Beim Frühstücksei wuchs die Entschlusskraft: Die grün-rote Landesregierung kommt den Beamten entgegen: Der Tarifabschluss wird in voller Höhe übertragen, jedoch zeitlich und sozial gestaffelt.

Stuttgart - Am Mittwoch, 8.42 Uhr, war die Kuh vom Eis. Es wurde auch höchste Zeit, schließlich hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Nils Schmid (SPD) für 8.45 Uhr zur Pressekonferenz geladen. Dann wollten die beiden ihre Entscheidung zur Übertragung des Tarifabschlusses für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes auf die Beamten bekannt machen. Zuvor hatten die Spitzen der grün-roten Koalition nochmals eine Dreiviertelstunde beraten, ob sie die 5,6 Prozent Gehaltszuwachs gar nicht, nur teilweise oder doch vollständig, eventuell aber mit Wartefrist auf die Beamten von Land und Kommunen weiterreichen sollten.

 

Bayern, wo dieses Jahr gewählt wird, hatte bereits eine Komplettübertragung des Tarifabschlusses angekündigt. Ganz anders das hoch verschuldete Nordrhein-Westfalen. Dort beschloss die rot-grüne Landesregierung, die Tariferhöhung an die Beamten und Pensionäre bis zur Besoldungsgruppe A 10 voll weiterzugeben. Für die Staatsdiener in A 11 und A 12 gibt es zweimal ein Prozent mehr, alle höheren Beamten drehen hingegen eine Nullrunde.

Die Stuttgarter Frühstücksrunde um Kretschmann und Schmid wählte einen dritten Weg, einen Mittelweg. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2016 werden alle Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst der Länder auf die Beamten übertragen, jedoch zeitlich und nach Besoldungsgruppen gestaffelt. Konkret sieht das dann so aus: Das Tarifergebnis sieht für 2013 ein Gehaltsplus von 2,65 Prozent vor, für 2014 sind es 2,95 Prozent, zusammen also 5,6 Prozent. Für die Beamten bis zur Besoldungsgruppe A 9 (etwa 46 000 aktive Beamte im Landesdienst) gilt eine Wartefrist von einem halben Jahr, die Gehaltssteigerung wird also nicht zum 1. Januar 2013 wirksam, sondern erst Anfang Juli. Für die Staatsdiener in den Besoldungsgruppen A 10 und A 11 (etwa 21 000 Beamte) währt die Wartefrist ein Dreivierteljahr und für alle höher dotierten Beamten, 120 000 an der Zahl, ein Jahr. Diese gestaffelte Verschiebung soll auch bei der Übertragung des Tarifs in den Jahren 2015 und 2016 Anwendung finden.

Das dicke Ende kommt noch

Weil im Doppeletat 2013/2014 bereits mehr Geld für die Beamten eingeplant war – jeweils 1,5 Prozent – kann sich Finanzminister Schmid im laufenden Jahr sogar über eine Einsparung freuen. Sie beträgt 179 Millionen Euro. 2014 liegen die Kosten für die Gehaltserhöhung nur knapp, nämlich um zwei Millionen Euro, unter dem Haushaltsansatz. Das dicke Ende kommt aber: 2015 fehlen 158 Millionen Euro im Haushalt, 2016 liegt das Minus bei 167 Millionen Euro. Die Gehaltserhöhungen wirken auf Dauer.

Der Finanzminister zieht daraus den Schluss: „Weitere strukturelle Maßnahmen zur nachhaltigen Haushaltssanierung sind notwendiger denn je.“ Noch in der vergangenen Woche hatte Regierungschef Kretschmann eine echte Nullrunde keineswegs ausschließen wollen. Am Dienstag trat er dann auch mit gefurchter Stirn vor die Presse – ob aus Sorge um den Landesetat oder ob der Anstrengungen seines Abstechers zur Amtseinsetzung von Papst Franziskus, blieb offen. Kretschmann, so war zu vernehmen, hätte wohl auch eine Deckelung der Gehaltserhöhung mitgetragen. Doch vor allem die SPD-Fraktion um ihren Chef Claus Schmiedel bestand auf eine volle Übertragung, wenn auch mit Wartefrist. Gegen Schmiedels Ansinnen leisteten die Grünen keinen ernsthaften Widerstand. Immerhin naht die Bundestagswahl, und Volker Stich, der Chef des Landesbeamtenbunds, hatte bereits Protestaktionen in Aussicht gestellt. Auch Regierungschef Kretschmann ließ gelegentlich schon verlauten, keine Regierung könne auf Dauer gegen die eigene Beamtenschaft regieren.

Der Beamtenbund spricht von „gefühlter Nullrunde“

Der Beamtenbund reagierte mit gemischten Gefühlen. „Wir sind alles andere als glücklich über die Verschiebung“, sagte Verbandschef Stich. Er sprach von einer „gefühlten Nullrunde“. Jedoch anerkenne er „das Bemühen der Koalition, insbesondere den Einsatz der SPD, den Beamten und Pensionären nicht vergleichbar extreme Ungerechtigkeiten zuzumuten wie in Nordrhein-Westfalen“. Er kündigte keine neuen Proteste an. Kritik kam von DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf. Man bestehe weiter auf einer zeitgleiche Übertragung des Tarifabschlusses. Die Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz, zeigte sich wütend. „Der Umgang mit den Landesbeschäftigten und die Bildungspolitik der Landesregierung tragen inzwischen die Überschrift: Schafft die Schule ab, sie kostet nur Geld.“ Grün-Rot sei die Bildung nichts mehr wert.

CDU-Fraktionschef Peter Hauk sagte, die Regierung müsse das Tarifergebnis zeitgleich und in voller Höhe übertragen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, Kretschmann sei „als Spartiger gesprungen und als Bettvorleger des Beamtenbundes gelandet“. Inhaltlich stimmte er dem Koalitionsbeschluss weitgehend zu.