Grün-Rot muss im Herbst entscheiden, wie die seit 2007 privat von der Neustart gGmbH organisierte Bewährungs- und Gerichtshilfe weitergeführt werden soll. Der Vertrag endet 2016. Als Entscheidungshilfe hat man das bisherige Tun von Neustart untersucht.

Stuttgart - Im Herbst will die Landesregierung entscheiden, wie die Bewährungs- und Gerichtshilfe im Land künftig organisiert werden soll. „Wir müssen festlegen, ob wir sie erneut ausschreiben und einem freien Träger übertragen wollen oder ob wir sie in staatlicher Regie weiterführen“, erläutert der Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Derzeit ist mit Neustart ein privater gemeinnütziger Träger damit befasst. Der Vertrag läuft aber Ende 2016 aus. Stickelberger ist eigentlich kein Freund von Privatisierungen. Er muss aber einräumen: Neustart macht keinen schlechten Job, und den auch noch günstiger.

 

Die fachlich-strukturelle Qualität der Bewährungs- und Gerichtshilfe habe in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden können. Es gebe aber weiteren Optimierungsbedarf. Das besage der Evaluationsbericht. Er soll der Landesregierung bei der Entscheidung helfen. Grüne und SPD hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, den seit 2007 eingeschlagenen Weg kritisch zu überprüfen. Das erledigte im Wesentlichen das Justizministerium selbst. Für stark fachlich geprägte Untersuchungen der Qualität der Sozialarbeit und der Organisation wurden Wissenschaftler vom Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg sowie vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Frankfurt zugezogen.

Bessere Betreuung

„Der Bericht zeigt, dass die Einführung einer zentralen Struktur bei Bewährungs- und Gerichtshilfe der richtige Weg war und zu qualitativen Verbesserungen geführt hat“, stellt Stickelberger fest. Vor der Reform habe es an Qualitätskontrolle und fachlicher Anleitung gefehlt. Die Reform habe von 2007 an Qualitätsstandards, eine klare Organisation der Arbeitsabläufe und die notwendige technische Ausstattung gebracht. „Das hat sich bewährt.“

Die Bewährungshilfe gewährleiste heute eine deutlich höhere Betreuungsintensität, was fachlich dringend geboten gewesen sei. 2004 habe ein Bewährungshelfer durchschnittlich 95 Personen betreut. Heute seien es weniger als 70. „Das kann sich im bundesweiten Vergleich sehen lassen“, kommentiert Stickelberger.

Gelungen sei das, weil die Zahl der hauptamtlichen Bewährungshelfer angewachsen sei und darüber hinaus ehrenamtliche Helfer eingesetzt werden. Derzeit sind 438 Hauptamtliche im Einsatz, im Jahr 2004 waren es erheblich weniger. Dazu kommen 613 Ehrenamtliche. Sie haben im vergangenen Jahr insgesamt 21 400 Personen betreut.

Haftkosten erspart

Sie machen das offenbar ganz ordentlich. Jedenfalls berichtet Neustart darüber, dass im Land deutlich weniger Bewährungen widerrufen würden, anders als im Bundestrend. In der Zeit zwischen 2005 bis 2011 habe die Zahl der Widerrufe um 14,3 Prozent gesenkt werden können, obwohl in dieser Zeit zehn Prozent mehr Straftäter auf Bewährung verurteilt worden seien. Im restlichen Bundesgebiet habe es neun Prozent mehr Widerrufe gegeben, bei sieben Prozent mehr Bewährungsfällen. Das erspare dem Land Haftkosten von mindestens 4,3 Millionen Euro, rechnet Neustart vor. Dabei arbeiten die gemeinnützigen Bewährungshelfer billiger. Hätte das Land in staatlicher Trägerschaft die Reform umsetzen müssen, hätte das 2,6 Millionen Euro mehr gekostet, sagen die Gutachter.

„Trotz der Verbesserungen sind wir aber noch längst nicht am Ziel“, sagt Stickelberger. Das betreffe fachliche Aspekte. So müssten etwa die Vorgaben für Berichte an das jeweilige Gericht oder für die Falldokumentation durch die Sozialarbeiter besser umgesetzt werden. Für Gerichte und Staatsanwaltschaften sei das wichtig, „weil sie auf der Basis der Berichte über die Bewährung des Betroffenen entscheiden“.

Entscheidung im Herbst

Im Herbst will die Regierung entscheiden, ob die Bewährungs- und Gerichtshilfe wieder für freie Trägerschaft ausgeschrieben werden soll. Denkbar sei auch, eine eigenständige Behörde einzurichten, eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine vom Land getragene privatrechtliche Gesellschaft. Die finanziellen Aspekte der diversen Modelle würden gemeinsam mit dem Finanzressort geprüft.