Vier Wochen lang hat die Künstlerin Katrin Ströbel die Galerie Stihl Waiblingen als Atelier genutzt. Die dort entstandenen Arbeiten sowie ältere Werke sind ab Samstag zu sehen.

Marseille, Rabat, Stuttgart: Katrin Ströbel lebt an mehreren Orten und ist viel unterwegs. Das kann man ihrer Kunst ansehen. Manche Arbeiten tragen Spuren des Reisens, zum Beispiel, weil die Künstlerin große Formate für den Transport faltet wie eine Landkarte. Dass sie als Grundlage für ihre Kunst zunächst nur Papier und Stift benötigt, schätzt Katrin Ströbel ganz besonders. „Zeichnen ist für mich eher eine Haltung als ein Medium. Man kann es überall machen, es kommt nicht großspurig daher und man kann experimentell arbeiten“, sagt sie. Und die Investitionen sind überschaubar: Sollte ein Werk misslingen, landet das Stück Papier eben im Abfalleimer.

 

Große Liebe für Zeichnung und Papier

Die Liebe zur Zeichnung und zum Papier macht Katrin Ströbel quasi zur Idealbesetzung als Hauptpreisträgerin des 1. Stipendiums für Zeichnung und Papierkunst der Stadt Waiblingen. Ermöglicht wird dieses durch ein unverhofftes Erbe der Eva-Mayr-Stihl-Stiftung. Die Stuttgarterin Renate Reichert hat der Stiftung Geld für die Förderung des Nachwuchses und der zeitgenössischen Kunst hinterlassen.

Sowohl für die Stiftung als auch für die Galerie Stihl sei die Spenderin eine Unbekannte, sagt Anja Gerdemann, die Leiterin des Kunstmuseums: „Uns war klar, dass wir uns etwas Besonderes überlegen müssen.“ So sei die Idee des Stipendiums entstanden, von dem nun die Hauptstipendiatin Katrin Ströbel und die drei Nachwuchskünstlerinnen Valentine Gardiennet, Nele Hendrikje Sandner und Khadija El Abyad profitieren. Während Katrin Ströbel seit Anfang Juli an einem großen Tisch in der Galerie Stihl an ihrer Ausstellung „beben und schimmern“ werkelt, nutzen die anderen Stipendiatinnen das Kameralamt als Atelier und Ausstellungsraum. „Uns war wichtig, dass vor Ort gearbeitet wird“, erklärt Anja Gerdemann.

Die großen Wandbilder sind vor Ort entstanden

In Waiblingen entstanden ist beispielsweise Ströbels riesiges Bildnis einer leicht bekleideten Frau, in deren einer Hand eine Motorsäge baumelt. Da fühlt sich manch einer an den im Jahr 2020 letztmals erschienenen Stihl-Kalender erinnert, der Jahr für Jahr Fotomodels mit allerlei Gerätschaften, aber in Dessous statt Arbeitskleidung zeigte. Ein Frauenbild aus der Vor-Steinzeit? Nun ja, zumindest hat Ströbel dem Frauenkörper den Kopf eines Dinosauriers mit beeindruckend vielen scharfen Zähnen aufgesetzt.

Ein weiteres großes Wandbild zeigt zwei durch ein Band verbundene Pfauen, die zu tanzen scheinen. Drumherum thematisiert Katrin Ströbel die Themen Partnerschaft und Familie, die für ihre Arbeit eine Rolle spielen, aber in der Kunstwelt meist komplett ausgeblendet werden.

Kunst aus Werbeflyern

Neben solchen aktuellen Werken sind auch Arbeiten Katrin Ströbels aus den vergangenen 15 Jahren zu sehen. Im Jahr 2016 entstanden ist eine Collage, die aus 200 Blättern im A-4-Format besteht. Sie zeigt eine Landschaft mit Palmen, die Katrin Ströbel im Senegal entdeckt und gezeichnet hat. Später hat sie diese digitalisiert, ausgedruckt und die Einzelblätter wieder zu einem plakatwandgroßen Gesamtbild zusammengesetzt. Zwei Ventilatoren vor der Wand bringen die Blätter zum Flattern, die Palmen scheinen sich im Wind zu bewegen.

Weitere Collagen sind im Jahr 2020 entstanden, genauer: während des strengen Lockdowns, den Katrin Ströbel in Frankreich erlebt hat. Dort durften die Menschen das Haus zwei Monate lang nur für eine Stunde täglich verlassen. „Becoming sculpture“ lautet der vielsagende Titel der Arbeiten, denn so habe sich diese Zeit der Isolation und des Eingesperrtseins angefühlt, sagt die Künstlerin: „Als ob wir zu Stein erstarren müssten.“ Da sie kein Material kaufen konnte, wurden Werbeflyer, die sonst achtlos in die Tonne wandern, erst zu wertvollem Material für Katrin Ströbel und dann zu Kunst.

Eine Ausstellung in zwei Galerien

Eröffnung
 Die Ausstellungseröffnung ist am 28. Juli um 19 Uhr in der Kunstschule Unteres Remstal, Eva Mayr-Stihl Platz 4. Die Arbeiten sind bis 8. Oktober zu sehen – zum einen in der Galerie Stihl, zum anderen in der Galerie im Kameralamt. Die Öffnungszeiten sind jeweils Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr.

Atelierbesuch
 Wer die Arbeit der Künstlerinnen live erleben möchte, hat beim Atelierbesuch die Gelegenheit dazu. Katrin Ströbel lässt sich am Mittwoch, 26. Juli, von 14 bis 16 Uhr in der Galerie Stihl über die Schulter schauen. Nele Hendrikje Sandner, Valentine Gardiennet und Khadija El Abyad laden auf Samstag, 29. Juli, zwischen 14 und 16 Uhr ins Kameralamt, Lange Straße 40, ein.