Auf die meisten Gaskunden in Baden-Württemberg kommt im Herbst eine große Preissteigerung zu. Auch die geplante Senkung der Mehrwertsteuer kann das nicht abfangen.
Ab Oktober steigen die Gaspreise in Baden-Württemberg mit den neuen Umlagen kräftig. Die Preissteigerung wird oft nicht durch die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas ausgeglichen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Grundversorgern im Land.
Jedoch müssen nicht alle Gaskunden ab dem 1. Oktober mit einer Weitergabe der Gasumlage rechnen - für mehrere Grundversorger in Baden-Württemberg kamen die Ankündigungen aus Berlin zu kurzfristig. Auch die Strompreise ziehen teils kräftig an.
„Die Gasumlage trifft diejenigen, die sich die gestiegenen Energiepreise jetzt schon nicht leisten können“, sagte der Landesvorstand des Mieterbundes, Rolf Gaßmann. Durch die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas würden diese Haushalte zwar wieder entlastet - man entlaste aber auch diejenigen, die das gar nicht brauchten. Das Konstrukt sei daher wenig zielgerichtet und sozial ungerecht. Besser wäre gewesen, die betroffenen Energieunternehmen direkt zu subventionieren.
7 Prozent Mehrwertsteuer
Mit der vergangene Woche verkündeten Gasumlage von 2,4 Cent je Kilowattstunde sollen erhöhte Beschaffungskosten von Großimporteuren ausgeglichen werden, um diese vor der Pleite zu bewahren. Dazu kommt eine Gasspeicherumlage in Höhe von 0,059 Cent. Die Bundesregierung kündigte am Donnerstag zudem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent an.
In Freiburg, Heidelberg oder Mannheim planen die Gas-Grundversorger bereits eine Weitergabe der Umlagen ab dem 1. Oktober. In Mannheim beträgt die Steigerung etwa im Tarif Natura Grundversorgung 2 rund 30 Prozent, teilte der Grundversorger MVV Energie mit. Eine abgesenkte Mehrwertsteuer werde die Steigerung abmildern, aber nicht vollständig ausgleichen. In Freiburg würde eine Mehrwertsteuerabsenkung die Mehrbelastung um etwa die Hälfte reduzieren, teilte eine Sprecherin vom dortigen Grundversorger Badenova mit.
EnBW erhöht Grundversorgung um 31,1 Prozent
Die Stadtwerke Heidelberg wollen die Erhöhungen eins zu eins an die Kunden weitergeben - das ergebe mit der aktuellen Mehrwertsteuer eine Preissteigerung von knapp unter 20 Prozent, hieß es. Sinke nun die Mehrwertsteuer, gleiche das die Mehrbelastung für Haushalte nicht aus. Bei einem Haushalt mit 18 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch ergebe sich durch die Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf 7 Prozent eine Entlastung von 337 Euro. Die Umlagen führten bei einer Mehrwertsteuer von 7 Prozent aber zu einer Mehrbelastung von 477 Euro - Kunden müssten also unterm Strich 140 Euro im Jahr mehr bezahlen.
Der Energiekonzern EnBW, der unter anderem für Stuttgart als Grundversorger fungiert, will hingegen noch nicht zu Anfang Oktober mit den Gaspreisen hochgehen. Preisanpassungen hätten bis zum Freitag kommuniziert werden müssen, die Höhe der Umlage sei aber erst am 15. August bekannt geworden, hieß es. EnBW prüfe daher die Weitergabe zu einem späteren Zeitpunkt. Beim Strompreis geht es bei EnBW ab Oktober im Grundversorgungstarif im Durchschnitt um 31,1 Prozent nach oben.
Verzögerungen in Karlsruher und Heilbronner Versorger
In Karlsruhe wird aber ab Oktober der normale Gastarif erhöht. Für ein Einfamilienhaus mit 20 000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr erhöhe sich der Preis um etwa 55 Prozent, sagte ein Sprecher. Die Umlage werde eventuell zum 1. November zusätzlich aufgeschlagen. Über die Höhe der Preisanpassung gebe es noch keine Entscheidung - die Umlagen würden aber in jedem Fall voll weitergegeben. Das bedeutet laut Sprecher, dass die Preise wohl etwas stärker erhöht werden, um die Umlage für Oktober rückwirkend zu finanzieren.
Bei den Karlsruher Stadtwerken steigt der Strompreis zum 1. Oktober etwa um ein Drittel. In Mannheim und Heidelberg sanken die Strompreise in der Grundversorgung zuletzt, nachdem zum 1. Juli die EEG-Umlage weggefallen war. In Freiburg glichen sich eine Preiserhöhung zum 1. August und der Wegfall der Umlage in etwa aus. Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm planen Preisanpassungen für Strom und Gas in den kommenden Monaten, nannten aber kein Datum.
Mieterbund verlangt ein Aussetzen von Kündigungen
Mietervorstand Gaßmann wiederholte die Forderung des Mieterbundes nach einem Kündigungsmoratorium, das sicherstellen soll, dass niemand gekündigt werden darf, der wegen stark gestiegener Heizkosten seine Nebenkostenabrechnung nicht bezahlen kann. Im Corona-Lockdown - als es schon einmal so ein Moratorium gab - habe es zwar nur wenige Mieter gegeben, die ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten. Aber: „Jetzt ist die Situation anders, weil breite Schichten an die Zahlungsunfähigkeit kommen würden.“
Zudem brauche es einen milliardenschweren bundesweiten Fonds, über den sich Vermieter zinslose Darlehen besorgen können, bis sich die Energiepreise wieder beruhigen. Für Mieter, die direkt Verträge mit Versorgern abgeschlossen haben, forderte Gaßmann zudem, dass es keine Liefersperren geben dürfe.