Wo wollen Sie als Oberbürgermeisterin denn inhaltliche Schwerpunkte setzen?
Ich denke, wichtig ist auf jeden Fall der Dialog in die Bürgerschaft hinein.

. . . bitte jetzt keine Worthülsen wie die Bürger mitnehmen . . .
Ich antworte gern konkret. Also, ich bin seit zwölf Jahren in drei verschiedenen Stadtverwaltungen in der kommunalen Praxis. Im Gegensatz zu meinen Mitbewerbern bringe ich kommunale Erfahrung mit. Ich habe schon verschiedene Bürgerbeteiligungsprozesse angestoßen, konzipiert und organisiert. In Ludwigsburg zum Beispiel habe ich ein erfolgreiches Programm zur Umgestaltung von Schulhöfen mit Beteiligung von Lehrern, Schülern und Eltern entwickelt. Da hat sich ein ungeheures Engagement der Schulgemeinschaften entwickelt, das man so nicht verordnen kann. Sie müssen aber allen die Möglichkeit zum Mitmachen eröffnen. Es gibt keinen Königsweg. Wer Menschen mit Migrationshintergrund erreichen will, darf das nicht mit einer Podiumsdiskussion am Abend versuchen.

Viele Leute sind enttäuscht, weil sie das Gefühl haben, nur darüber entscheiden zu dürfen, ob der Blumenkübel links oder rechts steht. Haben Sie dafür Verständnis?
Absolut. Fatal ist, wenn man sagt, dass alles möglich ist. Das ist nie der Fall, weil es immer limitierende Rahmenbedingungen gibt. Ich finde es wichtig, von vornherein zu sagen, wie groß der Finanzrahmen ist. Im Grunde geht es darum, klare Eckpunkte für die Ziele, die man erreichen will, zu benennen. Ich habe gelernt, dass offene Prozesse oft zu großer Frustration führen, weil jeder mit hohen Erwartungen reingeht und rasch enttäuscht wird. Bürgerbeteiligung ist ein sehr komplexer Prozess.

Muss sich nicht auch die Verwaltung ändern, um Beteiligung zu ermöglichen?
Ja, richtig. Eine echte Beteiligung der Bürger ist bis jetzt nicht im Blick der Verwaltung gewesen. Sie muss deshalb lernen umzudenken und begreifen, dass die Bürger die Experten ihrer eigenen Situation sind. Die Bürger ernst zu nehmen und ihre Interessen und Ziele zusammenzuführen, das ist die hohe Kunst der Bürgerbeteiligung.

Welche Eindrücke haben Sie bei Ihren Besuchen in den Außenbezirken gewonnen. Was erwarten die Bürger?
Ich war auch in den Innenstadtbezirken unterwegs. Mir sind nicht nur die großen Themen wichtig. Ich will eine neue Gesprächskultur etablieren. Dazu muss ich überallhin, wo die Stuttgarter wohnen, also in alle Stadtbezirke. Da gibt es unterschiedliche Themen und Herausforderungen. Ich möchte hören, was wo als Thema angesagt ist. Es gibt überall die Sorge, dass es nur noch um teure Großprojekte geht. In Vaihingen möchten die Leute aber mehr bezahlbaren Wohnraum. Auch im Osten ist das ein Thema. Ich möchte dafür sorgen, dass sich die Stuttgarter auch weiterhin Wohnraum in ihrer Stadt leisten können.

Können Sie noch ein paar andere Schwerpunktthemen nennen?
Ein Schwerpunkt ist die Bildung und die Kinderbetreuung. Da hat Stuttgart noch einiges zu tun. Der Slogan von der kinderfreundlichen Stadt nützt da wenig, weil es darauf ankommt, was hinter den Sprüchen steckt. Ich war sehr erstaunt darüber, dass es in manchen Stadtbezirken noch Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder über drei Jahren gibt. Wenn ich eine kinderfreundliche Stadt sein will, darf ich das nicht vernachlässigen. Schwäbisch Hall steht da besser als die Landeshauptstadt da.

Die SPD fordert, in Stadtbezirken mit zu wenig Spielplätzen auch Straßenabschnitte zu Bewegungsflächen umzuwidmen. Muss die Autostadt für Kinder zurückstecken?
Der dicht bebaute Westen hat ein Strukturproblem. Deshalb ist es richtig zu schauen, wo und wie man Spielräume für Kinder schaffen kann. Die Idee, Spielstraßen einzurichten, finde ich gut. Man muss sich das im Einzelfall anschauen. Kinder sollten dort, wo sie leben, Spielräume vorfinden.

Es gibt ja nicht nur Kinder, der demografische Wandel ist schon in vollem Gange. Was bedeutet es für die Stadtentwicklung, wenn die Menschen immer älter werden?
Da kommen ganz gravierende Folgen auf uns zu. Wir müssen uns mit den Themen Demenz oder Barrierefreiheit beschäftigen. Da geht es zum Beispiel um den leichten Zugang zu Haltestellen und zu Gebäuden. Es gibt aber auch andere Barrieren, beispielsweise im Netz.