Dem „Klimazubi“ gehört die Zukunft: Auf dem Stuttgarter Marktplatz werben Firmen aus rund 130 Handwerksberufen um junge Nachwuchskräfte.

Mit einer Spritzpistole lackieren, aus kleinen Keramikplättchen einen Schriftzug gestalten oder doch lieber ein Loch in den Stiel eines Klavierhammers bohren? Die Jugendlichen, die sich am Freitagvormittag im Ausstellungszelt der Ausbildungsmesse Hands up darüber informieren wollen, wie es nach der Schule beruflich weiter gehen könnte, haben die Qual der Wahl und können einiges ausprobieren. 130 Handwerksberufe präsentieren sich zwei Tage lang auf dem Stuttgarter Marktplatz und buhlen dabei ihrerseits um den qualifizierten Nachwuchs.

 

Abitur muss auf keinen Fall sein

Die Messe, die zum neunten Mal stattfindet, richtet sich vor allem an Real- und Gesamtschüler und an all diejenigen, die nicht zwingend einen akademischen Beruf anstreben. So wie Mia, Nayeli und Lena. Die drei Schülerinnen der Degerlocher Fritz-Leonhardt-Realschule sind 14 und 15 Jahre alt und am Freitag mit ihrer Schulklasse im prall gefüllten Messezelt unterwegs. Mia ist noch unschlüssig: „Etwas Technisches würde mir gefallen“, meint die Schülerin. Ihre Freundin Lena zieht es ins Immobilien- oder Hotelgewerbe. Was aber genau, weiß auch sie noch nicht. „Abitur muss jedenfalls nicht sein“, sagt sie. Und Nayeli? Sie findet, wie sie sagt, die Messe schon deshalb toll, weil das Handwerk nicht aussterben dürfe. Wohl war.

Voll des Lobes ist auch Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), als er am Freitagvormittag die zweitägige Azubi-Messe der Kreishandwerkerschaft Stuttgart eröffnet. „Ohne das Handwerk“, betont der OB, „würde Stuttgart gar nicht funktionieren.“ Was nicht zuletzt auch für die Herausforderungen in Hinblick auf die Energiewende gilt. „Es sind die Handwerker und Handwerkerinnen, die die modernen Wärmepumpen und Heizkessel installieren“, sagt Nopper. Für den rasant steigenden Stellenwert, der sich daraus für die Auszubildenden in den handwerklichen Berufen ergibt, hat die Branche mit dem Kunstbegriff „Klimazubi“ ein werbewirksames Schlagwort gefunden.

Nachwuchs-Werbung wird schwieriger

Dass das Werben um qualifizierte Nachwuchskräfte für kleinere Betriebe gerade im industriell geprägten Stuttgart nicht einfach ist, betont Jörg Veit von Elektro-Breitling aus Holzgerlingen: „Wir mussten zuletzt unsere Bemühungen mehr als verdoppeln, um die gleiche Zahl an Auszubildenden zu bekommen wie in den vergangenen Jahren“, sagt Veit. Dazu spiele das Unternehmen auf einer breiten Palette an Kommunikationskanälen: von der Schule bis ins Internet. Bemerkenswert: Obwohl Jugendliche in den sozialen Medien sehr aktiv sind, spielten diese als Rekrutierungsmittel noch eine vergleichsweise geringe Rolle: Nur acht Prozent der Interessenten, so Veit, finden auf diese Weise den Weg zur Firma.

Eine Bewerbung aus Südkorea

Das bestätigt auch Lena, eine der Schülerinnen der Fritz-Leonhardt-Realschule: Die wichtigste Informationsquelle zur Berufsorientierung sei die Schule, sagt sie. „Influencer spielen keine Rolle.“ Der direkte Kontakt mit den Jugendlichen und deren Eltern sei nach wie vor entscheidend, unterstreicht Veit. Wichtig sei, deutlich zu machen, dass die Vermögensaussichten für im Handwerk Beschäftigte längst nicht mehr schlechter seien als unter Akademikern. Es gibt aber auch Handwerksbranchen, die so gut wie nie Nachwuchssorgen haben. So wollen eine Ausbildung als Instrumentenbauer zwar nicht besonders viele machen. Wer aber den Weg einschlägt, tut das sehr bewusst und hoch motiviert, wie Aaron Max Tengler erzählt. „Das genügt dann, um die Branche zu füllen“, so der Geschäftsführer des Obertürkheimer Blasinstrumentenbauers Tengler. Hinzu kommt: Die deutschen Instrumentenhersteller können aufgrund ihrer Reputation Auszubildende aus der ganzen Welt rekrutieren, sagt Tengler. „Ich hatte letzte Woche erst eine Bewerbung aus Südkorea.“

Das Messezelt der Hands up auf dem Marktplatz ist am Samstag von 9 bis 14 Uhr geöffnet.