl gewährt wurde, sind rar. Hier zeigen sich die Versäumnisse der Kommunen im sozialen Wohnungsbau in den vergangenen Jahren.
Gauch: Ebenfalls sinnvoll wäre es, den Flüchtlingen Geld zu geben statt der Sachleistungen. Bislang bekommen sie Gutscheine, mit denen sie in ausgewählten Geschäften einkaufen können. Das ist mit viel Bürokratie verbunden, weil das Landratsamt sich stets mit den Läden kurzschließen muss. Zudem ist es für die Asylbewerber unpraktisch: Sie dürfen kein Wechselgeld erhalten und können deshalb die Gutscheine oft nicht ganz ausschöpfen können. Es würde nichts dagegen sprechen, ihnen Geld zu geben. Außerdem wäre es wichtig, die Asylverfahren zu verkürzen. Sie dauern oft fast zwei Jahre, das ist zu lang.