Wer Schauder-Effekte auch außerhalb von Halloween sucht, ist bei den Gruselführungen von Xenia Busam richtig. Sie kombiniert bei ihren düsteren Spaziergängen durch Ludwigsburg Historisches mit Märchenhaftem.
Ludwigsburg - Stockfinster ist es beim abgelegenen Ratskeller-Pavillon, der Wind fegt raschelndes Laub über den Schotter. Wem die Kälte nicht ohnehin schon in die Knochen gekrochen ist, den beschleicht sie jetzt: Eine düstere Gestalt mit bodenlangem Mantel, das Gesicht von einer Kapuze verhüllt, hebt unheilsschwanger die Stimme an: „Sie packte den Herzog bei der Gurgel, hob ihn hoch, drückte zu und sagte: Du bist es nicht wert, auf dieser Erde zu bleiben“, grollt die Gestalt mit Grabes-Timbre. „Ich nehme dich mit. Du bist mein!“
Ob das plötzliche Ende des Herzogs Karl Alexander im Jahr 1737 tatsächlich etwas damit zu tun hatte, dass der Blaublüter beim Alten Friedhof Richtung Oßweil einen Schädel beiseite gekickt und diesen in einem Anflug von Hybris zu seinem abendlichen Gelage eingeladen hatte, wie die düstere Gestalt raunt? Verbürgt ist auf jeden Fall, dass Eberhard Ludwigs Nachfolger in Ludwigsburg sein Leben aushauchte. Ausgerechnet in der Stadt, aus der er Regierung und Residenz nach Stuttgart zurückverlegt hatte. Als Sündenbock für die verhassten Vorhaben des Dahingeschiedenen wurde bekanntlich der fürstliche Finanzberater Joseph Süß Oppenheimer hingerichtet.
Henker, Huren, Haderlumpen
Wer sich in dunklen Ludwigsburger Ecken bei mysteriösen Geschichten gruseln will, kann das auch abseits von Halloween. Schlägt die düstere Gestalt die Mütze zurück, kommt das Gesicht von Xenia Busam zum Vorschein. Die 50-Jährige ist Stadtführerin mit abgründigem Schwerpunkt: Sie macht hartgesottene Zuhörer mit der Welt von Henkern, Huren und Haderlumpen bekannt, weckt Erinnerungen an Mordwerkzeug, Foltergeräte und Hinrichtungsarten und berichtet von Tod, Schuld und Verderben.
Wobei „berichten“ nicht ganz das richtige Verb ist. Die Spiel- und Theaterpädagogin und Erzählerin verleibt sich ihre Rollen geradezu ein und liefert eine Art One-Woman-Freilichttheater. „Bei den Leuten soll ein innerer Film entstehen“, erklärt sie. Von „eher inhaltsangabenmäßigen“ Stadtführungen hält sie wenig. Abschreckende Beispiele dieser Sorte inspirierten sie einst, selbst in das Metier zu gehen.
Auch mancher Gast kommt zum Zuge
Gerne lässt sie ihre Teilnehmer Teil der Performance werden. „Bevor wir den aufs Rad flechten, müssen wir ihn ein bisschen geschmeidig machen“, informiert sie die Gruppe maliziös über die Perspektiven eines freiwilligen Opfers. War es doch einst Praxis, den Verurteilten erst einmal auf dem Boden zu fixieren, „damit der nicht so zuckt“, und ihm das schwere Rad wahlweise auf Schenkel, Arme oder den Kehlkopf fallen zu lassen. Dem armen Führungsteilnehmer bleibt die Prozedur, versteht sich, erspart. Die anschauliche Schilderung reicht. Die Geräderten von anno dazumal ließ man dagegen oft in grauenerregenden Zustand zum Krepieren liegen.