Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Aus Sicht der Künstlerin wird die realistische Darstellung der Grausamkeit und des Entsetzens dem Leid der Kinder nicht gerecht. Zwar soll ihre Beklommenheit spürbar werden, doch ausliefern will sie die Kinder nicht. Ein Ansatz, den Peter Müller für seine Archiv-Ausstellungsräume geeignet fand.

 

Die Fürsorgebehörden waren in die Vernichtungsmaschinerie verwickelt

Zumal einer der Werkzyklen von Schöllkopf-Horlacher in das Jahr 2019 passt: Am 9. Mai jährt sich die Deportation einer Gruppe von Sintikindern, die 1944 aus einem katholischen Kinderheim in Mulfingen nach Auschwitz gebracht wurden, zum 75. Mal. Das Staatsarchiv steuert Schöllkopf-Horlachers den Mulfinger Kindern gewidmeten Bildern historische Fotos bei, die eine Pflegerin damals von den Mädchen und Jungen gemacht hatte. Es zeigt aber auch Ausschnitte aus der Fürsorgeakte des Amtsgerichts Bad Cannstatt, die dokumentieren, auf welch zynische Weise die Fürsorgebehörden selbst in die Vernichtungsmaschinerie verwickelt waren.

Schöllkopf-Horlacher, die für ihre Recherchen über im Dritten Reich ermordete Kinder auch mit den Nazi-Jägern Beate und Serge Klarsfeld korrespondierte, lässt das Thema kaum noch los. Auch Peter Müller wurde, angeregt durch die Ausstellung, detektivisch tätig. Er stieß auf die Biografie der Ärztin Hella Blanckertz (1879 bis 1953), die in der Heil- und Pflegeanstalt Winnenden an der Ermordung junger Patienten beteiligt war. Durch die Injektion von Phenobarbital wurden bei den Kindern gezielt Lungenentzündungen herbeigeführt, die zum Tod führten.

Im Entnazifizierungsverfahren waren die Krankenmorde kein Thema

Die Ärztin Blanckertz, schon früh förderndes Mitglied der SS, wurde im Entnazifizierungsverfahren als Mitläuferin eingestuft, wie sich in Dokumenten in der Ausstellung nachlesen lässt. Eine mögliche Verwicklung in Krankenmorde war in dem Verfahren kein Thema. Im Ruhestand blieb Blanckertz als Pflegefall in der Anstalt in Winnenden. Leicht verwundert nahmen die Ärzte zur Kenntnis, welch große Furcht die alte Frau hatte, an einer Lungenentzündung zu erkranken. „Regelrecht gesträubt hat sie sich“, sagt Peter Müller, „als man ihr Spritzen geben wollte.“