Wie wichtig Regenwürmer für die Ökosysteme sind, wie sie sich fortpflanzen und warum die Erde feucht sein muss, das und mehr zeigt eine Ausstellung aus der Schweiz im Schopflocher Naturschutzzentrum.

Lenningen - Wenn irgendwo der Wurm drin ist, dann ist salopp gesagt alles zu spät – und die betreffende Sache hakt ganz ordentlich. Ist freilich der Wurm nicht drin, etwa der Regenwurm im Boden, dann hat das Ganze noch viel schlimmere Folgen fürs Ökosystem, denn Humusbildung und damit die Fruchtbarkeit der Krume sind eng mit seiner Existenz verknüpft. Die allgemeine Wertschätzung, respektive Geringschätzung der Wirbellosen hinkt indes ihrer wahren Bedeutung weit hinterher. Und genau hier will eine pädagogisch ausgerichtete Schau im Schopflocher Naturschutzzentrum (NAZ) sozusagen Boden gutmachen.

 

Die Leistungsbilanz der Familie der „Eigentlichen Regenwürmer“, wie sie in der Systematik heißen, ist phänomenal. So setzt ein einziger Wurm pro Jahr das 200-fache seines Körpergewichts in Erde um, im Boden einer Weide von einem Hektar Größe fallen pro Jahr 600 Tonnen Wurmkot an, der Pflanzennährstoffe in erhöhter Konzentration enthält. Durch ihr Röhrensystem steigern die Tiere die Durchlüftung der Böden und erhöhen deren Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Davon wiederum profitieren andere Bodenbewohner und auch Pflanzen. Würmer kompostieren regelrecht Blätter und Ernterückstände in den oberen Bereichen ihrer Wohnröhren und lassen sie durch Mikroorganismen vorverdauen. Eine bunt zusammengesetzte Interessengemeinschaft aus Bakterien und Einzellern, Milben und Asseln, Springschwänzen und Tausendfüßlern, Ohrwürmern und Saftkuglern finden sich so zu einer wahren Fressgemeinde ein.

Comic-Wurm Karl-Maria Imboden führt durch die Schau

Die Schopflocher Ausstellung stammt aus der Schweiz, durch die einzelnen Stationen geleitet der Comic-Wurm Karl-Maria Imboden, dessen geschlechtsübergreifender Vorname das Zwitterdasein der Regenwürmer symbolisiert. Welch kompliziertes Spiel der Paarung dies bedingt, auch das erfährt der Ausstellungsbesucher.

Der soziale Wohnungsbau unter Regenwürmern, so informiert und dokumentiert die Schau, kennt mit zunehmender Bodentiefe drei Mietergruppen, beziehungsweise Lebensformen. An der Oberfläche finden sich wuselige Kleinformen wie Rot- und Kompostwürmer, bis zu zwei Meter Tiefe logieren sogenannte „tiefschürfende“ Exemplare wie etwa der Tauwurm, ganz unten im Mineralboden und im Wurzelgeflecht der Bäume ist der Grauwurm daheim.

Regenwürmer orientieren sich einzig durch Licht-Sinneszellen an den Vorder- und Hinterenden. Sie atmen über die Haut – und das klappt nur, wenn das umgebende Milieu ausreichend feucht ist. Trocknen in den heißen Monaten Juli und August die Böden aus, so verzieht sich das Gewürm in die Tiefe, ringelt sich ein und hält – analog zum Winterschlaf – eben einen Sommerschlaf.

Sommerschlafender Weltenbürger

Der Regenwurm, dessen Name sich wohl vom lebhaften, das heißt „regen“ Geschöpf ableitet, gilt als mit mehr als 3000 Arten als Weltenbürger. In Europa bringt er es auf etwa 400 Arten, ein Zehntel davon in Mitteleuropa, ist auf den Schautafeln zu lesen.

Die Bodenbewohner rangierten selbst in der Fachliteratur bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Schädlinge und Ungeziefer; gleichwohl hatte das Gewürm im Volksglauben und in der Volksmedizin einen hohen Stellenwert – von A bis Z, vom Aderleiden bis zum Zahnweh reichte die Liste der Anwendungen. Die modernen Zeiten wiederum setzen die Tiere vielerlei Gefährdungen aus, seien es beispielsweise die Pestizideinsätze in der Landwirtschaft oder die Bodenversiegelung durch den Siedlungsbau.

Eine Wanne mit Äpfeln am Eingang zum Ausstellungsraum signalisiert dabei ein kleines Trostpflaster: Wer von den Besuchern einen Apfel isst, kann den Butzen in eine Kiste mit Erde plumpsen lassen – als schmackhaften Gruß an Karl-Maria Imboden und seine/ihre Artgenossen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. September. Begleitend zur Schau ist eine informative und reich illustrierte Broschüre erschienen.