Die Welt von Georg Baselitz stand nicht von heute auf morgen Kopf. Eine Ausstellung in der Galerie Stihl Waiblingen widmet sich den Suchbewegungen des noch jungen Malers und seinem Ringen um eigene Positionen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Waiblingen - Die Welt von Georg Baselitz stand nicht von heute auf morgen Kopf. Vorausgegangen waren skeptische Analysen, gefolgt von Überzeichnung und Sezierung. Von dort bis zum ersten umgedrehten Bild 1969, dem Markenzeichen des Künstlers, war der Schritt nicht mehr groß. Die neue Ausstellung in der Galerie Stihl Waiblingen widmet sich den Suchbewegungen des frühen Baselitz, seinen Experimenten mit unterschiedlichen Techniken und seinem Ringen um die eigene Position.

 

Den Auftakt macht die Motivgruppe des „Neuen Typ“, einer männlichen Solo-Figur. Die Zeichnungen und Grafiken aus der Mitte der 1960er Jahre zeigen einen Wandersmann in zerzauster Landschaft, der in seiner antiquierten Kleidung schier ersäuft. Die Titel spielen auf den romantischen Maler Ludwig Richter an, auch bei der Motivwahl und den teils altmeisterlichen Techniken greift Baselitz auf die Kunstgeschichte zurück. Erst wenige Jahre zuvor war er aus der DDR, wo er von der Kunstakademie geflogen war, nach Westberlin gekommen. Baselitz befand sich inmitten eines künstlerisch-ideologischen Stellungskrieges – zwischen der gegenständlichen Kunst im kommunistischen Osten und der Abstraktion im Westen.

Baselitz in den Schlagzeilen

Der junge Künstler sucht sich zu orientieren, er blickt zurück in die Kunstgeschichte und ersinnt jenes abgerissene Alter Ego, das er „Neuen Typ“ nennt. „Von Beginn an war sichtbar, dass Baselitz seine Zeit, seine Herkunft und Tradition reflektierend den Aufbruch in die existenzielle Dimension von Kunst und in ein nicht bereits vorformuliertes Bildverständnis wagte“, schreibt Cornelia Wieg im Ausstellungskatalog. Baselitz sagt es so: „Ich bin Avantgardist. Denn das, was ich mache, habe ich sonst noch nirgendwo gesehen.“

Öffentliche Aufmerksamkeit wurde ihm 1963 nicht etwa mit filigranen Grafiken, sondern mit den Gemälden „Die Nacht im Eimer“ und „Nackter Mann“ zuteil, weil darauf riesige Penisse prangten. Es kam deshalb sogar zu einer Gerichtsverhandlung. Nach diesem Skandal wird der Grundstock für die Sammlung GAG gelegt, die der Leihgeber der Waiblinger Ausstellung ist. Schlagzeilen in jüngster Zeit machte der Künstler, der zu den berühmtesten und teuersten der Welt gehört, nicht mit Bildern, sondern mit nicht bezahlten Steuern. Pikanterweise hat der 75-Jährige noch jüngst in einem Spiegel-Interview über den Staat gescholten, weil er zu wenig in die Kunst investiere.

Ende der 1960er Jahre machte sich Baselitz daran, seine Motive zu zerstückeln. Emblematisch für diese Ära steht das Gemälde einer Kuh auf der Weide, aus der Scheiben herausgeschnitten und durch Scheiben grünen Grases ersetzt wurden. „Auf diese Weise bricht er die erzählerische Dominanz des Motivs“, erläutert die Leiterin der Galerie, Zara Reckermann. Der Künstler kann sich also nun ungestört Form und Farbe widmen. Reckermann erblickt darin eine „Vorstufe zum Umkehrakt seiner Sujets“. Mit Abstraktion kann Baselitz nichts anfangen, aber der reinen Gegenständlichkeit vertraut er offenbar auch nicht mehr. Aus diesem Dilemma hilft ihm die Drehung der Motive um 180 Grad.

Flankierende Veranstaltungen

Vom armen Wandertropf ist er bereits viele Kunstmeilen entfernt als er 1990 nochmals ins 19. Jahrhundert zurückblickt und den Bilderzyklus „Malelade“ schafft. Darin findet sich auch das grasgrüne Blatt mit der Krakelinschrift „Romantiker kaputt“, die der Ausstellung ihren Titel lieh.

Die Ausstellung „Georg Baselitz – Romantik kaputt“ in der Galerie Stihl Waiblingen wird am 16. Mai um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis zum 25. August dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Es ist ein Katalog erschienen, Preis: 24,90 Euro.

Am 11. Juni ist der Kunstkritiker und Baselitz-Kenner Heinz Peter Schwerfel zu Gast und spricht um 19 Uhr über seine Begegnungen mit dem Künstler. Am 27. Juni wird Günther Gercken um 20 Uhr über dessen künstlerische Entwicklung referieren. Die aktuelle Kino-Doku „Georg Baselitz – Ein deutscher Maler“ von Evelyn Schels wird am 9. Juli um 19 Uhr in der Galerie gezeigt.