Nicht nur in Asien, Afrika und Südamerika haben sich tief greifende Veränderungen auf dem Agrarsektor ergeben, auch hierzulande sind Einschnitte festzuhalten.

Kirchheim - Im Kirchheimer Rathaus lassen sich derzeit anhand einer Ausstellung fremde Länder besuchen. Insgesamt fünf sogenannte Entdeckungspfade gelten freilich nicht touristischen Geheimtipps, sondern führen in eine Welt, die schon jetzt nicht mehr weiß, wie sie die rapide wachsende Zahl hungriger Mäuler stopfen kann. Gezeigt wird die vom Berliner Inkota-Netzwerk zusammengestellte Schau von der Initiative Fairtrade Town Kirchheim, der lokalen Agendagruppe und dem örtlichen Eine-Welt-Verein.

 

Lebensmittel zu Spekulationsobjekt geworden

Ist schon der Titel „abgeerntet“ vieldeutig, so könnten auch die der Wanderausstellung vorangestellten Leitbegriffe Hunger, Globalisierung und Landwirtschaft leicht in die Irre führen. Denn nicht nur im fernen Asien, in Afrika und Südamerika haben sich in den letzten Jahren tief greifende Veränderungen auf dem Agrarsektor ergeben, auch hierzulande sind Einschnitte festzuhalten. So sagte Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung, dass Deutschland mittlerweile bereits Getreide einführen müsse, da viel Biomasse zur Treibstoffgewinnung genutzt werde und allein 56 Prozent der heimischen Getreideernte als Tierfutter diene. Gleichzeitig seien Lebensmittel zu einem bedeutenden Spekulationsobjekt geworden.

Im Bioenergieboom, insbesondere in den USA, in den weltweiten Spekulationsgeschäften sowie in den deutlichen Preisschwankungen bei agrarischen Produkten sieht auch der Hohenheimer Ordinarius für Entwicklungstheorie, der Professor Franz Heidhues, erschwerende Faktoren für die Welternährungslage. Heidhues hielt den Eröffnungsvortrag zur Ausstellung und datiert die grundlegende Verschlechterung auf dem Agrarsektor in das Jahr 2008. Damals hätten schlechte Ernten in Australien und Brasilien sowie Überschwemmungen in Bangladesh die Situation schlagartig verändert.

Ernährungssicherung durch Ertragssteigerung

Das vor 16 Jahren beim Welternährungsgipfel in Rom postulierte Ziel, bis 2015 die Zahl von gegenwärtig einer Milliarde Hungernden zu halbieren, sei in weite Ferne gerückt. Bis 2050 würden zu den heutigen sieben Milliarden Erdenbürgern nochmals zwei bis zweieinhalb Milliarden hinzukommen – wie dieser Zuwachs aufgefangen werde, zähle zu den wichtigsten Zukunftsfragen, sagte Heidhues.

Da sich in Drittländern die Anbauflächen nicht wesentlich steigern ließen, und die Wasservorkommen begrenzt seien, sieht der Mann aus Hohenheim in der Ertragssteigerung den einzigen Weg zur Ernährungssicherung. Was der Professor Heidhues zur Gentechnik sagte, dürften nicht alle Mitglieder der drei Veranstalter so ohne Weiteres schlucken. „Ich glaube wir brauchen sie, müssen aber stets auf die Risiken achten!“, sagte der Redner. Songard Dohrn, die Sprecherin von Fairtrade Town und die Vorsitzende des Eine-Welt-Vereins, hielt da mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg: „Ich seh das kritischer!“