Der kürzlich wieder gegründete DGB-Kreisverband erinnert am Samstag mit einem Aktionstag an die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten vor 80 Jahren. Bei der Veranstaltung im Waldheim spielt die Band ewo2.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Im Backnanger Waldheim lässt sich die leidvolle Geschichte der Arbeiterbewegung zu Beginn der Dritten Reicht anschaulich erzählen. Der vor knapp einem Jahr wiederbelebte Rems-Murr-Kreisverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) lädt ein zu einer „Geschichtsreise Backnang“, die am Samstag um 10 Uhr im Waldheim und drum herum stattfindet.

 

Mit der Veranstaltung will der Kreisverband laut Aussage der Vorsitzenden Christa Walz an die Zerschlagung der Gewerkschaft durch die Nazis im Mai 1933 erinnern. Es gehe indes auch darum, zu zeigen, dass es den Kreisverband wieder gibt. Die einst hauptamtlich geführten Organisationen mit Sitz in Waiblingen war vor ein paar Jahren in der DGB-Region Nord Württemberg aufgegangen. 2012 wurde der Kreisverband wieder ins Leben gerufen, er wird nun allerdings von Ehrenamtlichen geführt. Die 62-jährige Diplom-Bibliothekarin Christa Walz ist im Vorruhestand, sie hat also genügend Zeit. Und über ausgezeichnete Kenntnisse in puncto Gewerkschaftsarbeit verfügt die Frau aus Leutenbach sowieso. Sie ist Mitglied bei Verdi und war 20 Jahre lang freigestellte Personalrätin bei der Stadt Stuttgart.

Immobilien beschlagnahmt

Abgesehen von der traditionellen Gewerkschaftsveranstaltung am Tag der Arbeit, am 1. Mai, sei die Geschichtsreise die erste Aktion, mit der sich der neue Kreisverband der Öffentlichkeit präsentiere, sagt Frau Walz. Man habe ganz bewusst nicht Anfang Mai an die Zerschlagung der Gewerkschaften und die Beschlagnahmung vor Immobilien der Arbeiterschaft vor 80 Jahren erinnern wollen, sondern an einem speziellen Termin. Die Wahl ist auf den 8. Juni gefallen.

Über die Lokalgeschichte des Backnanger Waldheims sei leider wenig bekannt, sagt die DGB-Vorsitzende. In der Festschrift „100 Jahre Gewerkschaft Leder – Ortsverwaltung Backnang“ aus dem Jahr 1994 heißt es: Die Hoffnung der Gewerkschaft habe sich bereits einen Tag nach dem 1. Mai 1933 zerschlagen. „Am 2. Mai 1933 stürmten SA-Truppen die Gewerkschaftshäuser und verhafteten die Funktionäre. Die freien Gewerkschaften wurden verboten. Am 2. Mai besetzten und beschlagnahmten die Nazis auch in Backnang die Häuser der Gewerkschaften und der Arbeiterorganisationen wie der Naturfreunde und des Waldheimvereins.“ Trotz einiger Anstrengungen sei es bis dato leider nicht gelungen, weitere Details zur Beschlagnahmung des Waldheim im Backnanger Plattenwald herauszubekommen, sagt Crista Walz. In den kommunalen Archive gebe es offenbar keine alten Dokumente.

Ausstellung „Umarmung und Gewalt“

Bei der heutigen DGB-Veranstaltung im Waldheim wird auch die DGB-Ausstellung mit dem Titel „Umarmung und Gewalt“ gezeigt, in der es um den letztlich erfolglosen Widerstand der Gewerkschafter im Raum Stuttgart gegen die Nazis geht. Erzählt wird beispielsweise die Lebensgeschichte von Willi Bleicher, der im KZ Buchenwald überlebte und später in der Bundesrepublik einer der bedeutendsten Gewerkschaftsführer wurde. Die Besucher der „Geschichtsreise“ erfahren von Schicksal des Gewerkschafters Heinrich Talmon-Groß, der 1936 in einer Miedelsbacher Gaststätte gesagt hatte: „Das Dritte Reich wird sich schon noch zu Tode laufen.“ Er wurde denunziert, verhaftet, ins Gefängnis und später in das KZ Dachau geworfen. Talmon-Groß starb am 20. Februar 1945 im Krankenhaus Dachau laut der Sterbeurkunde an den Folgen eines septischen Fiebers. „Die barbarischen Haftbedingungen haben einen in seiner Bescheidenheit, Klarheit und Offenheit großen Stuttgarter Gewerkschaftsmann umgebracht.“

Christa Walz hofft, dass sie in Backnang Menschen trifft, die von der Beschlagnahmung des Waldheims vor 80 Jahren eine paar Detail erzählen können.

Vortrag
Im Rahmen der Veranstaltung „Geschichtsreise Backnang“ im Backnanger Waldheim, Zeller Weg 109, spricht Petra Bräutigam am Samstag von 11 Uhr an zum Thema „Die Entwicklung der Lederindustrie im Nationalsozialismus – Schwerpunkt Backnang“. Die Veranstaltung des DGB-Rems-Murr beginnt um 10 Uhr. Von 14 bis 16 Uhr spielt die Band ewo2 aus Mannheim Lieder aus 150 Jahren Gewerkschaftsbewegung.

Mannheim
Im Technoseum in Mannheim ist zurzeit die Ausstellung „Durch die Nacht zum Licht?“ zusehen, in der es um die Geschichte der Arbeiterbewegung vom Jahr 1863 bis 2013 geht. Die Schau wird bis zum 25. August gezeigt. Der DGB-Kreisverband Rems-Murr bietet eine Fahrt zu der Ausstellung an. Wer am Sonntag, 17. Juli, mitfahren will, muss sich anmelden bei Herbert Angerbauer, Telefonnummer 0 71 95/73 67 3.

DGB
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betont immer wieder, dass „die solidarische Gesellschaft“ eins der Hauptziele der Arbeit sei. Der DGB versteht sich als die Stimme der Gewerkschaften gegenüber den politischen Entscheidungsträgern, Parteien und Verbänden. Als Dachverband schließt er aber keine Tarifverträge ab.